Instandhaltungskonferenz 2018 : Senseforce: Wie Hans Künz seine Krananlagen hochverfügbar macht
Das alte produktorientierte Geschäft hat ausgedient. Maschinenbaupioniere haben längst erkannt, dass ihre Zukunft im Service, genauer gesagt in sogenannten Betreibermodellen steckt. Wie bei einem Mietauto zahlt der Kunde weniger für die Maschine selbst, als vielmehr für ihre Nutzung. Wird also „Machine-as-Service“ zum „Game-Changer“, dann ist Hochverfügbarkeit ihr Gradmesser. Nicht nur für David Moosbrugger werden damit Garantiepakete zum entscheidenden Kaufkriterium. Der technische Leiter (CTO) des Vorarlberger Krananlagenbauers Künz will mehr Planbarkeit in seine Maschinen bringen. Etwas das nur demjenigen gelingt, der das Verhalten seiner Maschinen kennt – „und dieses Wissen auch von überall jederzeit anzapfen kann“, so der CTO. Die Idee des Start-ups Senseforce war geboren. Gemeinsam mit Schelling Anlagenbau entwickelten die Vorarlberger eine technische Lösung, die die Datenlücke zwischen Maschinenbauer und Maschinenbetreiber dauerhaft schließt. Ein transparentes Monitoring, das laufend aktuelle Daten liefert, um künftig nicht nur die Maschine, sondern deren Verfügbarkeit zu verkaufen.
24/7- Maschinenwächter
Im Frühjahr 2016 nahm Senseforce unter der Schirmherrschaft der beiden Anlagenbauer Künz und Schelling mit Unterstützung des Si Speedstartstudios seinen Anlauf. Die ansonsten lokal vor Ort gespeicherten Maschinendaten wollen die Vorarlberger für verschiedenste Abteilungen innerhalb der Organisation dauerhaft verfügbar machen. Ein feiner Unterschied, der für Senseforce-Geschäftsführer Bernhard Brandl entscheidend ist. „Nur so hat man die Basis, die es braucht um überhaupt die Vision eines Betreibermodelles in Angriff zu nehmen.“ Immer wieder kämen Maschinenbauer mit dem Argument diese Daten doch schon zu besitzen. „Ja, aber nur lokal und wenn aktiv auf die Maschine zugegriffen wird“, erklärt Brandl. Senseforce funktioniert da anders. Die Lösung erfasst Daten aus Steuerung, Sensoren und umliegenden Systemen, komprimiert und reichert diese mit relevanten Zusatzinformationen an. Schickt diese dann verschlüsselt an eine hoch-performante Cloud-Datenbank. Aus diesem Datenpool können dann Daten flexibel in beliebiger Art zusammengestellt werden. Die Auswertung erfolgt in Echtzeit. Jede Abfrage kann beantwortet werden, egal aus welcher Abteilung diese kommt. Ein Datenpool, dauerhaft und für jeden verfügbar, bildet so die Wiege verbesserter Anlagen und neuer Geschäftsmodelle. „Der Hersteller kann so seine Maschine auch nach dem Verkauf unter Kontrolle behalten“, so Brandl. Eine große Chance sich ein Geschäft zurückzuholen auf das Maschinenbauer bis dato wenig Einfluss hatten: Den Service.
Ersatzteile on demand
Bei Künz wirkt sich das bereits auf das Geschäft mit Ersatzteilen aus. Immer wieder kämpfte der Krananlagenbauer mit der Datenlücke zum Kunden. Dieser ließ kleine Defekte schnell beim Schlossereibetrieb nebenan reparieren. „Abnützungen die wir oft gar nicht mitbekommen haben“, so Moosbrugger. „Mit den Daten von Senseforce konnten wir diese Lücke schließen.“ Heute können die Konstrukteure solchen Defekten schon in der Planungsphase entgegenwirken. Kleiner Benefit am Rande: Indem Künz mittlerweile Ersatzteile vor deren Ausfall „on demand“ liefern kann, reduzieren die Vorarlberger auch die Lagerkosten und das gebundene Kapital beim Kunden.
Lebensdauer von Bauteilen verlängern
Das Potenzial einer dauerhaften Datenaufbereitung, zeigt auch das Beispiel einer Mittelspannungsleitung. „Diese Leitung dient der Stromzufuhr und lässt den Kran vor und zurück fahren“, erklärt Moosbrugger. Dabei sind sowohl der Kran als auch die Motorleitungstrommel frequenzgesteuert. „Diese Werte müssen perfekt zusammenpassen, sonst gibt es Probleme.“ Senseforce machte diese Daten parallel in Echtzeit verfügbar und die Vorarlberger erkannten zum ersten Mal, dass ihre Einstellungen nicht so parametriert waren, wie sie das gerne gehabt hätten. Das Resultat: Heute ist die Lebensdauer dieser Mittelspannungsleitung um 30 Prozent erhöht.
Neue Geschäftsmodelle in Aussicht
Von Rotterdam über Hamburg bis nach Wien: Von fünf Krananlagen sammelt Senseforce heute schon Daten und macht diese für Künz dauerhaft verfügbar. Bis Ende März sollen noch 20 weitere folgen. Mit Ende 2018 will Moosbrugger dann schon 70 Anlagen im Senseforce-System haben. Im Visier haben die Vorarlberger vor allem jene Kunden, wo es bereits Life-Cycle-Kosten-Verträge gibt und daher über Betriebsstunden abgerechnet wird. „Oder jene, die sehr viel Umschlag haben, wie z.B. Häfen“, so Moosbrugger. Dass die Kunden auf diesen Datenaustausch sensibel reagieren würden, kann man bei Künz bestätigen: „Solange wir dem Kunden einen Mehrwert bieten, ist er auch bereit die Daten zur Verfügung zu stellen und mit der Senseforce-Lösung können wir diese Mehrwerte einfach generieren “, so der CTO.
Für Arbeitsleistung bezahlen
Für Brandl geht die Richtung ganz klar weg von ad-hoc Instandhaltung hin zu proaktivem Service. „Für den Endkunden ist immer die Verfügbarkeit einer Anlage das ausschlaggebende Kaufkriterium“, so der Senseforce-Geschäftsführer. Und Hochverfügbarkeit gelingt nur jenem, der dauerhaft die richtigen Daten am richtigen Ort hat. Zumindest bei Künz wird mit Senseforce der Traum einer „Pay-per-Use“-Krananlage bereits sehr fein gesponnen. Die Vision eines Krans mit Full-Service-Paket soll es in einer abgeschwächten Form sogar schon Ende 2018 geben. Geht es um Details bleibt Moosbrugger diskret, nur soviel verrät er: „Für ein Beiprodukt entwickeln wir gerade ein neues Berechnungsmodell, wo nur mehr für die Arbeitsleistung der Maschine bezahlt wird.“ Ein Modell, das nur mit dauerhaftem Datenfutter gelingen kann.