Schweißen : Schweißhelm-Test: Hitzeschlacht
Werner Karner macht keine halben Sachen. Er ist ein Mann mit über 30 Jahren Schweißerfahrung – Autogenschweißen konnte er schon vor Start seiner Spenglerlehre. Ein Glücksfall also, dass sich der Leiter des Fügezentrums Versuchsbau bei Magna Steyr Fahrzeugtechnik im Mai dazu bereit erklärte, fürs Factory die aktuellsten Schweißhelme von acht Herstellern zu testen.
Seine einzige Bedingung: Wenn getestet werden soll, „dann ordentlich“. Also wurden per Post insgesamt 17 Helme aus drei Preis- und Leistungskategorien ins Grazer Werk verschickt. Nach und nach trudelten die Pakete mit den (originalverpackten) Testexemplaren ein. „Schon wieder ein Helm“, kam Karners Mannschaft kaum mit dem Auspacken nach. Dann legten die Schweißprofis los. In einem Testmarathon unterzogen Karner und zwei seiner engsten Mitarbeiter alle Schweißmasken einem umfassenden Check: Welche Helme bieten das beste Preis-Leistungs-Verhältnis? Welche Stärken und Schwächen sind im Betrieb besonders augenfällig? Und haben „Billighelme“ eine reelle Chance, in der Topliga der Helme mitzuspielen?
Getestet wurden ausschließlich Automatikhelme: Sie dunkeln beim Zünden des Lichtbogens automatisch ab. Wie schnell und gut, war ein Testkriterium. Für nicht weniger als fünf (!) Schweißverfahren nahm sich Karners Team im Grazer Prüflabor Zeit. Objektiv bis in die Haarspitzen, resümiert er durchweg positiv: Kein einziger Helm sei ein „Totalausfall“. Zwischen manchen „liegen aber Welten“, sagt er. (Alle Einzelergebnisse finden Sie hier.)
70-Meter-Handschweißnaht am SLS
Wer das Grazer Werk besucht, kommt aus dem Staunen nicht heraus: Hier wird die Karosserie des Flügeltüren-Sportwagens Mercedes-Benz SLS AMG gebaut. Der Rohbau aus Aluminium ist nur 241 Kilo schwer. Magna-Steyr Mann Werner Karner hat eine besondere Beziehung zum Fahrzeug. Er hat den allerersten Prototypen zusammengeschweißt. Und er bildete fürs SLS-Projekt über einhundert Aluminiumschweißer aus. Beim Schweißen der 70-Meter-Handschweißnaht dürfen sie zeigen, was sie bei Karner gelernt haben.
Das CMT (Cold Metal Transfer)-Schweißverfahren für Aluminium, das Magna Steyr mit Fronius entwickelte, war beim Helmtest deshalb eine Disziplin. Eine andere: Das Metallaktivschweißen (MAG) – auch Schutzgasschweißen genannt. Ein Standardverfahren für Stahl, das wir bei „vielen Karosserieteilen anwenden“, so Karner. In starken Jahren arbeiten 500 geprüfte Schutzgasschweißer im Werk.
Um herauszufinden, ob die Helme selbst bei starker Rauchentwicklung ihr Können zeigen, entschied sich Karner fürs Schweißen vollverzinkter Bleche. „Da raucht es schön“, sagt er. Auch getestet wurde mit dem Wolfram-Inertgasschweißen (WIG). Ein typischer Instandhaltungsprozess, „etwa für Werkzeugreparaturen“, so Karner. Ebenso im Einsatz bei den Grazern: das Elektrodenschweißverfahren. Karners erstes Fazit: Für normale MAG-Standardprozesse seien die Helme „allesamt geeignet“. Die Ausgangsposition war stets die selbe: „Wir schweißten eine Kehlnaht (Position PB) nach der anderen“, so Karner.
Die Topliga: Helme mit Frischlufteinheit
An den vier getesteten Tophelmen inklusive Frischlufteinheit – Helme um die tausend Euro – hat Karner kaum etwas auszusetzen. Die Punkteabstände hier sind denkbar knapp (siehe Tabelle). In allen fünf Schweißdisziplinen vergibt das Schweißertrio von Magna Steyr Höchstnoten. „Sie verdunkeln alle optimal“, sagt Karner. Und die Sicht – Karner nennt sie Klarsicht – bleibt für den Schweißer optimal. Die Sichtfenster überzeugen durch die Bank – nur jenes des Aristo Tech des Schweizer Herstellers Esab ist Karner „eine Spur zu klein“. Bestwerte auch bei der Haptik: „Die Helme finde ich alle schön.“ Wieso der 3M-Helm (Speed Glass 9100 FX Adflo) letztlich knapp, aber doch das Rennen macht? „Das Schlauchsystem ist hervorragend, es zieht kein bisschen beim Bewegen des Schweißers“, sagt Werner Karner.
Zur Veranschaulichung führt er seine Besucher zur Karosserie des SLS. Da sieht man sofort: Die Schweißwinkel sind enorm, die Schweißer müssen ständig in Bewegung sein. Deshalb gibt es für die Helme von Fronius und EWM in der Kategorie „Tragekomfort des Belüftungssystems“ vom Magna-Steyr-Testteam Punkteabzüge. „Der Schlauch behindert beim Schweißen“, meint Magna-Steyr-Tester Helmut Treven. Ein Punkt, den er Herstellern bereits kommuniziert hat.
Das Esab-Modell (Rang 2) sei laut Karner „ein sehr dichter Helm“. Weil er „ganz geschlossen ist“, sei er bei stundenlangem Schweißen ohne Unterbrechung – etwa im Schiffsbau – „sicher optimal“, meint Karner. Im – deutlich abwechslungsreicheren – Prototypenbau ist er weniger gut aufgehoben. „Wir schweißen ein paar Nähte, dann wird genietet oder verschraubt“, erklärt Karner. Ein nicht unwesentlicher Punkt: Wo genau im Helm die Luft eingeblasen wird. Zugluft auf der Stirn ist nicht angenehm – sie kann sogar „zu Stirnhöhleneiterungen führen“, heißt es bei Magna Steyr. Beim 3M-Helm ist die Ausführung wunderbar geglückt. Einziges Manko: „Es zieht ein wenig im Mundbereich“, so Karner.
Helme über 300 Euro: Top-Allrounder
Viele sehr gute und gute Einzelwertungen gibt es auch in der Kategorie der Helme über 300 Euro (Listenpreis exklusive Mehrwertsteuer). Selbst mit den Stroboskopeffekten beim CMT-Schweißen – also kurzen, fürs Auge äußerst unangenehmen Lichtblitzen – kommen die Helme gut zurecht. Die Modelle von EWM (Powershield II) und Fronius (Vizor 3000 Professional) – beide vom Lizenzpartner Optrel gebaut – gehen in der Kategorie gemeinsam durchs Ziel. Die Sicht auf die Schweißnaht findet Magna Steyr-Tester Werner Karner bei beiden Modellen großartig. Bei früheren Modellen war das Sichtfenster grün. „Der neue Braunton ist viel angenehmer“, erzählt er.
Eine wirkliche Enttäuschung gibt es in der Preisklasse nicht. Auch 3M (3. Platz) und Kemppi (4.) können überzeugen. Schutzstufen und Sensibilität sind im Speedglas 9100 von 3M im Inneren des Helms mit kleinen (beleuchteten) Knöpfen regelbar. „Perfekt“, urteilt Tester Werner Karner. Beim Beta 90 X von Kemppi hat ihn die gute Klarsicht beim Schweißen beeindruckt. Weniger gut gefallen hat ihm die Scheibe des Helms: Muss man sie tauschen, geht sie schwer heraus. Eine Einladung an alle Schweißer, gewaltsam „einen Schraubenzieher zu Hilfe zu nehmen“, weiß Karner.
Helme unter 300 Euro: Licht und Schatten
Getestet haben die Steirer auch Helme unter 300 Euro mit fester Schutzstufe. Gegen Helme von Fronius oder 3M hatte es der deutlich günstigere Euromatik 3/11 von Elmag in Werner Karners Prüflabor schwer, zu bestehen. Den Schweißprofis fehlen auch wichtige Verstellmöglichkeiten. In der Kategorie mit variabler Schutzstufe (unter 300 Euro) fährt Elmags ultiSafeVario L aber einen Überraschungssieg ein: Das Helmband „ist alles andere als optimal“, so Magna-Steyr-Tester Günter Tschrischnig. Aber von den günstigeren Modellen „ist dieser Helm am überzeugendsten“, sagt er. Die Haptik des Helms liegt auch Werner Karner – „kein Totenkopf und keine Flammenbemalung drauf“, outet sich der Experte nicht als Fan auffälliger Airbrush-Designs.
Ein allgemeines Fazit: Speziell beim Elektrodenschweißen würden „einige Helme zu hell“, so Karner. Abgeschlagen liegen der Varioblitz Magic (ebenfalls Elmag) und der JAS Weldmaster pro X-treme.
Mehr als zufriedenstellende Ergebnisse sind in Graz für letzteren nicht drin. Karner fallen sofort die kleinen Knöpfe auf – „wie will die ein Schweißer mit Handschuhen bedienen?“, fragt er rhetorisch. Und: Dreht man am einen Rad, „dreht sich das andere in einer gewissen Stellung mit“, bemerkt er. Beim Schweißen habe er das Gefühl, man bekomme in dem Helm „nicht richtig Luft“. Kein Gefühl, auf das ein Mann mit 30 Jahren Schweißerfahrung steht. Muss er auch nicht: Der Helm rutschte in unseren Test - er wird laut Hersteller seit 2010 nicht mehr produziert.
Der große INDUSTRIEMAGAZIN-Schweißhelmtest
Wir ließen 17 (originalverpackt angelieferte) Helme in insgesamt vier Kategorien im Fügezentrum von Magna Steyr Fahrzeugtechnik testen.
- Die Helmkategorien:
Getestet wurden Helme mit fester Schutzstufe, Helme unter 250 Euro mit variabler Schutzstufe, Helme über 250 Euro mit variabler Schutzstufe sowie Tophelme mit Frischlufteinheit.
- Fünf Schweißverfahren:
Zu schweißen war stets eine Kehlnaht in Position PB mit folgenden fünf Verfahren:
• 141 (WIG) Stahl FW/PB (Kehlnaht, Schweißposition: 45° Grad), Stahlbleche blank
• 141 (CMT) Aluminium FW/PB*
• 131 (MIG/CMT) Aluminium FW/PB*
• 135 (MAG) FW/PB Stahlblech blank und verzinkt
• 111 (Elektroden-Schweißen EV 50) Stahlblech blank
- Die Testkategorien:
Getestet wurde in den Kategorien Bedienbarkeit (Wie gut/präzise lässt sich der Helm regeln?), Tausch von Verschleißteilen (Wie schnell lassen sich Scheiben etc. tauschen?), Haptik (subjektive Einschätzung der Tester), Kopfband (Qualität) und Klarsicht beim Schweißen (gesamte Sichtqualität, sobald der Lichtbogen zündet).
- Die Bewertung:
Die erreichte Gesamtpunkteanzahl ergibt sich aus der Summe der Einzelwertungen. Bewertet wurde nach dem umgekehrten Schulnotensystem (Sehr gut: 4 Punkte, Gut: 3 Punkte, Befriedigend: 2 Punkte, Mangelhaft: 1 Punkt, keine Wertung möglich: 0 Punkte).
* Ergebnisse auf Basis DIN-Stufe 13 (Stahl: DIN-Stufe 11; Ausnahme Speedglas 100: DIN 10)