Automobilindustrie : Smart Plastics: Wie Engel Austria Autos fühlen lassen will

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Das Radio einschalten, die Temperatur regeln oder das Navigationsgerät bedienen: Noch gibt es in Fahrzeugen viele Knöpfe und Schalter. Das Auto von morgen will aber ohne diese auskommen. Statt der klassischen Mittelkonsole wird dann ein intelligentes Kunststoffteil eingebaut. Herzstück dieser Konsole sind dann, einfach ausgedruckt, Folien mit intelligenten Sensoren. Durch diese soll die Mittelkonsole fühlen, hören und sehen können. Anstelle von Schaltern oder Tasten steuert der Mensch also einfach über eine fühlende Oberfläche.

Intuitive Führung

Fast dem Smartphone ähnlich kann der Mensch damit Bedienfunktionen mit einer Handbewegung oder der Berührung des Fingers steuern. Was nach einem typischen Touchscreen klingt, soll aber in der Vision von Georg Steinbichler ganz anders aussehen. Steinbichler beschäftigt sich beim oberösterreichischen Spritzgussmaschinenhersteller Engel als Verantwortlicher für den Bereich Forschung und Entwicklung mit Verfahren zur Herstellung von Kunststoffbauteilen, die in der Medizintechnik, im Automobilbau oder im Smartphone eingesetzt werden. Für ihn müssen solche Oberflächen haptisch viel ansprechend gestaltet sein. „Es wird dann ein Ertasten über die Oberfläche geben“, erklärt er. Der Gedanke dahinter: Kunststoff-Bauteile mit Funktionen. „Also Mechatronik und Elektronik mit dem Kunststoff zu verbinden“, so Steinbichler.“ Dafür wird verschiedenste Sensorik in die Bauteilen integriert.“ Die Bedienung kann dann über eine Gestensteuerung direkt auf der Oberfläche, besser bekannt als „Wischen“, erfolgen. PLUS: Ertasten und Erfühlen von Funktionen. Asl Orientierung für den Fahrer könnte eine intelligente Beleuchtung sorgen, die sich an die jeweiligen Anforderungen anpasst. Das Zauberwort hier heißt „intuitive Führung“: Die Konsole zeigt nur Funktionen an, die in dem jeweiligen Moment relevant sein könnten. „Die einzelnen Bedienfunktionen sollen erst dann aufpoppen, wenn ich sie als Nutzer auch wirklich brauche.“

OEMs warten ab

Smart Plastics gilt als großer Hoffnungsträger für die Zulieferindustrie und diese gibt einen ordenltichen Takt vor. In den vergangenen Jahren hat sich viel getan. Die Entwicklungen schreiten voran, die ersten Prototypen sind funktionsfähig und dennoch hat man das Gefühl, es passiere nichts. Für Steinbichler scheitern die konkreten Umsetzung vor allem an der abwartenden Haltung der OEMs (Original Equipment Manufacturer): „Es werden viele Dinge vorgestellt. Die OEMs warten aber ab.“ Sie würden vor allem nach einem Partner suchen, der ein Gesamt-Know-how liefern kann und den Überblick hat. Am Preis scheitere es dabei nicht. „Es wird vielmehr darauf ankommen, dass man als Lieferant mit seiner Kompetenz überzeugen kann“, so Steinbichler. Eine Erklärung, warum sich bei Engel Austria das Thema „Smart Plastics“ ganz oben auf der Forschungsagenda steht. Und Engel hat schon einiges an Vorzeigbarem entwickelt. „Wir verfügen mittlerweile über interessante Prototypen für den Automotive-Bereich. Aber in der Großserienfertigung sind wir damit noch nicht.“

E-Mobilität gibt den Ton an

Gepuscht werden könnte die Entwicklung durch den Trend zur E-Mobilität, davon ist Steinbichler überzeugt, denn bei Elektroautos geht diese Forschung noch weiter als bei herkömmlichen Fahrzeugen. Engel habe bereits einige erfolgreiche Tests für den Einbau einer Heizfunktion in Kunststoffteile gemacht. Dabei geht es nicht um sehr hohe Temperaturen, dennoch reichen diese um zum Beispiel im Winter Scheiben zu Enteisen. „Auch als flächige Heizmöglichkeit bietet sich die Integration in Kunststoffteilen an“, so Steinbichler. Eingesetzt werde dafür, wie generell bei Smart Plastics üblich, eine Folie als Träger. Auf dieser werden Leiterbahnen angebracht. Kombiniert wird das Ganze mit LED-Konzepten, die laut Steinbichler „auf höchstem Niveau arbeiten müssen.“ Technologisch ist das alles bereits möglich, was die vergangenen Jahre und ihre Entwicklungen bestätigen. Nun kommt es nur mehr darauf an, die Technologie in großem Stil zu nutzen. Unternehmen wie Engel Austria sind dann bereits gerüstet.

Plattform bietet Überblick

Dass es im Automotive-Bereich schon bald von der Warteposition in die Startreihe gehen wird, ist sich Markus Koppe sicher: „Die Nachfrage ist da. Das hat sich bei den Automessen heuer gezeigt“, so der Manger der Initiative Smart Plastics. Die Automobilindustrie will in diese Richtung und eröffnet den Zulieferern damit eine große Chance. Um die richtigen Leute zusammen zu bringen, wurde vor sechs Jahren die Initiative „Smart Plastics“ der drei österreichischen Cluster Automobil, Kunststoff und Mechatronik gegründet. Als Technologie-Plattform an der Schnittstelle von Mechatronik, Kunststoff und Design, können Unternehmen mit einem Projekt kommen und die Plattform liefert aus dem Know-how ihrer 20 Partner Lösungen. Dadurch sei es für Unternehmen, die sich bisher nicht mit dem Thema Smart Plastics beschäftigt haben, möglich, verschiedene Systeme kennenzulernen und aus ihnen auszuwählen. Eine Pauschallösung gibt es nämlich nicht. Zu unterschiedlich sind die Technologien und zu unterschiedlich die Möglichkeiten. „Die Kunst liegt darin, diese zu kombinieren“, so Koppe. Gerade für Unternehmen, die im Tagesgeschäft verhaften sind, sei deswegen die Zusammenarbeit mit einer solchen Plattform ideal.

Kein Weg daran vorbei

Grundsätzlich sind die „Smart Plastics“ in vielen verschiedenen Bereichen einsetzbar. Auch herkömmliche Haushaltsgeräte könnten schon bald ohne Schaltknöpfe auskommen oder Kleidungsstücke mit Sensoren ausgestattet werden. Doch nicht alles, was möglich ist, werden wir demnächst auch erleben. Es ist und bleibt auch immer eine Frage des Preises. Gerade im sogenannten „Low-Budget-Bereich“, zu dem beispielsweise Alltagsgegenstände gehören, sei der Kunde noch nicht bereit, für Konnektivität mehr zu bezahlen, meint Koppe. Dabei würden eine eingebaute Sensorik so viel Neues ermöglichen. „Eine Schädigung könnte sofort erkannt und fehlerhafte Teile ausgetauscht werden“, so der Engel-Forschungsleiter. „Als Nutzer erhält man genaue Informationen darüber, wann eine Wartung nötig ist.“ Für den Bereich der Alltagsgeräte halten sich die Hoffnungen der beiden Smart-Plastics-Euphoriker aber in Grenzen. Ihre große Chance wittern sie – wie viele andere – eben in der Automobilindustrie. Geht es nach Koppe, ist der Weg klar vorgezeichnet: „An Smart Plastics führt im Automotive-Bereich kein Weg vorbei.“

Veranstaltungstipp

Hören Sie weitere Details zu Engels Smart Platics Revolte am 4. Internationalen Polymerkongress.

Wann: 5. bis 6. Dezember

Wo: Schloss Puchberg Wels

Mehr Info: www.kunststoff-cluster.at