Laserprojektion : Siemens-Lok setzt auf spezielle Laserprojektion

Siemens Vectron
© Siemens

Nicht nur für Eisenbahn-Fans ist die Produktionsstätte einer Lokomotive wie der Vectron von Siemens auf dem weitläufigen Werksgelände in München-Allach interessant. Denn ein Gang durch die Hallen zeigt schnell, dass hier viele Technologien zum Einsatz kommen, die man bereits aus der Automobilbranche kennt. Dazu gehören auch die beiden mobilen Laserprojektionssysteme Werklicht von Extend3D, die befestigt an Vorrichtungen bei einem Untergestell platziert sind. „Wir hatten bisher Schablonen eingesetzt. Im Zuge eines durchgängigen Optimierungsprozesses mit Blick auf Qualität, Zeit und Kosten haben wir mit Werklicht den nächsten Schritt gemacht“, berichtet Sahap-Tunc Sarpdag aus der Betriebsmittelkonstruktion von Siemens. „Außerdem stellt der Wegfall des Handlings der Schablonen für uns einen großen Vorteil dar. Die leichte Bedienbarkeit des Systems erlaubt unseren Werkern zudem problemlos damit zu arbeiten.“

Dokumentation per Foto

Werklicht vereinfacht, verschlankt und beschleunigt Arbeitsschritte über die gesamte Prozesskette – von der Datenvorbereitung bis zur Qualitätssicherung. Damit erhöht Werklicht die Profitabilität auch bei solchen Arbeiten, die bisher nicht automatisiert werden können. Und macht sich so für das Anwenderunternehmen gleich in mehrfacher Hinsicht schnell bezahlt. „Die Datenvorbereitung umfasst alle CAD-Formate und erfolgt in geringer Rüstzeit (< 10 Minuten), die Bedienung ist intuitiv. Die digitale Schablone reduziert nicht nur die Arbeitszeit um bis zu 80 Prozent, sondern ist auch flexibel bei Änderungen – Schablonen werden überflüssig“, erläutert Alexander Geißler aus dem Marketing von Extend3D. „Die Qualitätssicherung erfolgt visuell, automatisch und sicher, die Dokumentation ebenfalls automatisch und bei Bedarf auch per Foto.“

Transportabel und überall einsetzbar

Das Funktionsprinzip von Werklicht erlaubt zum Beispiel per Laser- oder Videoprojektion Arbeitspunkte oder Bereiche exakt zu markieren oder Hinweise zu Arbeitsschritten direkt auf dem Werkstück anzugeben. Trotz der Kombination komplexer Technik ermöglicht die intuitive Bedienoberfläche den Mitarbeitern die Nutzung schon nach kurzer Einarbeitungszeit. Werklicht ist zudem transportabel und innerhalb weniger Minuten einsatzbereit. „Die Einrichtung des Systems ist absolut simpel: Im ersten Schritt erfolgt der Import der CAD-Daten des Bauteils in die mitgelieferte Extend3D-Software. Dann werden die sogenannten Targets auf dem Bauteil platziert, um sich in das Bauteilkoordinatensystem einmessen zu können“, erklärt Nicolas Heuser, Geschäftsführer von Extend3D. „Falls Regelgeometrien zu RPS Ausrichtungen vorliegen, können diese ebenfalls übernommen und darauf referenziert werden – fertig.“

Siemens bevorzugte im Zuge des Auswahlprozesses von Anfang an Lasertechnologie. Auch deswegen, weil sich im Werk bereits ein statisches Lasersystem, mit dem Kabellängen visualisiert werden, gut bewährt hat. Also beobachteten die Münchner intensiv den Markt. Nachdem die Spezialisten aus Betriebsmittelkonstruktion und Arbeitsvorbereitung auf Werklicht aufmerksam wurden, erfolgte eine Produkt-Demo in Allach. Dabei hinterließ das Laserprojektionssystem einen sehr positiven Eindruck. Als dann auch noch eine extra für die Suche nach dem passenden System angefertigte Diplomarbeit zu dem Ergebnis kam, dass Werklicht das Anforderungsprofil am besten erfüllt, fiel die Entscheidung zur Anschaffung zügig. Lediglich die Software wurde noch optimiert, schließlich ist der Einsatz bei einem so großen Bauteil wie dem Untergestell etwas Spezielles. Diese Features sind mittlerweile übrigens auch in die Standard-Software eingeflossen.

Intelligentes Werklicht

Gerade die leichte Handhabung schätzt Bernd Göllnitz aus der Arbeitsvorbereitung von Siemens: „Der Werker schaltet zu Schichtbeginn Werklicht ein und positioniert das System dort, wo er anfangen will. Er weiß, welches Projekt aktuell zu bearbeiten ist.“ Dann bereitet der Werker die Einzelteile für diesen Bereich vor. „Er sieht eine Vertrauensprojektion sowie einen Screenshot vom zu setzenden Anschweißteil und kann loslegen. Anschließend folgt der nächste Bereich mit der Vertrauensprojektion, ist alles grün auf dem Monitor, kann er erneut starten …“. Bei der Vertrauensprojektion wird im Übrigen anhand einer Linie die richtige Positionierung abgeglichen. Stimmt sie nicht, wird das Werklicht mit der Fernbedienung neu ausgerichtet.

Frei von umständlichen Schablonen

Neben der leichten Bedienbarkeit beim Durcharbeiten der Liste der vorbereiteten Projektionen bietet Werklicht den Anwendern diverse weitere Vorteile. Nicht zuletzt mit Blick auf die nicht mehr benötigten Schablonen. Denn diese sind ziemlich groß und müssen auf das Untergestell gehoben und ausgerichtet werden. Auch die Lagerung der bis zu 2 x 1,5 Meter großen Schablonen inklusive Ein- und Aussortieren ist Vergangenheit. Selbiges trifft auf die Themen Wartung und regelmäßige Überprüfung zu. Insbesondere bei neuen Projekten bzw. neuen Kollegen spielte zudem die Erfahrung beim Umgang mit den Schablonen stets eine Rolle. Durch die Anzeige von Screenshots des Teils bei jeder Projektion vermittelt Werklicht gerade unerfahrenen Anwendern ‚optische Sicherheit‘ und unterstützt sie. Deswegen können sie mit dem Laserprojektionssystem sofort produktiv arbeiten – dies belegt auch ein Siemens-interner Test.

„Der wohl größte Nachteil der Schablonen betrifft jedoch den Änderungsprozess. Dieser fällt beispielsweise an, wenn ein Kunde ein anderes Feature wünscht und sich dadurch ein Anschweißteil ändert“, unterstreicht Sahap-Tunc Sarpdag. „Dann muss die Betriebsmittelkonstruktion eine neue Schablone konstruieren, die von einer Fremdfirma gelasert wird. Dies dauert jeweils zwei bis drei Wochen – in dieser Zeit läuft die Änderung aber schon in der Produktion.“ Mangels Schablone müssen die Werker dann händisch ‚anreißen‘, was immens viel Zeit und Geld kostet. Werklicht hingegen ermöglicht der Arbeitsvorbereitung, Änderungen innerhalb von ein bis zwei Stunden in die Produktion zu bringen.

Anschweißteile effizient prüfen

Zu schätzen wissen die Münchner ebenfalls die Kontrolle auf Vollständigkeit der Anschweißteile. Denn am Untergestell befinden sich aufgrund der zahlreichen Aggregate sowie der verlegten Kabel Dutzende Anschweißteile. Wenn man nur mit Zeichnungen und Schablonen arbeitet, kann schon mal ein Anschweißteil übersehen werden. Dank des Systems von Extend3D kann der Werker jedoch bei dem in verschiedenen Segmenten unterteilten Untergestell acht bis neun Anschweißteile setzen – quasi automatisiert per Fernbedienung. Dabei wird jedes Anschweißteil nacheinander projiziert. Wenn er fertig ist, kann er das Programm nochmals von vorne starten und mit der Fernbedienung jedes Anschweißteil einzeln erneut durchspielen, um die Vollständigkeit zu prüfen. Dies wird bei Siemens schon alleine deswegen als gutes Feature betrachtet, weil es Sicherheit gibt, dass jedes Untergestell inklusive aller Anschweißteile an die nächste Ausbaustufe weitergegeben wird.

Das Siemens-intern ‚LUPO‘ – Laser-Unterstütztes POsitionieren – genannte System hat sich in Allach seit 2013 absolut bewährt. Deswegen überrascht es nicht, dass Siemens noch weitere Einsatzmöglichkeiten für Werklicht am Standort sieht. Wenn sich das System von EXTEND3D bewährt – wovon die Spezialisten überzeugt sind -, dann wird Siemens weitere Werklicht-Systeme anschaffen und nach den bisher knapp 40 Schablonen noch diverse weitere durch die Laser-Technologie ersetzen. „Der Vorteil, den wir durch den Wegfall der Schablonen haben, wird sich signifikant weiter steigern“, ist Bernd Göllnitz überzeugt.