Maschine 4.0 : M&R Automation: Wie sich die Anlagen dieser Steirer selbst nachjustieren

Bernhard Mühlburger M&R Automation
© M&R AUTOMATION GMBH

Es ist eine Zeit nach Bernhard Mühlburgers Geschmack. Visionär und doch den Nutzen im Blick: Wenn disruptive Technologien ganze Fertigungszweige auf den Kopf stellen, sind Menschen wie er die Günstlinge der Stunde. Etwas, das auch der Automobilzulieferer M&R Automation schnell erkannt hat und den gebürtigen Tiroler prompt zum jüngsten R&D-Chef (31) in der Geschichte des steirischen Mittelständlers machte. Seit Dezember 2015 konzentriert sich der gelernte Maschinenbautechniker auf das Thema Industrie 4.0. In seiner neunköpfigen Abteilung finden sich neben Programmierern auch Mathematiker und ein Biologe. Ein bunt gemischtes Team, das den Traum eines cyberphysischen Systems auf den Boden der Fertigungshalle holt.

Präventive Instandhaltung

Intelligent waren die Anlagen zur Getriebefertigung eigentlich schon immer. Die Steirer machen kein Geheimnis daraus, dass dafür ein Prozessleitsystem mit besonderem Algorithmus verantwortlich ist. „Die Anlagen können sich bis zu einem gewissen Grad selbst nachjustieren“, erklärt Mühlburger. „Tritt ein Ereignis bei Maschine A ein, weiß Maschine B sofort, wie sie darauf zu reagieren hat.“ Jetzt soll ein neues Upgrade dafür sorgen, dass die Maschinen noch kommunikativer werden. Mühlburgers Vision ist dabei eine Maschine, die ihren Prozessingenieur oder Instandhalter quasi anrufen kann. „Sobald ein Schwellenwert überschritten wird, meldet sich die Maschine beim Betreiber“, erklärt er die mobile Anbindung. Noch bevor der Ernstfall eintritt, soll dieser dann die nötigen Schritte setzen können – im besten Fall mobil. Präventive Instandhaltung gekoppelt mit Remote-Service also – eine Vision, die sich noch an den Sicherheitsbedenken vieler Unternehmen die Zähne ausbeißt. Was die Steirer aber antreibt, feinste Sicherheitskonzepte zu entwickeln. Dass die jetzigen abgeschotteten Systeme bereits wackeln, davon ist der R&D-Chef überzeugt. „Der Nutzen wird irgendwann die Sicherheitsbedenken aushebeln.“ Und derweil geht es auch in einer abgeschwächten Form in abgeschotteten Netzwerken.

Neue Servicemodelle

Technologisch gewappnet sind die Steirer dafür allemal. An Bestandsanlagen gekoppelt identifiziert das neue Optimierungstool „mrPrO“ Verlusthebel entlang eines verketteten Systems. Und in Mühlburgers Fall spricht man hier von über 15 Stationen in einer Fertigungslinie. „Wobei die langsamste Station die Taktzeit bestimmt“, so der R&D-Chef. „Diese findet der Algorithmus von mrPrO und hilft sie zu optimieren.“ Datengetriebene Transparenz ist der große Wunsch der Entwicklungsabteilung und wird derzeit bei zwei Kunden in der Automobilindustrie intensiv getestet. Schon jetzt können die Steirer die Verfügbarkeit der Anlagen im Regelbetrieb um bis zu 10 Prozent optimieren. Bald soll das auch in der Hochlaufphase möglich sein. Also immer dann, wenn ein neuer Getriebetyp in die Linie aufgenommen wird. Dabei wollen sie auch die Hochlaufphase von bis zu zwei Monaten deutlich verkürzen. Naive Visionen? Bei weitem nicht, steckt für Mühlburger dahinter doch ein knallhartes Servicegeschäft. Schon jetzt entwickelt M&R Automation mit mrPrO neue Garantiepakete für Bestandskunden. „Gebt uns sechs Wochen und wir garantieren, dass Maschinen um bis zu zehn Sekunden schneller laufen“, so der R&D-Chef. Nächstes Jahr soll es das Tool bereits für Fremdanlagen geben. Zweifel kamen ihm bei diesem neuen Servicegeschäft nie, „weil es datengetriebene Entscheidungen sind“.

Digitale Stücklisten

Trotz geringer Eigenfertigung nistet sich Industrie 4.0 auch in der hauseignen Produktion ein. Interdisziplinarität wird in Grambach bei Graz großgeschrieben. Einmal im Monat treffen sich dafür die Abteilungsleiter von IT, Finanzen, Operations, Kundenservice, R&D und Verkauf zur Strategiebesprechung. In diesen sogenannten Regelrunden werden von den Fachabteilungen Themen gesammelt und priorisiert. Ganz oben auf der Liste der Steirer: Den Grad der eigenen Digitalisierung weiter vorantreiben. So werden gerade neue Verträge mit Lieferanten ausgehandelt, um die Bestände noch weiter zu verringern. Was nach normalem KVP-Prozess klingt, wird erst durch digitale Stücklisten möglich. Indem sich die Steirer immer enger mit ihren Lieferanten vernetzen, findet Mühlburgers Vision einer datengetriebenen Transparenz auch in den Grambacher Hallen ihren Platz.