Forcam : MES: Hat Europa seine Chance vertan?

Franz Gruber hat nur wenig Zeit. 20 Minuten maximal, dann wartet schon ein Journalist von Gardner Business Media auf seine Gelegenheit, den deutschen MES-Pionier an die Strippe zu bekommen. Warum sich derzeit jedes Medium vom Spiegel bis zum ORF um den Gründer der Forcam GmbH reißt? Weil sein Unternehmen immer mehr zum Dreh- und Angelpunkt für Industrie 4.0 wird. Wie? Indem es sich als einzige europäische Softwarefirma in das Wettrennen zwischen USA und Europa drängt, und das mit Erfolg. Von Frost & Sullivan selbst kam dafür unlängst höchstes Lob. „Eine Lösung mit bahnbrechendem Potenzial“, hieß es von Global Vice President Sathyajit Rao. Er kürte das Shop Floor Management System von Forcam (Release 5) als „Weltweit führende Fabriksoftware 2014“ (Global New Product Innovation Leadership Award 2014). Über 50.000 Maschinen weltweit werden bereits mit Forcam Software überwacht. Kunde ist vor allem die Autoindustrie - etwa Audi, BMW und Daimler. Die Lösung bietet Nutzern eine webbasierte Vergleichbarkeit globaler Produktions-Infrastrukturen in Echtzeit in vielen Sprachen. Darüber hinaus erlaubt Forcam die Anbindung heterogener Maschinenparks und ermöglicht durch spezielle Adapter die nahtlose Integration der Produktion (Shop Floor) an die Unternehmensplanung (Top Floor). „Wir sind das erste Unternehmen, das es schafft, Mazak-Steuerungen bei deutschen 4.0-Projekten zu integrieren“, so Gruber. „Es gibt keine Schnittstellenproblematik.“
Alle zwei Jahre im September trifft sich die Weltelite der Fertigungsindustrie auf der größten Industriemesse Nordamerikas, der Megamesse IMTS. Alle weltweiten Maschinenbauverbände und -organisationen sind dort vertreten. Als einziger Chef einer europäischen Softwarefirma erhielt in diesem Jahr der Forcam-Gründer dort die Gelegenheit, beim General Managers’ Meeting des US-Maschinenbauverbandes (Association for Manufacturing Technology - AMT) neben Oxford-Größen wie Gregory Daco eine Keynote zum Thema „Smart Factory“ zu halten. „Die diesjährige IMTS hat klar gezeigt: In Europa wird geredet, in den USA gehandelt“, umreißt Gruber kurz seinen Eindruck vom Event. „Industrial Internet oder, wie Europa es nennt, Industrie 4.0, hat dort alle Branchen längst erfasst“, warnt er. Interoperabilität aller Maschinen ist kein Fremdwort mehr, Echtzeitvisualisierung aller Standorte kein Wunschkonzert. Und dann fährt er mit einem Schlag in die europäische Magengrube fort. „Europa hat seine Chance vertan: Die Amerikaner haben die Schnittstellenproblematik mit dem offenen Standard MTConnect längst gelöst.“ Die IT-affineren Amerikaner haben damit also ihre Nachteile im Hardwarebereich durch Software kompensiert. Der amerikanische Shopfloor-Standard MTConnect überrollt längst den Weltmarkt. Gebremst werden kann dieser Industriestandard laut Gruber schon lange nicht mehr. Maschinenbauer aus aller Welt versuchen, auf diesen Zug aufzuspringen. Nur Deutschland wie auch Österreich scheinen das noch nicht zu kapieren und philosophieren lieber weiter über grenzenlose Möglichkeiten. Arm: Nur ein österreichisches Unternehmen hat den US-Standard integriert.
„Wer Industrie 4.0 immer noch als Modewort schimpft, ist bald einfach nur arm dran.“ Dass in Österreich nur ein einziges Unternehmen, nämlich GE Jenbacher, seine über 70 Anlagen mit Steuerungen von Siemens, Fanuc usw. über diesen US-Standard bereits integriert hat, spricht laut Gruber Bände. Er kenne ein paar gute Projekte in Österreich, aber ganz wach sei die Alpenrepublik noch nicht. Genauso wenig die größere Schwester Deutschland. „Als Courtney Hill, Chef des MTConnect Instituts, seinen Standard der versammelten Weltelite präsentierte, wurden eben jene europäischen Vertreter plötzlich äußerst ruhig“, schildert Gruber seine Erfahrung am Elitetreff. Das düstere Resümee des Industrie 4.0-Pioniers: „Die großen internationalen Beschaffungsorganisationen werden MTConnect als Standard für Maschinen und Anlagen voraussetzen. Wer den nicht bietet, fliegt raus.“ Bei der privaten Internetnutzung haben die US-Anbieter die Konkurrenz aus Europa uneinholbar abgehängt. Jetzt geht es darum, im industriellen Wettkampf nicht weiter zurückzufallen. „Industrie 4.0 ist schon Realität. Unternehmen müssen jetzt handeln“, sagt Gruber in der letzten Minute des Interviews und hat schon den nächsten Journalisten am Telefon.
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Auf der IMTS 2014 wurde das erste Auto präsentiert, das in einem 3D-Drucker „gedruckt“ wurde. Ein gutes Beispiel für Industrie 4.0 oder die „smart factory“ wie die die High Tech Strategie in den USA auch genannt wird. Solch technische Errungenschaften lassen sich schwer zwischen Österreich und den USA aufteilen. Österreich sticht vor allem in globalen Nischen hervor, da die heimische Industrie mit hohen Maß an Know-how, bisher etablierte und technisch mögliche Grenzen durchbricht, auch am amerikanischen Markt. US-Unternehmen stechen durch Skalierbarkeit (Expansionsfähigkeit eines Geschäftsmodells) hervor, die große Mengen in konstanter Qualität produzieren - aus diesem Grund finden Cyber-physische Systeme in den USA mehr Anwendungsmöglichkeiten. Die größten Unterschiede findet man daher nicht auf der Landkarte, sondern zwischen den einzelnen Industriesektoren. Die Frage, was Industrie 4.0 für den globalen Markt bedeutet scheint weniger wichtig als die, wie man deren Entwicklung weiter fördern kann. Die Außenwirtschaft Austria unterstützt Österreichische Firmen am internationalen Parkett, die als Vorreiter der „Smart Factory“ gesehen werden können. Als gute Beispiele österreichischer Vertreter der Industrie 4.0 sind B&R-Steuerung und Anger Machining zu nennen, beide sagen mit ihren einzigartigen neuen Technologien der internationalen Konkurrenz den Kampf an. Die größte Herausforderung besteht nun darin, diese „smarten“ Technologien im globalen Markt zu platzieren.
Mit ihren massiven Reshoring-Maßnahmen werden die USA wieder als attraktiver Produktionsstandort wahrgenommen. Unterstützt wird das Ganze noch von einer dynamischen US-Kultur, die diese Entwicklung aufnimmt, verinnerlicht und rasch umsetzt. Damit hat man natürlich die idealen Voraussetzungen um mit MES erfolgreich zu sein.
Dies soll allerdings keineswegs bedeuten, dass Europa sich von diesen Entwicklungen abschrecken lassen sollte. Mit cronetwork zum Beispiel haben wir ein technisch ausgereiftes und bewährtes MES-System, welches am US-Markt keineswegs den Vergleich scheuen muss und umfassende Mehrwerte bietet. Diese beziehen sich neben funktionellen Alleinstellungsmerkmalen auf die schnelle Einführbarkeit und die parametrierbaren Oberflächen, um auch einfachere Prozesse abbilden zu können. Denn es herrschen große Unterschiede im Ausbildungsstandard der Produktionsmitarbeiter. Während in Europa vorwiegend hoch qualifiziertes Personal verfügbar ist, sehen sich Produktionsbetriebe in den USA mit geringerer Qualifikation und höherer Fluktuation konfrontiert. Die Parametrierbarkeit unserer Standardsoftware macht jedoch auch in diesem Fall eine rasche Nutzung möglich und erlaubt es, neue Mitarbeiter schnell einzuarbeiten.
Die erfolgreiche Umsetzung mehrerer Projekte hat gezeigt, dass cronetwork in den USA sehr gut angenommen wird. Das Softwarekonzept ist perfekt auf internationale Rollouts ausgerichtet und kann kostengünstig implementiert und betreut werden. Ein Schnittstellen-Standard wird sicher die Entwicklung von Industrie 4.0 Themen nochmal beschleunigen und ist begrüßenswert, trotzdem sind wir es gewohnt, unser System auch in heterogene Landschaften zu integrieren.
Standardisierung war lange der Feind großer Steuerungs-Anbieter. Klar, man bekam die Kunden ja bestens unter Kontrolle, sobald man sie auf den eigenen Busstandard gesetzt hatte. Der Siegeszug von Ethernet TCP/IP wurde noch geschickt umschifft: Zwar unterstützen alle den Standard – doch jeder mit seinem proprietären Applikationsprotokoll. Das Ergebnis: Sollen Systeme verschiedener Hersteller interagieren, klappt das meist nur über Sonderlösungen.
Jetzt, wenn Industrie 4.0 tatsächlich in die Gänge kommen will – und nicht in drei Jahren vom nächsten Marketingspruch abgelöst wird –, ist bei Automatisierungsanbietern Umdenken fällig: Weg von proprietären Systemen, hin zur Offenheit.
Das aber mit klarer Differenzierung: Hier die einzelne Werkzeugmaschine, die wie eh und je, auch im Rahmen offener Standards, einem Datenempfänger semantische Informationen bereit zu stellen hat. Ansätze wie das 2008 aus akademischen Bestrebungen entstandene MTConnect (und andere, wie OPC, ODI, etc.) können ihren Beitrag zur Abfrage-Semantik leisten. Allerdings hat sich noch keines der Angebote richtig durchgesetzt, weder in Europa noch in anderen Regionen. So wünschenswert durchgängige Standards also theoretisch sind – derzeit wäre es falsch, bei der übergeordneten, weit komplexeren Steuerung ganzer Shopfloors, wie sie das Kon-Cept MMS leistet, auf einen einzigen Treiber zu setzen. Dort gilt es stattdessen, die Schnittstellen-Problematik flexibel, hoch integrativ und kunden-gerecht zu lösen. In der Automobilindustrie, dem Kompetenzfeld von Kon-Cept, heißt das: smarte Verrechnung umfassender Anlagen- und Qualitätsdaten zu aktiver Steuerung in Real Time, empfänger-gerechte Versorgung von Anlagen und Werkern, Vernetzung mit Fremdsystemen bis hin zur ERP-Ebene. Die Einbindung jedweder Art von Maschinen-Protokoll, von CNC bis Robotik, ist da nur die untergeordnete Challenge.
Wer ist Kon-Cept: Kon-Cept Management Information Services GmbH plant, entwickelt, implementiert Prozess- und Produktionssteuerungs-Systeme für die Automotive-Industrie, das Leistungsportfolio reicht von Beratung bis Rollout. 1999 gegründet, betreut das Wiener Unternehmen inzwischen Kunden auf drei Kontinenten. Das Manufacturing Management System MMS von Kon-Cept, eingesetzt beispielsweise von Magna Steyr, BMW oder Audi, hat sich als innovativer Industriestandard für hoch-flexible, hoch-integrative und hoch-produktive Automotive-Fertigung etabliert.