Plattformdebatte : Open Industry 4.0 Alliance: Der Layer über den Plattformen?

arm assembly auto automate automated automation automobile automotive bodywork cars closeup construction conveyer conveyor electronics engineering equipment factory futuristic heavy high-tech hydraulics industrial industry line machine machinery manufacture manufacturing mechanical metal modern nobody part plant platform production robotic robots row safety service sparkles sparks steel technology transportation welder welding working arm assembly auto automate automated automation automobile automotive bodywork cars closeup construction conveyer conveyor electronics engineering equipment factory futuristic heavy high-tech hydraulics industrial industry line machine machinery manufacture manufacturing mechanical metal modern nobody part plant platform production robotic robots row safety service sparkles sparks steel technology transportation welder welding working
© Nataliya Hora - stock.adobe.com

Auf der Hannover Messe haben Sie beide und viele Partner sich als Allianz vorgestellt. Wann entstand die Idee zu dem Zusammenschluss?

Gerd Hoppe: Wir haben uns am 5. Dezember 2018 in Augsburg getroffen und sind dort der Gründergemeinschaft beigetreten.

Nils Herzberg: SAP und Kuka hatten die Idee im Sommer 2018. Wir haben daraufhin in den folgenden Monaten Mitstreiter gesucht und auch gefunden.

Was hat Sie am 5. Dezember überzeugt, Herr Hoppe?

Hoppe: Beckhoff setzt seit Gründung des Unternehmens auf offene Systeme -, denn wir arbeiten mit PC-basierten Steuerungen. Viele Wettbewerber boten damals geschlossene proprietäre Plattformen an – und tun das weitgehend immer noch. Wir implementieren bewußt eine Vielzahl von industriellen Connectivity-Protokollen in unsere Steuerungen, so dass unsere Anwender leicht aus dem Shopfloor z.B. in ein SAP-System Daten übertragen können. Wenn wir aber mit den Kunden sprechen, müssen wir erkennen, dass wir uns in einem Dilemma befinden.

In welchem Dilemma?

Hoppe: Es erscheinen nun viele digitale Mehrwertdienste im Markt wie Axoom, Mindsphere oder Adamos, aber der Kunde benötigt vornehmlich Interoperabilität auch für die digitale Ebene in der Fabrik. Es kann nicht sein, dass wir heute noch sechs Wochen brauchen, um ein Dashboard der Produktion aufzubauen, weil wir nur über viele Umwege die Daten zur richtigen Zeit, an den richtigen Ort und die richtige Person bekommen. Dazu kommen dann noch gewisse Richtlinien, die unterschiedliche Cloud-Dienste erfordern, die aber wiederum nicht miteinander harmonisieren oder zusätzliche Datenauftragsverarbeitungsverträge benötigen. Das hat mit Industrie 4.0 recht wenig zu tun.

Sprich, die Szenarien auf dem Papier machen einen guten Eindruck, in der Praxis aber mehr oder weniger untauglich?

Herzberg: Ja, wir setzen auf bestehende offene Standards, wie z.B. RAMI oder OPC UA, aber müssen jetzt zur praktischen Umsetzung kommen. Wir schaffen ein Ökosystem und entwickeln kompatible Produkte, die von dem Zweck beseelt sind, offen zu sein.

Das heißt für Beckhoff, Sie werden bei Produkt-Neuentwicklungen mit den anderen Allianzmitgliedern darüber sprechen?

Hoppe: Die Mitglieder in der Allianz werden über den Sommer Use Cases präsentieren, Anforderungen an Schnittstellen definieren und darauf aufbauend Produkte entwickeln, welche die gesuchte Interoperabilität in einem offenen Ökosystem sicherstellen.

Beckhoff richtet seine Produktentwicklung immer eng an Anforderungen von Kunden und Partnern aus – die finden wir auch in der Allianz. Klar ist aber auch: Es wird bei digitalen Mehrwertdiensten keine Einbahnstraße geben. Wenn ein Kunde Connectivity zu AWS sucht, findet er sie bei Beckhoff. Die Gründer einer offenen Allianz drehen niemandem den Rücken zu. Wir folgen ganz selbstverständlich den Wünschen unserer Kunden.

Sie haben Axoom, Mindsphere und Co. schon angesprochen. Verstehen Sie sich als Layer über den Plattformen?

Hoppe: Sozusagen als zusätzliche Allianz für ein offenes Ökosystem: wir sind ja alle Verfechter der Marktwirtschaft und wünschen auch jedem Wettbewerber Erfolg. Es wäre schön, wenn die angesprochenen Plattformen in Zukunft einen Connector zur Verfügung stellen würden. Die Vielfalt ist gut.

Herzberg: Letztlich heißt für uns „offen“, dass der Kunde die Auswahl einzelner, bestimmter Teilstrecken von der Gesamtstrecke hat. Es wird nie einen Anbieter geben, der die Gesamtstrecke abbilden oder anbieten wird. Das möchten die Kunden nicht, entspricht auch nicht der Realität. Schauen Sie sich im Alltag um: Wenn wir heute nach dem Interview nach Hause fahren, dann sehen wir auf unseren Straßen einheitliche Straßenschilder, die für alle Verkehrsteilnehmer bindend sind, egal welches Auto, welchen Lkw oder welches Motorrad Sie fahren. Wir brauchen also nicht für jedes Unternehmen ein eigenes Straßenschild.

Und wer macht die Regeln, wie die Schilder aussehen, was sie signalisieren und wo sie stehen?

Hoppe: Wir setzen auf offene Standards, z.B. von RAMI oder OPC UA bzw. der Industrie 4.0 Plattform auf. Die Allianz ist quasi das Ergebnis dieser Gremien.

Herzberg: Jeder Kunde hat unterschiedlichen Anforderungen und Komponenten. Wir decken mit unserer Allianz schon viel ab: besser steuern, besser schweißen, bessere Flussmessung, bessere Druckmessung, besser verpacken, besser Wärme tauschen. Aus diesem Regal kann der Kunde bereits wählen.

Klingt so, als seien Sie ernüchtert von den Ergebnissen der Plattformen?

Hoppe: Es ist keine Ernüchterung, aber unsere Kundengespräche zeigen, dass jetzt Umsetzungen gefordert sind, denn jahrelang wurden ihnen „revolutionäre“ Dinge der vierten industriellen Revolution angekündigt, die sich nun evolutionär entwickelt. In den ohnehin weitgehend optimierten Fabriken in Europa ist es nicht einfach, nochmal drei Prozent Effizienz herauszuholen. Das wird mit offenen Systemen erheblich leichter erreicht werden können.

Muss ich eigentlich SAP-Nutzer sein?

Herzberg: Nein, müssen Sie nicht. Wir haben keine Pflichtkomponenten. Natürlich haben wir die Hoffnung, dass möglichst viele Anwender auf unsere Software setzen werden. Es ist aber kein Muss. Und Herr Hoppe schaut da genau drauf.

Und die Allianz läuft über eine SAP Cloud in Frankfurt?

Herzberg: Für die relevanten SAP-Bausteine ist das Rechenzentrum der SAP in Frankfurt sicherlich eine Option.

Microsoft ist ein wichtiger Player. Warum sind die Kollegen nicht dabei?

Herzberg: Es gab auf der Hannover Messe auch eine Pressekonferenz von Microsoft zum Thema offene Allianzen. Im Nachgang kündigte Sam George, verantwortlicher Microsoft IoT-Manager der Cloudplattform Azure, im Grunde eine Zusammenarbeit mit der Allianz an.

Also ist Microsoft an Bord?

Herzberg: Lesen Sie den Blog und machen Sie sich einen Reim darauf.

A.d.R. Der Blogbeitrag: „The recognition of the need for an open approach is taking hold across the industry, as evidenced by SAP’s announcement today of the Open Industry 4.0 Alliance. This alliance – focused on factories, plants and warehouses – between SAP and a number of European manufacturing leaders will help create an open ecosystem for the operation of highly automated factories. OMP and the Open Industry 4.0 Alliance are complementary visions. Both recognize the need for an open platform for the cloud and intelligent edge on the ground in the factory. Both highlight an open data model and standards-based data exchange mechanisms that allow for cross-company collaboration. We’ve been working closely with SAP on efforts like the Open Data Initiative and across the industry on a wide range of initiatives including the Industrial Internet Consortium, the Plattform Industrie 4.0 and the OPC Foundation. We look forward to continuing this fruitful partnership and working to align OMP and the Open Industry 4.0 Alliance. Collaboration is the lifeblood of future manufacturing and the more we work together, the more we can accomplish.“

Vielen Dank für das Gespräch!

Hier geht es zum FACTORY-Kommentar.