Gebrauchtmaschinenmarkt : Kennen Sie diese Tücken des Gebrauchtmaschinenmarktes?
Es war ein Start-Up das kam, sah und siegte. Genau so könnte der Werdegang von Heico Kochs Unternehmen beschrieben werden. Der Gründer und heutige Geschäftsführer des Unternehmens „TradeMachines“ ist gelernter Maschinenbauingenieur. Lange war Koch dick im Entwicklungsgeschäft von Raffinerien und chemischen Produktionsanlagen. Als ihn dann 1998 die – wie er es nennt – „dot.com-Blase“ aufsaugte, sah es so aus als würde er dieser Branche voll und ganz den Rücken kehren. Das Vermarkten von Onlineprodukten war nun sein Spezialgebiet. Nicht zu seinem Nachteil, wie sich im Oktober 2013 herausstellte. Denn seine alte Branche holte ihn zurück - zumindest virtuell. Heute betreibt der gewiefte Berliner nämlich eine der größten Online-Plattform für Gebrauchtmaschinen-Auktionen in ganz Europa. Und das Geschäft mit den gebrauchten Maschinen boomt.
Orderfox’s Einstieg ins Gebrauchtmaschinengeschäft
Die florierende Wirtschaft sorgt für eine gute Auslastung bei produzierenden Unternehmen. So gut, dass man auf lange Lieferzeiten bei Neumaschinen verzichtet „und daher lieber auf die gebrauchte Variante zurückgreift“, so Koch. In vielen Bereichen, aber besonders am Bau, gäbe es in Westeuropa derzeit einen Mangel an verfügbaren Maschinen. Die Nachfrage sei dementsprechend groß. Was Koch für Baumaschinen schlussfolgert, sieht bei Bernd Schuler, Managing Director von Orderfox ähnlich aus. Orderfox ist ein weiteres ehemaliges Start-up, dass sich innerhalb kürzester Zeit zum größten B2B-Marktplatz für die CNC-Branche mauserte. Das ursprüngliche Geschäft des „Fox“ war dabei Produktionsressourcen intelligent zu verknüpfen. Wer kann wo ein Produkt so schnell wie möglich in Topqualität produzieren oder just in time an einen bestimmten Punkt auf der Weltkarte liefern? Solche Fragen stellen Einkäufer täglich unter Strom.
Orderfox bringt hier Angebot und Nachfrage zusammen und das gratis. Schnell, direkt und ohne viel Aufwand kann ein Auftrag in der Datenbank platziert werden. Lohnfertiger können damit ihre Auslastung kräftig erhöhen. Das Geschäftsmodell von Orderfox? Ganz einfach: Metadaten. Wie Google verdient der „Fox“ nicht mit Vermittlungsprovision, sondern mit Daten. Wer z.B. eine Premiummitgliedschaft abschließt, erhält wertvolle Reportings, je nach Wunsch wöchentlich oder monatlich. Und diese Reportings haben es in sich. Denn wer weiß, mit welchen Technologien, Materialien und Werkstückgrößen für welche Industrie gefertigt wird, welche Maschinentypen, wo wie lange stehen oder in welchen Regionen die meisten CNC-Aufträge platziert und gesucht werden, kann seine Vertriebsstruktur ganz neu und zielgerichteter steuern. Das trifft auch auf Gebrauchtmaschinen zu. „Die Nachfrage ist extrem hoch, das Angebot im Vergleich eher mäßig“, resümiert Schuler, der letztes Jahr mit einer Online-Börse für den Gebrauchtmarkt online ging.
Agrarmaschinenmarkt tickt anders
Das Argument mit der guten Wirtschaftslage will Koch jedoch nicht uneingeschränkt gelten lassen, denn „der Gebrauchtmaschinenmarkt ist von typischen Konjunkturschwankungen relativ unabhängig“, so Koch. Aus der Reihe tanzt übrigens nur der Agrarbereich. Hier sei es genau umgekehrt – viel Angebot, wenig Nachfrage. „In Westeuropa stehen manche Agrarmaschinen ein Jahr, bis sie verkauft werden können“, erzählt Koch. „Der Preiskampf ist enorm.“ TradeMachines spricht mittlerweile acht Sprachen. Ein wichtiger Schritt: Käufer können sich so in ihrer Muttersprache einen Überblick über die Verfügbarkeit von Maschinen verschaffen, während Verkäufer diese rascher an den Mann bringen können. „Wir bedienen damit 60 Länderportale“, so Koch. Die jeweilige Länderkennzeichnung sei wichtig für die Akzeptanz, davon ist man bei TradeMachines überzeugt. Online sind die Berliner übrigens in rund 190 Ländern. Und das spiegelt sich auch in den Zahlen wieder: 2018 verzeichnete die Plattform mehr als drei Millionen Unique User und fast 20 Millionen Page Views. Damit habe man, laut TradeMachines, die größte internationale Reichweite. Zum Vergleich: Bei Maschinensucher.de, eine seit den 90er Jahren etablierte Mitbewerber-Plattfrom, inserieren derzeit ca. 5.700 Händler über 150.000 Maschinen. Laut eigenen Angaben nutzen vier Millionen Nutzer (keine Unique User) pro Monat die Seiten der Machineseeker Group (Maschinensucher/Machineseeker & Truckscout24). Das vermittelte Anfragevolumen betrage jährlich weit über 10 Milliarden Euro.
Der Online-Käufer und der Offline-Verkäufer
Etwas Interessantes beobachtet Koch in seiner virtuellen Welt immer wieder. Während Käufer nahezu komplett auf die Online-Schiene setzen, verharren Verkäufer von Gebrauchtmaschinen in der analogen Welt. Es gebe zwar in jeder Industrie Kleinanzeigenportale, die seit Jahrzehnten etabliert seien. Aber an internationaler Sichtbarkeit mangle es nach wie vor. „Dieser Markt denkt nur langsam um“, präzisiert Koch, der den Offlinemarkt daher als größten Wettbewerber bezeichnet. „70 Prozent des Marketingbudgets gehen immer noch in Offline-Werbung in Magazine, auf Messen und so weiter“, beschreibt er. Für die Online-Verweigerer prognostiziert Koch keine rosige Zukunft: „Wer sich nicht bewegt, wird verlieren.“ Bis zu 4.000 professionelle Händler und Auktionatoren sind derzeit auf der Plattform, die in Westeuropa und den USA rund zehn Prozent des Abgebermarktes abdeckt, vertreten. „Unser Ziel sind alle“, erklärt Koch. Ein hoch gestecktes Ziel: Immerhin seien unter „alle“ rund 20.000 bis 30.000 Händler zu verstehen.
Lebenslauf von Gebrauchtmaschinen
Erst letztes Jahr wagte auch Orderfox den Schritt in den Gebrauchtmaschinenmarkt und etablierte eine Online-Börse. Die größte Herausforderung in diesem Markt sieht Schuler neben Gewährleistung und Garantie bei der Qualität und Historie der Maschinen. „Würde es eine Art Lebenslauf von Gebrauchtmaschinen geben, könnte man ihr zukünftiges Leben besser organisieren“, so Schuler. Ein Problem, das Gerald Schatz, CEO des Linz Center of Mechatronics (LCM) sehr wohl bekannt ist. Oft seien Prozessoren zu alt, Sensoren müssen nachgerüstet werden. „Damit steigen Fehleranfälligkeit und Servicekosten“, so Schatz. Hersteller begegnen diesen Herausforderungen zwar mittels Fernwartung. „Aber es wäre toll, wenn das auch herstellerunabhängig möglich wäre“, ergänzt Koch.
Das Löschen der Datenhistorie
Eines sei noch ins Feld zu führen: „Die Datensicherheit ist eine massive Hemmschwelle für den Verkauf von Maschinen“, so Schatz. Zwar werden auf Steuerungsebene sämtliche Daten der Maschine zuvor gelöscht. Da diese jedoch häufig stufenweise neu programmiert werden, besteht die Gefahr, dass angesichts dieses „Fleckerlteppichs“ produkt- und maschinenspezifische Daten in fremde Hände kommen. Hinzukommt, dass Käufer dank Industrie 4.0 mit Problemen bei der Vernetzung zu kämpfen haben. „Es ist wichtig, dass die Sprache der Maschinen einheitlich wird. So können auch gebrauchte Maschinen leichter eingebunden, um- und aufgerüstet werden“, erklärt Koch.
Algorithmus zur Datenstrukturierung
Die Berliner Gebrauchtmaschinenpioniere haben übrigens heuer noch einiges vor: Mit einer erweiterten Strukturierung von Maschinendaten soll Käufern die Suche nach der passenden Maschine weiter erleichtert werden. Ein Algorithmus soll aus unstrukturierten Daten der Abgeber Attribute schaffen, die dann in die jeweiligen Filter integriert werden. „So können User künftig nach einem Bagger suchen, der mindestens 5,5 Tonnen heben kann, aber nicht breiter als drei Meter ist “, beschreibt Koch, dessen Plattform durchschnittlich zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Maschinen im Angebot hat. Ende Juli wird diese Verbesserung erstmals für Gabelstapler verfügbar sein. Ende des Jahres dann für sämtliche Kategorien.