Fertigung und Instandhaltung : Serviceschlacht

Factory hörte sich bei Maschinenbauern um, wie sie auf die neue Konkurrenz im Reparatur-, Ersatzteil- und Instandhaltungsgeschäft reagieren. Gezeigt werden vier Fälle, mit völlig unterschiedlichen Strategiezügen in der Serviceschlacht des Maschinenbaus.
Von Verrätern umgeben.
In der Situation könnte sich Gerhard Öllinger, Kundendienstleiter bei Salvagnini, fühlen. Gleich vier ehemalige Mitarbeiter des italienischen Maschinenbauers haben sich mit kleinen Servicefirmen selbständig gemacht – spezialisiert auf Salvagnini-Gerät. Neben einem Holländer, einem Ami und einem Briten gibt es auch den Mühlviertler Betrieb WMS. In Gallneukirchen daheim, sei „der er einer jener Piraten, die uns ins Geschäft reinpfuschen wollen“, sagt Öllinger. Eine immense Bedrohung stelle der Kontrahent aber – trotz 24-Stunden-Telefonsupport – nicht dar. „Es ist ja nur ein Drei-Mann-Betrieb", winkt Öllinger ab. Fünf Prozent des Servicegeschäfts, schätzt unterdessen Walter, würde er dem Hersteller schon wegschnappen. Öllinger bestreitet das.
Trotzdem hat Salvagnini zuletzt Maßnahmen ergriffen, um die Umsätze, die im Service winken, in die richtigen Kanäle zu lenken. Vom reaktiven Service sondert sich der Maschinenbauer mehr und mehr ab. „Mehr Hilfe bei Umbauten, Revisionen, Übersiedelungen – da liegt die Zukunft“, glaubt Gerhard Öllinger. Und er will kleinere Dienstleister künftig noch stärker über Services, die eben nur der Hersteller anbieten kann, isolieren. Kunden sollen bald noch stärker auf „interne Salvagnini-Ressourcen– etwa Ersatzteilkataloge mit integrierter Bestellmöglichkeit – zugreifen. „Das stellen wir noch heuer um“, sagt Öllinger. Bernd Bienzeisler vom deutschen Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation findet die Strategie nicht schlecht. „Maschinenbauer müssen ein Sparringpartner sein“, sagt er. Auch Gold- oder Platinum-Mitgliedschaften für Treuekunden oder attraktive Serviceverlängerungen seien ein Weg. Und „Anstandsbesuche“ – in den USA ein gängiges Mittel zur Kundenbindung. Für Öllinger „gut denkbar“.
Weiter auf Seite 2: Anger Machining
Noch geht es nicht ums große Geld. Das gibt Klaus Dirnberger, Geschäftsführer des Trauner Transferzentrenherstellers Anger die nötige Ruhe. Das große Volumen der Maschinen, die der Hersteller in den Markt gebracht hat, „kommt erst Schritt für Schritt aus der Garantie“, sagt er. Ergo wird hier noch nicht großartig mit Serviceeinsätzen verdient. 2014 soll es aber schon anders aussehen. Dirnberger hofft auf einen spürbaren Anstieg des Servicegeschäfts – sein langfristiges Ziel: 15 Prozent Umsatzanteil. Angst, dass ihm kleine Servicefirmen dabei in die Suppe spucken, hat Dirnberger nicht. Zumindest bei den exklusiven Transerzentren kann er ruhig schlafen.
Wer eine Million Euro oder mehr in eine Maschine investiert, geht bei der Instandhaltung „keine Experimente ein“, so Dirnberger. Es komme auf „kürzeste Reaktionszeiten“ an, so Dirnberger. Auch deshalb stockte der Betrieb zuletzt auf 17 Serviceleute auf. Und Dirnberger will nachlegen. Denn im zweiten Anger-Segment – den Standardmaschinen – ist die Gefahr größer, dass den Traunern ein paar Felle davonschwimmen. Die neue ‚„Lean Maschine“ – ab der Maschinenbaumesse EMO Fixpunkt im Programm der Oberösterreicher – ist als Modell für die Klein- und Mittelserie viel einfacher zu warten als die komplexeren Zentren. Kleine Servicedienstleister würden daran wohl nicht scheitern. Bei Umbauten älterer Maschinen unter 300.000 Euro angelten sich schon jetzt vereinzelt kleine Servicefirmen die Aufträge.
Man suche „keine Absicherungsinstrumente“, betont Co-Geschäftsführer Diemar Bahn zwar. Doch die Trauner beugen zweifelsohne vor. Für den den Ausbau des internationalen Geschäfts wird gerade ein Leiter des Bereichs After Sales Service gesucht. Auch in Deutschland, den USA und China stocken die Trauner auf. „Jetzt Spezialisten anzuwerben, ist sicher nicht falsch“, urteilt Fraunhofer-Experte Bernd Bienzeisler.
Weiter auf Seite 3: Trumpf Maschinen Austria
„Kleine Servicefirmen zerreißen sich für den Kunden“. Das beobachtet Günther Schafellner, Kundendienstleiter beim Biegemaschinenhersteller Trumpf Maschinen Austria. Auch die Paschinger haben so ihre Erfahrungen gemacht mit Marktbegleitern, die ein Stück vom Kuchen wollen: „Diese Burschen kennen ihre Hintertürln“. Doch mit seinem Servicekonzept („TruServices“) sieht sich der Maschinenbauer gewappnet. Zig verschiedene Dienstleistungspakete sind geschnürt. Und Servicetechniker sind schon bisher angehalten, beim Kunden „Auffälligkeiten“ anzusprechen – sprich, das After Sales-Geschäft anzukurbeln. Ab heuer gehen die Paschinger aber noch einen Schritt weiter.
Ein langjähriger Trumpf-Servicetechniker wird gerade als After Sales-Profi aufgebaut. Ein beruflicher Seitenwechsel, der „konzernweit verfolgt wird“, bestätigt die zuständige After Sales-Leiterin in Pasching, Karin Wesely. Der erfahrene Mann – bisher als Servicekraft in ganz Österreich im Außendiensteinsatz unterwegs – soll seinen guten Draht zur Industrie nutzen. Bernd Bienzeisler vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation findet die Maßnahme hervorragend – weil mit offenen Karten gespielt wird. „Serviceleute, die Wartungspakete an den Mann bringen müssen, haben immer ein gewisses Glaubwürdigkeitsproblem“.
Weiter auf Seite 4: Deckel Maho
Einen erfahrenen Mann. Und einen mit Insiderwissen. Den warb die Egin-Heinisch GmbH dem Gildemeister-Konzern ab. Eine Meisterleistung, denn mit Andreas Opel konnte der kleine Servicebetrieb seine Wahl nicht besser treffen. Opel arbeitete jahrelang bei DMG in Österreich im Service. Heute ist er bei Heinisch Kundendienstleiter – und für den deutschen Maschinenbauriesen wohl so etwas wie ein Troublemaker. „Flexibler und bis zu 60 Prozent günstiger“ – so beschreibt der kleine Anbieter seine Dienstleistung auf der Firmenwebsite offensiv. Bei DMG / Mori Seiki lautet die Botschaft dagegen fast warnend: „Gehen Sie keine Experimente ein! An das Herz Ihrer Maschine gehören Experten“.
Doch zum Drachentöter wird der kleine Dienstleistungsbetrieb trotz steigender Serviceumsätze deshalb wohl nicht. Die von Deckel Maho Pfronten angestrengten rechtliche Schritte könnten für Egin-Heinisch ein unangenehmes Nachspiel haben. Schon bisher kamen 30.000 Euro Anwaltskosten auf die Firma zu. Und im Urteil ist auch festgesetzt, dass Egin-Heinisch dem Kläger „Auskunft über den Umfang einzelner Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger“ zu erteilen hat. Starker Tobak für Egin-Heinisch – er ging in Berufung.