Der FACTORY-Kommentar : Messe Smart Austria: Moderate Braut in prächtig neuem Kleid?
Mehr Inhalt und weniger Stammtisch, das soll das Geheimrezept der Smart Automation Austria werden. Eine Banalität mit Methode? Ja, kann durchaus sein. Wien drängt mit aller Macht weg vom Image einer heimeligen Stammtischrunde. Was also Quintessenz des Linzer Erfolgsmodells ist, soll Wien eben nicht werden. Und das zu recht: "Der inhaltliche Fokus muss verstärkt werden", argumentiert Markus Reingrabner, Messeleiter Smart Automation Austria, gegen ein "kuscheliges Get2gether" wie in Linz.
Extrembergsteiger und Fußballtrainer
Inhaltlich orientiert sich eine Wiener Smart freilich am Thema Industrie 4.0, will aber dieses mal mit einem pfiffigen Rahmenprogramm punkten. Wer sich dieses Rahmenprogramm ansieht, mag noch echte Keynote-Größen vermissen, aber auch ein Neurobiologe wie Bernd Hufnagl oder ein Sicherheitsexperte wie Magnus Kalkuhl bringen ihre eigenen Sichtweisen zur 4.0-Thematik. Vorträge von sportlichen Größen wie Extrembergsteiger Günter Haberler und Fußballnationalmannschaft-Teamchef Marcel Koller sollen dann noch die marketingtechnischen Kirschen am Sahnehäubchen werden. Warum ich dennoch glaube, dass dieses Konzept aufgehen kann? Weil Fachbeirat wie Veranstalter munter geworden sind und jetzt Nägel mit Köpfen machen. Endlich liefern sie Gründe, warum Wien eine solche Messe verdient hat.
Hürdenlauf eines Konzerns
Interessantes Kommitment zur Messe kommt ausgerechnet aus dem Siemens Lager. Natürlich lies sich der Technologieriese bitten, heißt es aus dem Fachbeirat, aber dennoch sei schon letzten Sommer ein klares "Ja" zur Messe da gewesen. Nur die schriftliche Bestätigung folgte eben später. Was mich zu meinem frühzeitigen Schluss eines Zögerns seitens Siemens veranlasste, war wohl intern nicht mehr als ein bürokratischer Hürdenlauf eines Megakonzerns. Mit einem geteilten Messestand Smart/Intertool will Manfred Brandstetter (Head of Factory Automation CEE) nun der Messe seinen Stempel aufdrücken. Und eines hat Siemens geschafft: Sie bringen einen der größten Kritiker der Wiener Smart auf die Messe. "Festo bemängelte die Smart Automation Austria lange am lautesten", gibt ein Mitglied des Fachbeirats offen zu. Mit einem Multicarriersystem am Siemensstand gibt sich der Antriebsspezialist nun aber doch ein Stelldichein.
Eine Feuerprobe im neuen Brautkleid
Nennt Fachbeirat und Pilz-Chef Walter Eichner auch die Wiener Frühlingsluft und städtische Lebensqualität als schönen Messegrund, sind es dann doch Hermann Obermair (B&R) und Armin Pehlivan (Beckhoff) die Tacheles reden. "Ja die Messe ist in einer Krise und hat ein Imageproblem", so Pehlivan. Für ihn ist es die letzte Wiedergeburt vieler verpfuschter Konzepte mit einem gravierenden Unterschied: "Wir haben dieser Braut ein neues prächtiges Kleid gegeben", ist er von der neuen Ausrichtung überzeugt. Das sieht auch Hermann Obermair von Bernecker und Rainer so, ebenfalls im Fachbeirat. Ewigen Messekritikern, die sich über mangelnde Besucherströme motzen, nimmt er besonders gern den Wind aus den Segeln. "Ganz klar: Besucher-Akquirierung ist Aufgabe des Ausstellers selber", so Obermair. Dennoch lässt der Messeveranstalter Reed die 165 Aussteller (Stand 22. März) in Halle A kompakter zusammenrücken und sorgt so für einen räumlichen Pluspunkt. Ebenso sollen gratis Tickets bei Onlineregistrierung für zusätzliche Besucher sorgen.
Kein Informationsdefizit wie 2014 mehr
Für Reed-Chef Benedikt Binder-Krieglstein ist es die erste Smart in Wien. Der Nachfolger von Matthias Limbeck will noch mehr Nähe zum Kunden und stellt deshalb ab April eine neue Verkaufsleiterin ein. "Die Ausstellerbetreuung wird immer mehr zum Lösungsverkauf", so Binder-Krieglstein. Ausstellerkritiken über eine mangelnde Betreuung dürften sich damit bald erledigt haben. Auch aus dem Informationsdefizit aus dem Jahr 2014 habe man gelernt und will nun die Öffentlichkeit früher und direkter einbinden. Summa Summarum also durchaus gute Gründe, dass Wien diese Messe verdient. Ob die Smart Automation Austria tatsächlich die schöne Braut auf einer gelungenen Hochzeit sein wird, zeigt der Mai.
Hintergrund eines weiteren Kommentars zur Smart: Heute gab es ein exklusives Pressegespräch in Wien. Es luden fast alle Vertreter des Fachbeirates und der Messeveranstalter, Reed Exhibitions. Der Grund: Ein Kommentar Anfang Februar meinerseits, der wohl doch mehr Öl ins Feuer goß, als erwartet.
Was tatsächlich alles neu auf der Smart Automation Austria ist, lesen Sie hier.