Produktpremiere : Mit AcoposTrak will B&R die individualisierte Massenfertigung salonfähig machen
Es sei ein ganz einfaches und klares Ziel gewesen: Wachstum. Mit einem felsenfesten Statement betritt Hans Wimmer die Linzer Bühne zur Vorpressekonferenz für die Messe SPS IPC Drives . "Die Übernahme durch den Schweizer Konzern ABB sei richtig gewesen", so der CEO von B&R Industrial Automation GmbH. Man wollte und wolle weiter die Marktbedeutung stärken. Dass B&R seit Jahren solide wächst, ist klar. Dass sie nun ihr künftiges Wachstum nicht mehr aus dem eigenen Cashflow finanzieren müssen auch. Eben Synergieeffekte. Und das gilt auch für ABB, die damit ihre historische Lücke in der Industrieautomatisierung schließen. Fast autark platzieren sich die Eggelsberger Automatisierer innerhalb der ABB Gruppe als das globale Maschinen- und Anlagenzentrum. Was zumindest für Österreich den nächsten Expansionsschritt bedeutet: Ausbau des Standortes Salzburg. In Zukunft werden hier 80 Entwickler in den Bereichen Robotik, Steuerungs-, Regelungstechnik und industrielle Kommunikation arbeiten.
Neuer Finanzchef kommt von ABB
Die große Frage, die immer noch durch die Branche geistert: Wie laufen die Integrationsgespräche mit ABB? Deren erste Antwort wohl die neue Aufstellung der B&R Geschäftsführung ist. Neben CEO Hans Wimmer bekleiden nun auch Peter Gucher (CSO) und der von ABB kommende Finanzchef Clemens Sager das Führungsmanagement. Integration solle es vor allem bei jenen Produkten geben, die für beide Vertriebskanäle funktionieren. Gucher: "ABB hatte bis dato ein großes Produktdenken." Dahin wolle man sich freilich nicht orientieren. Dennoch soll die Zusammenarbeit der Vertriebe weiter gestärkt werden. Eben Synergien schaffen. Gutes Beispiel: ABB Italien. Ausgerechnet in jenem Markt, wo B&R Steuerungen für Roboter heiß begehrt sind, soll die Euphorie des ABB/B&R-Teams "nicht zu bremsen sein", so Gucher. Die Frage, ob damit anderen Roboterherstellern der Zugang zu B&R-Steuerungen erschwert werden würde, würgt Wimmer klar ab: "Unsere Offenheit werden wir nicht aufgeben." "Besser ist der Feind des Guten" ist nach wie vor das Dogma des B&R-Bosses. Und für die Eggelsberger entscheidet nunmal der Kunde. "Und der fordert Offenheit", so Wimmer.
Beste Synergien in der Robotik
Zum Beispiel beim Paschinger Biegemaschinenproduzenten Trumpf gibt es schon Roboter vollintegriert mit B&R-Steuerung. Wimmer glaubt fest daran, dass es in diesem Bereich zu rasanten Entwicklungen kommen wird. Und da wittert die ABB-Mutter großes Potenzial für die Industrieautomatisierung. Und damit ist auch klar, dass die Robotik jene Vorzeigeabteilung ist, die den Takt für eine gemeinsamen Zukunft angeben wird. Und wie profitieren die Eggelsberger? Ganz klar: Neue Märkte. Nicht unbedingt im Sinne von Branchen, "aber in Indien sind wir im Verhältnis zur Landesgröße noch viel zu klein", so Wimmer. Schnelleres Wachstum in China und Brasilien seien nun in Kombination mit ABB in greifbarer Nähe.
AcoposTrak: Die anpassungsfähige Maschine
Obwohl Software bei B&R bis dato nur 10 Prozent am Umsatz ausmacht, fällt auf, dass Wimmer auf der Pressekonferenz in Linz immer wieder darauf pocht. So verspricht er, dass es auf der diesjährigen SPS IPC Drives zu einer großen Enthüllung kommen. Denn B&R will die individualisierte Massenfertigung auf den Boden der Fertigungshalle bringen. Dass das nicht neu ist, weiß Robert Kickinger, Manager Mechatronic Technologies bei B&R. Dass diese aber bislang wirtschaftlich nur schwer umsetzbar ist, auch. Denn Fakt ist: Die Flexibilisierung der Anlagen geht zumeist mit einer sinkenden Gesamtanlageneffizienz – auch Overall Equipment Effectiveness (OEE) genannt – einher. „Da rechnet sich die Individualisierung nicht mehr", so Kickinger. Es wären ständige Umrüstungen nötig, wodurch die Produktivität sinken würde. „Wir müssen also eine Lösung schaffen, mit der unterschiedliche Produkte flexibel und in Echtzeit bei voller Produktionsgeschwindigkeit individuell zusammengestellt werden können.“
Geht es um Details zu der neuen Technologie, bleiben die Automatisierer diskret. Nur soviel sei verraten: Grob gesagt, geht es um eine anpassungsfähige Maschine. Für die Automatisierer ist klar: Um die Qualität hoch zu halten, ist es erforderlich, auf Probleme oder schlechte Produkte in Echtzeit reagieren zu können – ohne den Produktionsprozess zu beeinträchtigen. „Mangelhafte Produkte müssen sich zum Beispiel bei voller Produktionsgeschwindigkeit an Ort und Stelle aussortieren lassen“, so Kickinger. Gemeint ist damit AcoposTrak, eine neuartige Beförderungstechnologie mit integrierten Linearmotoren, ähnlich der SuperTrak-Technologie. Es soll Maschinen- und Anlagenbauern eine nie zuvor dagewesene Freiheit im Aufbau von Maschinen und Anlagen erlauben. Wie genau AcoposTrak funktioniert, erfahren Neugierige am Dienstag, 28. November auf der SPS IPC Drives in Nürnberg. Um 9:30 Uhr startet am B&R-Stand (Halle 7, Stand 206) die Produktenthüllung. Diese wird weltweit live auf YouTube|übertragen.]
Neue Vision-Technologie, die Maschinen Augen verleiht
Aber auf der SPS IPC Drives wartet auch noch was anderes: Die Automatisierer wollen dort ihren Maschinen "Augen verleihen". Der Automatisierungsspezialist stellt erstmals seine vollständig integrierte Vision-Technologie vor. Die Maschinensteuerung, der Bildtrigger und die Lichtsteuerung sind im Sub-Mikrosekunden-Bereich synchronisiert und lassen Reaktionen in harter Echtzeit zu. Vorgefertigte Softwarebausteine verringern zudem den Programmieraufwand bei der Installation.
Weiters zeigt B&R auf der Nürnberger Leitmesse für Automatisierung live eine Industrial-IoT-Demo mit Cloud-Anbindung. Durch OPC UA TSN wird ein digitaler Zwilling in Echtzeit in der Cloud einsehbar. Die Kommunikationstechnologie ermöglicht perfekt synchronisierte mechanische Abläufe. Prozesse können so besser und präziser aufeinander abgestimmt und damit noch enger getaktet werden. B&R engagiert sich in mehreren Gremien für Interoperabilität, welche die Basis für Industrial-IoT-Konnektivität bildet. (eb)