Praxistest : Siemens, ABB, Eaton: Factory testet Brandschutzschalter

Brandschutzschalter Test
© Thomas Topf

Wenn’s um die Sicherheit in der Elektrotechnik geht nimmt Gerald Lippitsch nimmt sich auch kein Blatt vor den Mund. Der Ausbilder beim Berufsausbildungszentrum (BAZ), einer Abteilung des BFI Wien leitet die Facharbeiter-Intensivausbildungen mit Lehrabschlussprüfungen in Elektro-Berufen. Auch spezifische Fachkurse sowie individuell abgestimmte technische Schulungen für Firmen werden seitens des BAZ angeboten. Somit verwundert es wenig, dass ihm so manche „Schmankerl“ der Elektrotechnik über den Labortisch laufen. Ist sein Interesse erst geweckt, führt das dazu, dass er „der Sache“ bzw. dem Problem mit wissenschaftlicher Gründlichkeit auf den Zahn fühlt. So geschehen auch im vorliegenden Fall.

Falsche Sicherheit?

Ein medialer Leckerbissen weckte Lippitschs Jagdinstinkt.|Ende Juni nahm sich der ORF in seiner Sendung „heute konkret“ des Themas Brandschutzschalter an. In einem sehr einfach gehaltenen Beitrag wurde über die Aufgaben und die spezifischen Vorteile von Brandschutzschaltern informiert. Vor allem in älteren Gebäuden, so eine der Kernaussagen in Richtung der technisch eher weniger versierten Zuschauer, würden Brandschutzschalter elektrisch gezündete Brände praktisch komplett verhindern. „Und das stimmt genau gar nicht“, so Lippitsch. „Nur weil ich in einem alten Gebäude mit einer ebenso alten Elektroinstallation einen Brandschutzschalter installiere, heißt das nicht, dass es zu keinen elektrisch gezündeten Bränden kommen kann. Die Leute werden hier in falscher Sicherheit gewogen“, kritisiert der Techniker. „Vor allem wenn Holz als Baumaterial verwendet wurde, könne es bei Auftreten von Fehlerlichtbögen schnell zu Bränden kommen. Im Grunde reicht es, wenn eine stromführende Leitung durch eine Schraube oder einen Nagel beschädigt wird, schon kann ein Lichtbogen auftreten. Ist das Holz dann auch noch verschmutzt, oder wird, wie etwa am Dachboden, durch Regen regelmäßig feucht, ist das Risiko umso größer.“ Das Problem betrifft jetzt nicht nur den privaten Wohnbau, sondern im Besonderen auch Unternehmen der holzverarbeitenden Industrie (Tischlereien usw.) oder etwa Lagerhallen.]

Bericht im ORF zum Thema Brandschutzschalter

Der unbekannte Brandschutzschalter

Die Zahlen sind erschreckend: Statistisch gesehen gehen rund ein Drittel aller elektrisch verursachten Brände auf das Konto von so genannten Fehlerlichtbögen. Hierzulande wird die Zahl auf rund 2.000 geschätzt, wobei die Dunkelziffer freilich höher liegt. Besonders gefährlich können die so genannten seriellen Fehlerlichtbögen sein. Diese können von den Fehlerstrom- (FI) und Leitungsschutzschaltern nämlich nicht erkannt werden und bereits durch kleine Mängel in der Elektroinstallation entstehen: etwa durch beschädigte Kabelisolierungen (Nagetierverbiss, Schrauben usw.), gequetschte Leitungen, abgeknickte Stecker oder lose Kontaktstellen. Die daraus entstehenden Fehlerlichtbögen können Leitungsisolierungen oder den Untergrund entzünden und so zu einem Kabel- oder eben Gebäudebrand führen. Diese Schutzlücke sollen die Brandschutzschalter – fachlich korrekt als „Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtung“ bezeichnet – schließen und verhindern, dass es durch diese Störstellen zu einem Brand kommt. Tritt in einem Stromkreislauf ein Lichtbogen auf, muss die Schutzeinrichtung also dafür sorgen, dass der Stromkreis abschaltet wird.

Gunst des stabilen Fehlerlichtbogens

So viel zur grauen Theorie – in der Praxis funktioniert das nicht ganz so einfach. Im Gegensatz zum klassischen Kurzschluss, bei dem hohe Fehlerströme fließen die von FI- und Leitungsschutzschalter problemlos erkannt werden können, ist ein Fehlerlichtbogen nicht so einfach festzustellen. Ein Stromkreis verhält sich nämlich auch mit einem seriellen Fehlerlichtbogen nicht viel anders, als ein intaktes System. Brandschutzschalter müssen daher schon mit Rechenpower und intelligenter Software aufwarten, um Fehler zu erkennen. Vereinfacht erklärt, beobachten Brandschutzschalter kontinuierlich den Strom und Spannungsverlauf sowie die hochfrequenten Schwingungen im Stromkreis, analysieren diese mithilfe der Software und lösen (wenn die Daten einem im Schalter gespeicherten Fehlerbild entsprechen) aus. Das Problem: Brandschutzschalter brauchen dazu in jedem Fall einen „stabilen Fehlerlichtbogen“.

Die Geigerin & AC/DC

Welche Aufgabe ein Brandschutzschalter zu bewältigen hat, beschreibt Rainer Brade, bei Siemens für Vertrieb, Technik & Marketing in diesem Bereich zuständig: „Stellen Sie sich ein AC/DC-Konzert vor bei dem vor der Bühne eine Geigerin spielt. Der Brandschutzschalter muss nun versuchen, die Töne dieser Geigerin herauszufiltern. Wie man sich vorstellen kann ist das keine triviale Aufgabe.“ Hinzu komme, dass das Stromnetz inzwischen sehr „sehr verschmutzt“ sei, wie Alexander Jellenigg, Produktmanager bei Eaton, ergänzt. Gemeint sind damit die so genannten Oberschwingungen, die eine Fehlerdetektion zusätzlich erschweren würden. Um beim vorigen Beispiel zu bleiben: damit wäre dann also die Musik von AC/DC gemeint. „Diese Oberschwingungen entstehen durch die immer zahlreicher werdenden Netzteile aber beispielsweise auch durch billige LED-Lampen“, erklärt Jellenigg. Natürlich wäre es möglich, Brandschutzschalter so zu konstruieren, dass sie auch bei kurzen Störlichtbögen auslösen, die Folge wäre allerdings, dass es dann auch zahlreiche Fehlauslösungen geben würde. Bei vielen elektrischen Geräten gehört ein Lichtbogen nämlich zum normalen Betriebszustand. „Der Kunde würde seinen Elektriker sehr schnell auffordern, den Schalter wieder zu entfernen. Das kann also nicht die Lösung sein“, so ABB-Produktmanager Thomas Reifetshammer. Für die Hersteller ist es also eine Art Gratwanderung zwischen Nutzen und Funktion.

Elektriker zu wenig informiert

„Brandschutzschalter sind ein extrem komplexes Produkt das ständig weiterentwickelt wird. Und wir stehen hier erst am Anfang der Fahnenstange“, bestätigt Lippitsch. Was ihm allerdings sauer aufstößt, ist, dass die Hersteller bei (Konsumenten-)Werbung und Marketing zu wenig darüber informieren würden, dass auch Brandschutzschalter keine absolute Sicherheit garantieren können. Auch würden Elektriker, also jene Professionisten, die die Geräte einbauen sollen, zu wenig über dieses Thema informiert. Dem letzten Kritikpunkt widersprechen die drei Brandschutzschalter-Experten jedoch entschieden. „Seit fünf Jahren laufen wir den Elektrikern nach, um ihnen das Thema näher zu bringen. Oft vergeblich“, erzählt Brade.

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Besser mit, also ohne

Und wie schaut’s nun mit den Brandschutzschaltern im Altbau aus, wie in der ORF-Sendung gezeigt? „Wir können nur raten, den Schalter einzubauen. Wenn nur die Hälfte der Fehlerlichtbögen erkannt wird, können wir damit rund 1.000 Brände vermeiden. Allerdings muss es einem schon klar sein, dass es leider nie einen hundertprozentigen Schutz geben wird“, so Jellenigg. In diesem Sinne seien die Aussagen im TV-Beitrag auch nicht ganz glücklich gewählt. Dem stimmt Lippitsch zu. „Besser man hat einen Brandschutzschalter, als man hat gar nichts. Dennoch muss es einem klar sein, dass es keine hundertprozentige Sicherheit geben kann und das sollte man dann aber auch so kommunizieren.“

Hier geht es zum Vergleich der drei getesteten Schaltern.