TU Wien / AVL List : Mathematik statt Teststrecke

Unter der Leitung von Stefan Jakubek wird sich das Christian Doppler (CD) Labor der Entwicklung von neuen und integrierten Methoden zur modellbasierten Kalibrierung von Automotive-Antriebssystemen widmen. Diese brandneue Kooperation (die offizielle Eröffnung erfolgt am 28. Jänner) zwischen dem Institut für Mechanik und Mechatronik an der TU Wien und der AVL List GmbH umfasst einerseits die Entwicklung von neuen Methoden für die modellbasierte Kalibrierung durch entsprechende Grundlagenforschung im Bereich der nichtlinearen Systemidentifikation und andererseits die zugehörige Versuchsplanung (Design of Experiments - DoE). Das auf sieben Jahre angelegte Projekt bedeutet anwendungsorientierte Forschung auf höchstem Niveau, an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.
Große Herausforderungen.
Umweltverträglichkeit und Energieeffizienz sind die Stichworte, die die Mobilität der Zukunft kennzeichnen. Das Gaspedal mit einem einfachen Seilzug in Verbindung mit einer Drosselklappe hat längst ausgedient. Immer komplexer werden die Anforderungen, vor allem auch durch die steigende Nachfrage nach alternativen Antriebssystemen.
Die Kalibrierung von elektronischen Steuergeräten (ECUs) stellt eine der größten Herausforderungen der Automobilindustrie dar: Einerseits bei der optimalen Parametrierung von Regel- und Steueralgorithmen in Teilkomponenten, wie zum Beispiel Verbrennungsmotor oder Management der Traktionsbatterie bei Hybridfahrzeugen und andererseits bei der Optimierung des Zusammenspiels aller dieser Komponenten im Gesamtfahrzeug durch Hybridsteuergeräte.
Typische Beispiele sind die Optimierung von ECU-Kennfeldern, die Reglerbedatung sowie die Kalibrierung von Abgasnachbehandlungs- oder Batteriemanagementsystemen. Aktuelle ECUs beinhalten eine Vielzahl von Funktionen, welche zum Beispiel motorische Größen regeln bzw. nicht messbare Größen vorhersagen. Eine manuelle Parametrierung wird aufgrund der enormen Komplexität der Aufgabe in Zukunft nicht mehr bewältigbar sein.
Modelle: virtuell und ökonomisch.
Die Forschungsvorhaben zielen auf die Entwicklung von modellbasierten Verfahren zur automatisierten Kalibrierung von Automotive-Antriebssystemen (Verbrennungsmotoren, Antriebsstränge, Hybrid Komponenten) ab. Bei diesen Methoden wird die real vorhandene Komponente durch ein geeignetes mathematisches Modell ersetzt. Optimierung und Kalibrierung werden damit virtuell bzw. simulationsgestützt durchgeführt.
Stefan Jakubek und seine Forschungsgruppe werden am Institut für Mechanik und Mechatronik die dazu benötigten Algorithmen der nichtlinearen Systemidentifikation entwickeln. Mit dem daraus entstehenden nichtlinearen dynamischen mathematischen Modell können etwa innermotorische Vorgänge (wie z.B. NOx-Emissionen) präzise simuliert werden. In der Folge lassen sich damit Steuergerätefunktionen parametrieren und optimieren.
Kommerzielle Nutzung.
Ziel der Kooperation zwischen AVL List GmbH und dem Institut für Mechanik und Mechatronik ist es, hochintegrierte modellbasierte Kalibriermethoden kommerziell einsetzbar zu machen. Diese werden nicht nur dem wachsenden Zeit- und Kostendruck der Automobilindustrie gerecht, sondern ermöglichen auch einen systematischen Lösungszugang, der mit der steigenden Komplexität zukünftiger Antriebssysteme mitwachsen kann.