Macromelt-Werkstoffe : Kein Verdruss mit Verguss

Macromelt
© Henkel

Immer mehr und komplexere Elektronik wird in immer kleinere Bauteile gepackt. Umso wichtiger wird es, die Komponenten und Baugruppen vor widrigen Umwelteinflüssen zu schützen, um einen möglichst langen und störungsfreien Betrieb zu gewährleisten. Damit der Schutz in der industriellen Serienfertigung zuverlässig und kostengünstig aufgebracht werden kann, bedarf es eines hohen Automatisierungsgrades und des jeweils bestgeeigneten Verfahrens. Da kommen vor allem das Beschichten – in der Regel Dünn- oder Dickfilmlackieren – und das Vergießen in Frage.

Beschichten oder Vergießen.

Beschichtet oder vergossen wird naturgemäß mit jenem Material, das für den konkreten Fall am besten geeignet ist: Leicht zu verarbeiten soll es sein, elastisch und beständig gegenüber mechanischen und thermischen Einwirkungen. Zu berücksichtigen sind dabei auch die jeweils relevanten Sicherheitsnormen. Gängige Beschichtungsmaterialien sind Acrylatharzlacke, Epoxidharzlacke, Silikone und Polyurethan.

Für den Verguss stehen Materialien wie Polyurethan und Epoxidharze zur Verfügung, die aufgewärmt werden müssen, ehe sie als Zwei-Komponenten-Verguss in eine Form oder direkt in ein Gehäuse gegossen werden. Diese Materialien werden allerdings nach dem Aushärten spröde und lassen sich bei Reparaturen nicht ohne Beschädigung von der Elektronik trennen. Beim 2K-Vergießen mit Silikonmaterialien muss die Vergussmasse hingegen nicht vorgewärmt werden. Sie bleibt in der Regel auch nach der Trocknung flexibel. Somit lässt sie sich also noch von der Elektronik trennen.

Hotmelt Moulding.

Hotmelt Moulding, ein umweltfreundliches Niederdruckspritzguss-Verfahren mit Schmelzklebstoffen (einkomponentigen Werkstoffen auf Basis nachwachsender Rohstoffe), füllt die Lücke zwischen Kunststoffspritzguss und dem2-K-Verguss – und hat gegenüber beiden Verfahren Vorteile: Durch den vergleichsweise niedrigen Druck (5-40 bar) kann schonender gearbeitet werden als im klassischen Spritzguss, bei dem der Druck in der Regel um den Faktor 20 bis 25 höher liegt. Somit können auch empfindliche Bauteile wie Leiterplatten direkt umspritzt werden.

Im Vergleich zum 2-K-Verguss überzeugt Hotmeld Moulding dank kurzer Kühlzeiten vor allem durch wesentlich geringere Zykluszeiten, in der Regel zwischen 10 bis 50 Sekunden; die umgossenen Teile kann also rasch weiterverarbeitet werden. Außerdem ist beim Hotmelt Moulding kein separates Gehäuse nötig, weshalb die Fertigungskosten trotz des teureren Schmelzklebstoffes vielfach gesenkt werden können.

Macromelt Moulding.

Um Schmelzklebestoffe auf Polyamid-Basis handelt es sich auch bei den Macromelt-Werkstoffen von Henkel, die extremen Bedingungen standhalten: Der im Vorjahr vorgestellte Schmelzklebstoff Macromelt Q 5361 ist etwa äußerst schwer entflammbar und verlöscht nach spätestens zehn Sekunden von selbst. Auch das Nachglimmen bei einem Brand dauert nicht länger als 30 Sekunden. Der Werkstoff eignet sich daher für das Abdichten von Kabelbäumen in Fahrzeugen sowie für Solar- oder Windkraftanlagen.

Extrem temperaturtolerant ist der Macromelt OM 671: Er bleibt auch unter minus 50 Grad Celsius flexibel und wird erst über 190 Grad Celsius weich, eignet sich daher etwa zur Herstellung großer Stecker für Winterdienstfahrzeuge oder Landmaschinen, die extremen Temperaturschwankungen ausgesetzt sind.

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Hydrolyse- und temperaturbeständig.

Macromelt OM 653 ist besonders hydrolysebeständig, d.h. widerstandsfähig gegen Wasser und Feuchtigkeit. Während Polyamide üblicherweise in feuchter Umgebung irreversibel mechanisch abbauen, gewinnt OM 653 im Zuge der Trocknung seine ursprüngliche Stabilität und Zugfestigkeit zurück. Es ist daher für Stellen geeignet, die häufig mit Spritz- oder Regenwasser in Kontakt kommen.

Der Schmelzklebstoff MM6208 kommt, dank seinem hohen Relativen Temperaturindex von 95 Grad Celsius, in der Automobil-, Konsumgüter- und Elektrogerätebranche zum Einsatz, wo eine gute Temperaturbeständigkeit erfordern. „Montageexperten mit strengen Anforderungen an die Temperaturbeständigkeit sind jetzt nicht mehr darauf angewiesen, die oft umständlichen und zeitraubenden Vergussverfahren zum Schutz der Bauteile anzuwenden“, erklärt Art Ackerman, Produktverantwortlicher im Bereich Luftfahrt bei Henkel. Der Relative Temperaturindex garantiert, dass ein Isoliermaterial unter chemischer, mechanischer oder elektrischer Belastung während der Nutzungsdauer des Bauteils keine thermische Zersetzung erfährt.

Modular mit Extruder.

Ebenfalls für Low-Pressure Moulding konzipiert sind die thermoplastischen Thermelt-Vergusswerkstoffe auf Basis von Polyamid oder Polyester, die von den automatisierten Anlagen des deutschen Unternehmens Werner Wirth verarbeitet werden. Mit Temperaturbeständigkeiten von minus 55 bis zu plus 180 Grad Celsius können sie auch durchaus mit den Macromelt-Werkstoffen mithalten.

Wirth-Anlagen, die in Österreich von der in Wien ansässigen Thonauer GmbH vertrieben werden, sind modular aufgebaut. So kann etwa eine Variante mit Extrudertechnik gewählt werden, wo ein Tankgerät nicht ausreicht, denn damit können unterschiedlichste Werkstoffe verarbeitet werden, und zwar mittels gezieltem Melt-on-Demand, ohne unnötige Heizphasen.

Rentable Anlage.

Als Wirth-Partner vertreibt Thonauer auch die Beschichtungsanlagen des amerikanischen Herstellers PVA, auch auf dem osteuropäischen Markt. Bei der Firma D.M.T.Z. Kft im ungarischen Esztergom, wo derzeit rund 40 Mitarbeiter in der Leiterplattenbestückung tätig sind, ergab sich durch den Ausbau der Produktion zur Vollmontage der Bedarf nach effektivem Komponentenschutz. Mittlerweile ist dort eine von Thonauer gelieferte selektive Lackieranlage PVA 650 im Einsatz. Davor wurde Lack-Aerosol manuell mit Sprühpistolen aufgetragen, was nicht nur ungleichmäßigen Materialauftrag zur Folge hatte, sondern auch Probleme bei der Absaugung des Lackdampfes, Verschmutzungen und häufiges Reinigen. Vor allem aber kosteten die teils komplexen Anforderungen des Abdeckens von Bauteilen Zeit und Geld.

Aktuell werden unter anderem Leiterplatten mit einer Größe von 115 x 170 mm beidseitig selektiv beschichtet. Während die PVA 650 um die 2,7 Liter Beschichtungsmaterial verbraucht, waren es manuell 5 Liter. Zusammen mit der Zeitersparnis von 55 Prozent heißt das, dass D.M.T.Z. allein mit diesem Produkt 25.000 Euro erwirtschaftet, wodurch sich die Investition in etwa drei Jahren rechnen wird. Albert Schuch