Meinung : Mayer-Schönberger: „Wir stellen Sicherheit über Freiheit“
Herr Mayer-Schönberger, welchen Einfluss hat Big Data auf den Datenschutz?
Mayer-Schönberger: Die Komplexität von Big Data erfordert einen anderen gesellschaftlichen Umgang, der den individuellen Datenschutz obsolet macht. Hier müssen wir Mechanismen schaffen, die auf die Verwendung der Daten abzielen und nicht wie bisher auf die Zustimmung der Betroffenen zum Sammeln. Big Data ist ein mächtiges Werkzeug, aber wir brauchen klare gesetzliche Bestimmungen, für welche Bereiche es angewendet werden darf und wo nicht. Diese Grenzen müssen endlich gesellschaftlich diskutiert werden.
Bietet das Sammeln und Auswerten neuer Daten für „Pay as you drive“ oder „Pay as you live“ nicht auch neue Kundenmodelle?
Mayer-Schönberger: Hier müssen wir sehr vorsichtig sein, damit wir nicht im Kern die menschliche Handlungsfreiheit treffen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir Sicherheit über Freiheit stellen und in der wir versuchen, möglichst alle Risiken zu minimieren. Aber Menschen sind keine Maschinen. Effizienz ist nicht das einzige Kriterium, es geht auch um gesellschaftliche Solidarität und Gerechtigkeit.
Was halten Sie konkret von einer „Blackbox“ im Auto, die das Fahrverhalten aufzeichnet und mit einem Tarif für vorsichtiges Fahren belohnt?
Mayer-Schönberger: Wenn es dabei um das Sammeln von Erkenntnissen ginge, wie die Sicherheit des Autos oder der Straßen verbessert werden könnten, wäre ich dabei. Aber nur um eine geringere Versicherungsprämie zu erhalten, nein.
Was müsste geschehen?
Mayer-Schönberger: Die Menschen stehen immer öfter vor der Situation: Häkchen hinter den AGBs oder im Netz gar nichts machen zu können. Damit haben wir einen Formalismus von Datenschutz erreicht, der uns im Ergebnis nicht weiterbringt. Mein Vorschlag ist, dafür eine neue Expertengruppe zu installieren. Ich nenne sie die Algorithmiker. Das sind Menschen, die geplante Big-Data-Anwendungen schon im Vorfeld bewerten und zertifizieren.
Vielen Dank für das Gespräch!