In Kooperation mit KSV1870 : Raus aus der Komfortzone: Österreichs Wirtschaft braucht mehr digitalen Mut

Vybiral Ricardo KSV
© Guenther Peroutka

Sie werden auf einem internationalen Kongress zu den Stärken des heimischen Wirtschaftsstandortes befragt. Was antworten Sie?

Ricardo-José Vybiral: Österreich bietet Sicherheit und Stabilität auf vielen Ebenen und das ist für einen Wirtschaftsstandort ein entscheidendes Asset. Sozialer Friede, ein hohes Maß an Rechtssicherheit und ein funktionierendes Kreditvergabesystem sind die Stützen der hierzulande verhältnismäßig krisenresistenten Wirtschaft. In den vergangenen Jahren profitierte das Land von einer guten Konjunktur – hatte diese nach der Lehman-Pleite aber auch bitter nötig. Damit einher ging auch ein neuer Spirit – denn heute ist es wieder cool, Unternehmer zu sein. 89 Prozent der Betriebe weisen hierzulande ein geringes Ausfallrisiko auf und gelten als sichere Geschäftspartner. Im EU-Ranking schafft es die Alpenrepublik unter die Top drei der besten Zahler. Bleibt noch die zentrale Lage Österreichs – das ist unverändert ein Plus.

Trotzdem stellt sich die Frage, ob Österreichs Betriebe an den richtigen Schrauben drehen, um sich nachhaltig fit für die Zukunft zu machen.

Vybiral: Die Firmen sind häufig nur bedingt dynamisch – das ist nicht gut. Die Ergebnisse unserer Austrian Business Check-Umfrage bereiten mir da ehrlich gesagt Kopfschmerzen. Fast 80 % der Unternehmen setzen in erster Linie auf eine hohe Kundenzufriedenheit. Aber das Verständnis, was guter Service ist, wird sich im Angesicht der Digitalisierung stark verändern. Insgesamt fehlt häufig der Mut, moderne Wege zu beschreiten und sich zukunftsorientierten Geschäftsfeldern zu widmen. Immerhin sehen die Unternehmen selbst die Digitalisierung mittlerweile als größte Schwäche an. Das ist auch notwendig. Es ist höchste Eisenbahn, aus der digitalen Lethargie zu erwachen und Taten folgen zu lassen.

Heißt: Die Digitalisierung kommt nicht so recht ins Laufen, oder?

Vybiral: Die Betriebe sind zu zögerlich und laufen Gefahr, den digitalen Change zu verschleppen. Für die Wettbewerbsfähigkeit wäre das fatal. Zwei Drittel der Firmen haben nach wie vor keine digitale Agenda, obwohl drei von vier Unternehmen, die offensiv auf Digitalisierung setzen, positive Auswirkungen auf ihre Finanzen erkennen.

Sind die Unternehmen überhaupt bereit, Geld in die Hand zu nehmen?

Vybiral: Ja, denn 43 % der Betriebe wollen ihre Investments gegenüber 2018 erhöhen. Der Wermutstropfen: Sie investieren lieber in Bestehendes, um weiter zu optimieren – weniger in Themen wie Innovation, Forschung und Entwicklung. Das ist traurig, auch weil F&E sehr wohl als entscheidender Faktor gesehen wird, wenn es darum geht, den Wirtschaftsstandort Österreich im internationalen Vergleich attraktiver zu gestalten. Hier herrscht ein massiver Widerspruch.

Wie sollte der Wirtschaftsstandort Österreich im Jahr 2030 optimalerweise aussehen?

Vybiral: Österreich hat sich als internationale Drehscheibe für Zukunftsthemen und als Wissensstandort positioniert. Das Land und die Betriebe setzen auf Innovation, Forschung & Entwicklung, die Digitalisierung wurde vorangetrieben und internationale Investoren angelockt. Die Bürokratie wurde spürbar rückgebaut, die Regulierungswut eingedämmt und der Faktor Arbeit steuerlich entlastet. Man darf ja noch träumen.

Mehr zum Austrian Business Check unter https://www.ksv.at/medien-initiativen/austrian-business-check