Digitaler Binnenmarkt : Oettinger: Es fehlen 160.000 IT-Spezialisten in Europa
Die Digitalisierung des europäischen Binnenmarktes wird entscheidend für die künftige wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Europas sein, so der EU-Digitalkommissar Günther Oettinger am Donnerstag im Rahmen der Alpbacher Wirtschaftsgespräche, die heute zu Ende gehen. "Wir brauchen einen europäischen digitalen Binnenmarkt, eine europäische digitale Union", forderte Oettinger.
"Die US-Freunde haben eine klare Strategie. Wenn wir keine europäische entwickeln, werden wir untergehen", warnte Oettinger. Wenn es nicht gelinge, die Kräfte Europas in allen 28 Ländern zu bündeln, dann werde Europa zu schwach gegenüber den USA und China sein. Europa habe keine ausreichende digitale Infrastruktur. Bei einer Autofahrt durch die einzelnen Länder gebe es zum Beispiel noch immer Funklöcher.
USA hat Strategie gegen Europa
Entscheidend sei, wer die digitalen Daten habe, denn der habe auch die Macht. Die USA hätten eine klare Strategie, sie wollen ihre Überlegenheit auf diesem Gebiet nutzen und in eine gesamtwirtschaftliche Strategie umwandeln, um im Wettbewerb zu gewinnen. Diese Strategie sei nicht primär gegen Asien sondern gegen die europäische Industrie gerichtet, so Oettinger.
In ganz Europa werden 600 bis 700 Mrd. Euro in die Digitalisierung zu investieren sein. Das werde nicht nur die Aufgabe der Industrie sein, sondern müsse auch von regionalen und nationalen Förderprogrammen unterstützt werden. Wenn Europa verliere, werden wichtige technologische Anwendungen in der Industrie nicht mehr möglich sein.
Es braucht überregionale Plattform
Um diese Industrie 4.0 zu organisieren, brauche es in Europa eine überregionale Plattform, alleine weil es 25 unterschiedliche Sprachen gebe. Standard müsse eine europäische digitale Sprache sein, die stark genug sein müsse, um Teil der Normung auf globaler Ebene sein zu können. "Nur gemeinsam sind wir stark gegenüber Google, Amazon oder Facebook", so Oettinger.
In Europa seien 160.000 zusätzliche IT-Spezialisten notwendig. Dafür reichten die Studienplätze an den Hochschulen nicht aus. "Wir müssen mehr Studienplätze anbieten", so Oettinger. Die jungen, mit den sozialen Medien verbundenen Menschen müssten überzeugt werden, ihren Traum auch zum Beruf zu machen.
Nächster Krieg wird im Netz sein
In Zukunft würden Arbeitsplätze ohne digitaler Grundkompetenz nicht mehr haltbar sein, meinte Oettinger. Deswegen brauche es auch eine Welle der beruflichen Weiterbildung - in jedem Beruf. Ein wichtiges Thema sei auch die Datensicherheit. In Zukunft würden sich Kriege, Terrorattacken und Industriespionage im Netz abspielen. Deshalb sollten in Zukunft Prüfunternehmen Unternehmen auch ein hohes Maß an Datensicherheit zertifizieren können. Angriffe auf die Dateninfrastruktur würden zu einer Gefahr für die Zivilgesellschaft.
Benötigt werde auch eine Art digitales bürgerliches Gesetzbuch, um etwa festzulegen, wem die digitalen Daten gehören und wer darauf Zugriff haben darf, zum Beispiel auf die durch ein Auto produzierten Verkehrsdaten, wenn man etwa von Frankreich nach Österreich fährt. "Das ist eine spannende Frage", so Oettinger. (APA)