Thema des Monats : Nachhaltiger Einkauf: Grüner als Grün

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Es ist schon erstaunlich, welche Bemühungen Unternehmen in den letzten 20 Jahren unternommen haben, um mit ihrer Produktion wettbewerbsfähig zu sein. Gespart wurde allerdings oft nur an einem Eck – nämlich beim Personal. Die viel diskutierte Energieeffizienz geriet erst in den letzten zwei Jahren in den Fokus der Industrie; und zwar, als die Preissteigerung bei den Energiekosten schmerzhafte Ausmaße annahm. Ein weiterer noch viel zu oft vernachlässigter Punkt ist das Thema Materialeffizienz (siehe unser Thema des Monats im FACTORY Mai). Bei weitem zu wenig clevere Geister haben diese Möglichkeit bisher für ihr Unternehmen entdeckt. Die es getan haben, freuen sich allerdings über Einsparungen die ihre Margen deutlich erhöhen.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist eine straffe Kostenstruktur im Einkauf – und zwar unabhängig von der Größe eines Unternehmens. Laut Experten gibt es gerade in diesem Bereich noch enorme Potentiale zu heben. Gezielt geplant lassen sich Beschaffungskosten laut Georg Haas, Geschäftsführer des in Wien ansässigen Unternehmens Spring Procurement um bis zu 20 Prozent senken.

Renditehebel Einkauf.

„Nachhaltiger Einkauf ist weit mehr als die Berücksichtigung des Öko-Aspekts“, sagt Georg Haas. „Darunter versteht man auch die lückenlose Überprüfung der Lieferanten, etwa hinsichtlich Kinderarbeit. Es ist zu wenig, wenn alle paar Monate eine angekündigte Kontrolle durchgeführt wird. Man muss die vertraglich festgehaltenen Bedingungen auch durchsetzen können. Da steht oft vieles nur am Papier ...“

Ganz offensichtlich besteht hier ein gewaltiger Nachholbedarf. „Großunternehmen und öffentliche Stellen sind bei diesem Thema die Vorreiter“, weiß Haas aus der täglichen Praxis zu berichten. „Bei den KMUs ist das Thema durchaus wichtig; aber nur dann, wenn der Preis stimmt. Überhaupt sagen das 63 Prozent der Verantwortlichen in Österreichs Top-1.000-Unternehmen. Weitere 26 Prozent sagen, dass nachhaltiger Einkauf auf jeden Fall wichtig ist. Und elf Prozent sagen, es ist egal.

Besonders unterrepräsentiert sind Schlagworte wie nachhaltiger Einkauf oder Green Procurement im Maschinen- und Anlagenbau. „Da ist das Thema Umwelt ziemlich egal“, seufzt Haas. „Ich bin aber überzeugt, dass die Endkunden in Zukunft mehr Druck machen werden.“

Teurer muss nicht sein.

Das größte Problem sehen die Wiener Einkaufsberater darin, dass noch immer die Meinung vorherrscht Green Procurement bedeute automatisch, dass der Einkauf teurer wird. Ein Irrglaube, so Georg Haas: „Ein gutes Beispiel ist etwa der Einsatz von LED-Beleuchtung. Damit spart man nicht nur Geld, sondern unterstützt auch den Umweltschutz. Ein anderes Thema ist die Investitionen in einen modernen Fuhrpark. Das senkt einerseits den CO2-Ausstoß, andererseits spart es Steuern.“

Immerhin zwei Drittel der Kunden von Spring Procurement kommen aus den Reihen der Industrie. Für alle Zweifler hat Georg Haas ein schlagkräftiges Beispiel parat. „Senkt man bei einem Industrieunternehmen mit 150 Millionen Euro Umsatz, einer Umsatzrendite von zehn Prozent und einem Einkaufskostenanteil von 50 Prozent die Einkaufskosten um lediglich sechs Prozent, führt dies zu einer EBIT-Steigerung von 30 Prozent – umgelegt 4,5 Millionen Euro“, rechnet Haas vor. „Eine derartige Steigerung ist mit reinem Umsatzwachstum nur schwer realisierbar.“

Laut einer Studie von Spring Procurement sind die heimischen Einkaufsmanager davon überzeugt, dass dem Einkauf in Zukunft größere Bedeutung zukommen wird. Immerhin 85 Prozent der Unternehmen gehen davon aus, dass der Einkauf bis 2020 stärker in die strategischen Unternehmensentscheidungen einbezogen wird.

Bemerkenswert auch, dass 97 Prozent der Befragten davon ausgehen, dass die Bildungsanforderungen an die Einkaufsmitarbeiter steigen werden. Zuletzt sind für 64 Prozent der Einkaufsmanager damit auch steigende Karrierechancen verbunden.Die Stärkung der Einkaufsabteilung bringt laut Umfrage aber noch zusätzliche Vorteile. So können damit das so genannte „Maverick Buying“ reduziert werden. Haas: „Darunter versteht man den Einkauf von Material und Dienstleistungen ohne die Einkaufsabteilung einzubeziehen.“ Das Potential, hier Einsparungen zu generieren, ist groß, denn derzeit werden rund 24 Prozent des Beschaffungsportfolios unter Ausschluss der Einkaufsabteilung abgewickelt.

Alleine durch die Vermeidung von Maverick Buying erwarten sich die Verantwortlichen Einsparungen von bis zu 15 Prozent. „Der Fokus wird in den nächsten zehn Jahren bei vielen Unternehmen in der Reduktion dieses Anteils liegen“, ist Georg Haas überzeugt. „Eine Stärkung der Einkaufsabteilung, klare Richtlinien sowie Disziplin in der Organisation sollen dazu beitragen.“ Von Beginn an dabei.

Wie umfassend das Thema ist wird auch durch die Tatsache deutlich, dass immer mehr Unternehmen davon ausgehen, dass der Einkauf schon im Zusammenhang mit der Produktentwicklung an Bedeutung gewinnen wird. Laut Studie könnte sich der Anteil jener Unternehmen, die den Einkauf bereits in dieser Phase einbeziehen um bis zu 30 Prozent erhöhen. Faktum ist: Je früher der Einkauf eingreift, desto größer sind die realisierbaren Einsparungen.

Elektronische Ausschreibungen oder Online-Auktionen – für viele Unternehmen heute noch ein Tabu – werden in den nächsten 10 Jahren deutlich stärker eingesetzt. Allerdings sind 68 Prozent der Unternehmen davon überzeugt, dass sie ihre Preise auch 2020 bei maximal 25 Prozent des Volumens auf diese Art verhandeln werden. Wo einkaufen?

Mit rund 60 Prozent nimmt der Beschaffungsmarkt DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) bei den in der Studie befragten Unternehmen derzeit eine überragende Rolle ein. Dieser Anteil soll sich jedoch bis 2020 auf 50 Prozent reduzieren. Nutznießer dieser Veränderung werden Länder und Regionen wie China, Indien und Osteuropa sein. „Damit sind wir bei der Frage der Qualität angelangt“, sagt Georg Haas. Für 58 Prozent der Unternehmen ist das Qualitätsrisiko ein Hemmnis. Bei 46 Prozent der Befragten steht auch hinter der Versorgungssicherheit ein großes Fragezeichen.

Das wachsende Umweltbewusstsein wird in den kommenden zehn Jahr deutlich mehr Unternehmen zu einer konstanten Verfolgung des Umweltbewusstseins bei Beschaffungsaktivitäten veranlassen. „Das „grüne Beschaffen“ wird sich in den Köpfen der Einkaufsmanager verstärkt verankern“, ist Einkaufsberater Haas überzeugt. „Neben den gesetzlichen Vorschriften werden auch Anreize und Kundenwünsche nach umweltfreundlichen Produkten einen wichtigen Impuls für Green Procurement darstellen.

Laut Gerd Kerkhoff, Gründer der in Düsseldorf ansässigen Kerkhoff Consulting, „verträumt der Mittelstand beim Lieferantenmanagement das Risiko“. Laut einer von Kerkhoff beauftragten Studie führen nur rund 65 Prozent der deutschen Mittelständler standardisierte Lieferantenbewertungen sowie regelmäßige Besuche und Audits bei ihren Lieferanten durch. Dagegen kontrollieren über 80 Prozent der Großunternehmen und Konzerne ihre Lieferanten systematisch. Noch deutlicher ist der Unterschied im Risikomanagement. Nur 14 Prozent der Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern verfügen über ein Risikomanagementsystem im Einkauf.

„Unternehmen, die in einem Risikomanagementsystem auch Katastrophenszenarien antizipiert und Lösungsmodelle vor dem Beginn einer Krise entwickelt haben, werden sich leichter tun, auf alternative Lieferanten umzuschwenken. Wer in den Tag hinein gelebt hat, wird nun nur durch einen hohen zeitlichen und damit kostenintensiven Einsatz rasch Alternativlieferanten finden“, sagt Gerd Kerkhoff.

Kritisch betrachtet wird auch die Tatsache, dass nur ein Drittel der Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern den Einkauf in die Produktentwicklung einbezieht. „Große Unternehmen lassen die kleineren Mittelständler in Sachen Professionalität weit hinter sich“, sagt Gerd Kerkhoff. „Aber auch die Großen haben deutlichen Aufholbedarf: Dass nur die Hälfte ein Risikomanagementsystem hat, sollte genauso alarmieren wie die viel zu geringe Einbindung der Einkaufsabteilung in interne Entscheidungsprozesse. Das Drittel der Unternehmen, das bereits mit der modernen Produktkostenkalkulation arbeitet, hat gegenüber seinem Wettbewerb schon jetzt die Nase weit voraus. Die anderen müssen jetzt nachlegen, um nicht auf der Strecke zu bleiben.“