Predictive Maintenance : Service für das Service
Das Tal der Gartner-Kurve ist längst durchschritten: Predictive Maintenance reiht sich ganz offensichtlich nicht in die zahlreichen Hypes ein, die nach anfänglicher Euphorie sang- und klanglos wieder verschwinden. Das Thema ist gekommen, um zu bleiben.
Die Vorteile der vorhersehenden Wartung werden dabei fast immer aus der Sicht der Maschinen-Anwender definiert. Wer den aktuellen Zustand seiner Maschinen oder Anlagen kennt, erspart sich so manchen Besuch der Servicemannschaft, kann Wartungsintervalle optimieren, erhält nebenbei wertvolle Daten zur Leistungsverbesserung – und verhindert den schlimmsten, den teuersten Fall: den ungeplanten Stillstand.
Und wenngleich sich das grundlegende Erkennen des enormen Potenzials von Predictive Maintenance noch nicht in flächendeckendem Einsatz spiegelt: Mittlerweile existieren doch zahlreiche Best Practices, die – vor allem auch in Verschränkung mit Industrie 4.0 – überzeugende Resultate liefern.
Aber ist das auch eine gute Nachricht für die Maschinenbauer?
Massive Veränderungen stehen bevor.
Dass Predictive Maintenance bei den Service-Geschäftsmodellen des Maschinenbaus zu massiven Veränderungen führen wird, scheint klar. Vor allem, da die Entwicklung neue Player auf den Markt ruft. Zu diesem Ergebnis kam bereits im Jahr 2017 eine umfangreiche Studie von Roland Berger und dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA.
„Sensorik, Vernetzung und Rechenpower könnten zunehmend mit dem Erfahrungswissen der Servicespezialisten in Konkurrenz treten“, schreiben die Studienautoren, „ein Einstieg neuer Wettbewerber aus der ‚digitalen Welt‘ in das Servicegeschäft der Fertigungsindustrie wird damit wahrscheinlicher.“
Darauf eine Antwort zu finden, ist nicht nur für die einzelnen Unternehmen von größter Bedeutung. Angesichts des enormen Anteils der Branche an der gesamten Industrie in Ländern wie Deutschland oder Österreich ist es letztlich eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts.
Maschinenbauer müssen selbst Treiber der Entwicklung sein.
Für die Maschinenbauer wird es also darum gehen, in der Entwicklung der Predictive Maintenance das Heft in die Hand zu nehmen, das Thema selbst voranzutreiben. Eine Anforderung, die mehrere Aspekte adressiert.
Es geht, erstens, darum, die Serviceorientierung auf ein neues Level zu heben, das sich meilenweit von Platituden im Leitbild entfernen muss. Die Kooperation mit dem Kunden muss eng und vertrauensvoll sein, und das Wissen um sein Geschäftsmodell ist conditio sine qua non.
Hinzu kommt, zweitens, die Notwendigkeit maximaler Flexibilisierung des Service. Predictive Maintenance verträgt sich nicht mit dem klassischen Service-Vertrag, der die Techniker in regelmäßigem Turnus – oder im Notfall als Feuerwehr – zum Kunden entsendet.
Im Zentrum aber steht, drittens, natürlich die Frage des Digitalisierungs-Levels. Die „digitale Lücke in After-Sales und Kundenservice“, die Alexander Manafi, CEO und Co-Founder von ToolSense, bei vielen Unternehmen immer noch ortet, wird angesichts Predictive Maintenance zu einer echten Gefahr für Maschinenbauer. Wer die technischen Voraussetzungen für das Thema nicht selbst anbietet, wird diesen Service-Aspekt zunehmend Dritten überlassen müssen.
Die Sorge vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen, durch diese Entwicklung vollends abgehängt zu werden, ist nachvollziehbar, aber ungerechtfertigt. Das Wiener Unternehmen ToolSense ist angetreten, ebendiese Lücke schließen zu helfen. „ToolSense IoT“ ist eine Hardware, mit der Maschinen so einfach und günstig wie möglich digitalisiert werden können. Und zwar prinzipiell jede Maschine. ToolSense IoT ist ein standardisiertes Modul, das mithilfe der integrierten Sensorik kritische Maschinendaten erfasst und die gewonnenen Daten weltweit über Mobilfunk versendet.
Hinzu kommt ein Aspekt, der im Zusammenhang mit Predictive Maintenance entscheidend sein kann: Das Modul erledigt auch gleich die Datenverarbeitung. Da die riesigen Datenmengen über die gängigen Cloud-Lösungen kaum mehr zu bewältigen sind, hat ToolSense eine Technologie entwickelt, die auf der Basis von Machine Learning sämtliche generierten Informationen direkt im Modul verarbeitet. Der Ansatz ermöglicht die permanente Optimierung der Funktion von ToolSense IoT.
Die Kunden profitieren stark. Die Hersteller können das auch.
Doch was haben die Maschinenbauer davon? Man kann es negativ formulieren: Wer sich nicht auf Predictive Maintenance vorbereitet, wird früher oder später ganz einfach Probleme bekommen. Man kann es aber natürlich auch positiv formulieren.
- Neue Geschäftsmodelle. Auf der Basis eingehender Kenntnis der Kundenanforderungen sowie des eigenen Produkts öffnet Predictive Maintenance das Tor zu völlig neuen, flexiblen Servicemodellen. Beide Aspekte können Drittanbieter nur schwerlich besser Abdecken als die Unternehmen selbst. Die Frage, ob Predictive Maintenance bei den Maschinenbauern eher zu Wachstum im Servicegeschäft oder zu Kannibalisierung führen wird, beantworten in der Roland-Berger-Studie 80 Prozent mit ersterem. Man kann wohl davon ausgehen, dass dieser Wert heute noch höher ausfiele.
- Wertvolle Informationen. Predictive Maintenance ist keine Einbahnstraße – die beim Hersteller eingehenden Maschinendaten sind nicht nur geeignet, das Servicelevel zu verbessern, sondern können auch wesentliche Impulse für die Produktentwicklung liefern. Der Hersteller erhält wertvolle Einblicke in das Nutzungsverhalten und kann diese permanent in seine Entwicklungsprozesse einfließen lassen.
- Neue Formen der Zusammenarbeit. Predictive Maintenance lässt Hersteller und Kunden auf mehreren Ebenen näher zusammenrücken. Aber nicht nur sie. Die Roland-Berger-Studie spricht von einem Netzwerkansatz: „größere Offenheit und aktiver Aufbau von Partnerschaften zur Ergänzung der für ein erfolgreiches Predictive-Maintenance-Geschäftsmodell erforderlichen Fähigkeiten, Technologien und Infrastrukturen – gegebenenfalls sogar gemeinsam mit dem Wettbewerb“.
Predictive Maintenance gehört aktuell definitiv zur Königsklasse der Digitalisierung. Maschinenbauer, die sich letzterer verschließen oder nur zögerlich nähern, werden mit ersterer Tatsächlich keine Freude erleben. Unternehmen aber, die diese Herausforderung annehmen – und dem Thema erlauben, Teil eines ganzheitlichen Servicegedankens zu werden –, können auf diesem Wege Servicelevel und Umsatz gleichermaßen heben.