EMO Hannover : Picum MT: Start-up macht Werkzeugmaschinen mobil
Es ist wohl der revolutionärste Ansatz, den es auf der EMO Hannover 2017 zu bestaunen gibt: Ausgerechnet auf jener Messe, wo internationale Hersteller großer Portalfräsanlagen gerne protzen, versteckt sich in Halle 25 deren frechester Konkurrent. Wie eine Spinne sitzt "Picum 1" auf einer Schiffsschraube und bohrt, fräst mit höchster Präzision. Das Prinzip des Spin-offs Picum MT der Leibniz Universität Hannover ist genial, denn der mobile Werzeugroboter krempelt das Prinzip von "Bauteil zu Maschine" komplett um. Die Gründer wollen damit nicht nur Transport- und Handlingkosten reduzieren, sie sagen damit vor allem trägen Portalanlagen den Kampf an.
Die mobile Werkzeugmaschine
Egal ob Maschinen- und Anlagenbau, Luft- und Raumfahrt, Automotive, Schiffsbau oder Windkraftanlagen: Dort, wo große Bauteile benötigt werden, sind noch größere Maschinen im Einsatz. Für den Anwender heißt das: Je größer die Maschine, desto höher die Anschaffungs- und Betriebskosten, "die Genauigkeit nimmt hingegen nicht selten ab", so einer der Gründer Thomas Krawczyk. Anwender müssten also exakt kalkulieren, wie viele Maschinen beschafft werden können und müssen obendrauf mit einer Lieferzeit von bis zu zwei Jahren rechnen. Genau hier soll künftig Picum's Spielwiese sein. Indem das Start-up Picum MT die Maschine zum Bauteil bringt, sollen sich Kunden künftig Transport- und Handlingzeit sowie Kosten sparen. Der Prototyp des präzisen Werkzeugroboters kann sich auf Bauteilen jeglicher Form festhalten und bohren, fräsen und schleifen. Die Hardware ist auf die entwickelte Single-Software-Solution abgestimmt, die die Bediener von der Planung bis zur Qualitätssicherung unterstützt.
https://youtu.be/d1AWhJOUigU Live von der EMO Hannover 2017: Mitgründer Thomas Krawczyk zeigt, wie der mobile Werkzeugroboter funktioniert.
Erster Pilot kommt aus der Automobilindustrie
Dass dieser Ansatz eines mobilen Roboters nicht neu ist, beweiste schon Airbus bei der Fertigung des A380. Picum MT geht aber noch einen Schritt weiter: Ihr Werkzeugroboter kann sich nämlich im Gegensatz zum Airbus-Cousin flexibel in jede Richtung bewegen. Eine Utopie? Wohl kaum. Picum konnte sich bereits beim Schleifen eines Fahrzeuginnenraums unter Beweis stellen. Dabei hatte Picum den Vorteil, dass er in alle Richtungen montiert werden konnte. "Auch kopfüber", so Krawczyk. Und das ziemlich schnell: Trotz 100 Kilogramm Gesamtgewicht, dauert die Montage des spinnenförmigen Werkzeugroboters nur eine Stunde. Für den Automobilhersteller Grund genug, den mobilen Werkzeugroboter künftig die Bearbeitung seiner sogenannten "Masterpieces" (1zu1 Modelle zur Qualitätsprüfung) vornehmen zu lassen.
Geht es nach Co-Gründer Krawczyk ist aber bei bohren, fräsen und schleifen nicht Schluss. Schon nächstes Jahr soll Picum Geometrien messen können und 2019 schweißen und lasersintern lernen. Entsprechende Kooperationspartner seien schon in Aussicht, so Krawczyk. Die Vision der Picum Gründer: Eine ganze Armee von Picums, vernetzt und miteinander kommunizierend. "Wie eine Insektenarmee werden sie über das Bauteil krabbeln und es bearbeiten", so Krawczyk. Dass ihn viele für diese Vision belächeln, ist klar. Dass bereits fünf Pilotkunden den Prototyp testen wollen, aber auch. (eb)
Fakten zu Picum 1
Gewicht: 100 Kilogramm
Größe: 0,5 x 0,5 Meter
Spindel: 7,5 kW
Leistung: Max. 10 Meter/Minute
Fräser: Bis zu 8 Millimeter