Wearable : ProGlove: Schneller Kommissionieren mit der dritten Hand

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Die Idee für ProGlove entstand Mitte 2014 und schon Ende des gleichen Jahres kam bei den Erfindern das große Geld ins Haus. Nämlich beachtliche 100.000 US-Dollar Preisgeld, gewonnen beim internationalen Intel Wettbewerb in Barcelona, wo innovative Produkte präsentiert werden und Start-ups wie ProGlove mit potenten Investoren zusammenkommen. Bei diesem Wettbewerb rückten die Erfinder des intelligenten Handschuhs ins Rampenlicht und heimsten den Innovationspreis in der Kategorie Industrie 4.0 ein. Mastermind hinter dem high-techigen Handschuh: Paul Günther, ein Doktorand, der bei BMW als Werksführer tätig war und der die Arbeitsabläufe von Arbeitern akribisch beobachtete.

Alles automatisch dokumentieren

Mit so viel Geld in der Kasse waren Voraussetzungen für die Weiterentwicklung von ProGlove also günstig. Dabei geht es um einen intelligenten Handschuh, quasi die Dritte Hand, bei der Dokumentationsvorgänge dank eingebauter Sensoren und Scanner in die natürliche Handbewegung des Arbeiters in Industrie, Logistik oder Handel integriert sind. „Mit dem Handschuh wird das Arbeiten schneller, sicherer und ergonomischer“, verspricht Tarek Quertani, für das Business Development zuständige Manager bei ProGlove Workaround mit Sitz in München gegenüber Factory. Den Handschuh dem Arbeiter über die Hand zu stülpen lohnt sich über all dort, wo es zum zeitkritische und sichere Arbeitsabläufe geht und wo der Arbeiter beidhändig arbeitet und gleichzeitig sein Tun nachvollziehbar dokumentieren muss. Ein typisches Beispiel wäre etwa das Kommissionieren von Kleinteilen in einem Lager. Aber auch die Dokumentation im Wareneingang, Zusammenstellen von Palettenpartien für den Warenausgang oder das Einbauen von Teilen in Autos am Fließband sind Bereiche, wo die Dritte Hand ihre Vorzüge ausspielen kann.

Das Manipulieren mit der Scanpistole fällt bei ProGlove weg. Der Handschuh gibt dem Arbeiter direktes Feedback, ob er das richtige Werkstück oder Paket angegriffen hat. Das passiert akustisch über einen Buzzer, haptisch durch einen Vibrationsmotor und optisch durch RGB-LEDs. Je nach Kombination der Rückkanäle werden verschiedene Signale verständlich übermittelt. Grünes Leuchten und einfacher Ton heißt: richtig gescannt. Rotes Leuchten und Vibration und mehrfacher Ton bedeutet: falsches Produkt gescannt. Picklisten und andere grafische Informationen werden über ein gesondertes Display am Armband von ProGlove dargestellt. Darüber kann der Nutzer auch Eingaben wie beispielsweise Warenmengen machen. Außerdem ist im Handschuh eine Funktion eingebaut, die den Nutzer informiert, wenn ein Barcode nicht in das System übermittelt wurde. Dadurch hat er immer die Bestätigung, ob der Barcode gescannt wurde und vollständig übertragen worden ist.

Auch Österreich zeigt Interesse

„Unser Handschuh war ursprünglich für die Industrie gedacht, doch wir stellen jetzt fest, dass er auch dem Handel einen Mehrwert bringt“, so Quertani. Gedacht, getan. In Österreich, Frankreich und Deutschland laufen bereits Anwenderversuche im Handel. Bislang wurden 14 Pilotprojekte im Industriebereich abgewickelt, weil „uns das Nutzerfeedback sehr wichtig ist und wir so am besten erfahren, ob unsere Entwicklung in die richtige Richtung geht“, so der Manager. In Österreich ist die Dritte Hand noch nicht in Verwendung, doch laufen schon Gespräche mit potenziellen Kunden in der Automobil- und Lebensmittelindustrie, wobei Quertani hier keinen Namen nennen will: „Wir sehen in Österreich in naher Zukunft ein großes Potenzial.“

Quertani freut sich die Rückmeldungen von Arbeitern, die mit dem Ding schon gearbeitet haben: „Laut den Werkern ist das praktische Handling des Handschuhs fantastisch.“ Er ist klein, leicht und auf der Hand angeblich kaum spürbar zum Unterschied zu einem herkömmlichen Arbeitshandschuh. Das Auslösen des Scanners über den Button am Zeigefinger und das 2D-Imager „Zielfeld“ wird von den Nutzern eigenen Angaben zufolge als sehr angenehm wahrgenommen.

Zeit sparen und das nicht wenig

Die messbaren wirtschaftlichen Vorteile von ProGlove liegen im Zeiteinsparen. Der Scanprozess geht leichter und schneller vonstatten. Das hat Erfinder Günther beobachtet: Arbeitsprozesse in der Industrie sind heute schon so optimiert, dass bereits Sekunden, die man einspart, betriebswirtschaftlich wertvoll sind. Der Arbeiter muss den Barcodescanner nicht mehr weglegen und wird auf ihn beim Arbeiten nicht mehr vergessen, weil er am Handrücken immer präsent ist. ProGlove setzt bei seinem Handschuh auf den Barcode-Industriestandard, RFID spielt im jetzigen Entwicklungsstadium eine untergeordnete Rolle. Basierend auf dem Barcode-System brauchen potenzielle Anwender in Industrie, Logistik oder Handel ihre Prozesse nicht umstrukturieren, sondern können sofort loslegen.

Als Serienprodukt soll der Handschuh eine zuverlässige Leistung garantieren. Quertani spricht von einer Schicht von acht bis zehn Stunden, in der bis zu 20.000 Scans möglich sein sollen. In Labortests wurde diese Leistung schon geschafft. Zum Vergleich: Bei einem Kleinteile-Kommissionierplatz wird durchschnittlich 2.000 bis 3.000 Mal gescannt.

Das IT-seitige Innenleben, also die Software samt Applikationen des Handschuhs stammen von den Günther und seiner Crew um ihn herum, verschiedene Module werden zugeliefert und der Stoffhandschuh selbst als Hardware wird von einem mittelständischen deutschen Unternehmen hergestellt. Seine Augen werden größer, wenn Quertani über die Einsatzmöglichkeiten des Handschuhs zu sprechen beginnt. Nicht nur der Industrie sei die Dritte Hand nützlich, sondern auch im Gesundheitswesen oder im Konstruktionsbereich ortet ProGlove potenzielle Anwendungsbereiche.

Meinung: Das hält Factory-Redakteur Josef-Felix Müller vom intelligenten Handschuh.