Messevorschau : HMI 2013: Was steckt drin?

Eine Riesenblamage. Die erwarteten einige, als China seinen Auftritt als Partnerland der HMI 2012 in Angriff nahm. Da wird Chinas Herstellerverbund mit ausgestellter Billigtechnik furchtbar auf die Nase fallen, kicherte manch einer in sich hinein. Und hoffte auf eine möglichst sichtbare Technologiediskrepanz zwischen West und Ost. Im Fettnapf landeten dann freilich die Zweifler.
Denn Chinas Hersteller fielen in Hannover im Vorjahr technologisch nicht ab. Sie legten die Messlatte für renommierte Hersteller aus Europa sogar höher. Die Volksrepublik habe sich als Wettbewerber „auf Augenhöhe“ erwiesen, bilanzierte auch Wolfram von Fritsch, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Messe, einigermaßen überwältigt. Folgerichtig lautet das Credo der heurigen HMI, eine deutliche Reaktion auf Chinas Gipfelstürmerei zu zeigen: Die Industrie soll sich „fit für den globalen Wettbewerb“ machen, kündigt Jochen Köckler, Vorstandsmitglied der Deutschen Messe, so etwas wie eine Konteroffensive an. Integration, wo’s nur geht Fast 200.000 Besucher aus 90 Ländern, über 90 Prozent Fachbesucher, fünf Millionen Geschäftskontakte in fünf Tagen: Im Vorjahr wird die Messe auch den Hannoveraner Chefstatistikern ein Schmunzeln aufs Gesicht gezaubert haben. Deutsche-Messe-Vorstand von Fritsch war sowieso auf Wolke sieben: „Es stimmte diesmal einfach alles“, war ihm zu entlocken.
Für 2013, für das neuerlich ein starker Verlauf erwartet wird, gibt er sich vorsichtig optimistisch: „Der Anmeldestand deutet darauf hin, dass das Messegelände voll belegt sein wird“, sagt er. Erwartet werden also wieder mehr als 6000 Unternehmen aus – man denkt global – 60 Ländern. Das diesjährige Leitthema „Integrierte Industrie“ ist klug gewählt: Die Vernetzung in der Industrie schreitet voran. „Die Verbindung von Automatisierungstechnik mit intelligenter Software reduziert Markteinführungszeiten bereits heute um die Hälfte“, heißt es dazu beim Industrieelektronikanbieter Siemens, der das Thema im Konzern auch unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ schön anschiebt. Bald schon könnten, so heißt es beim HMI-Vorstand, intelligente Werkstücke den Maschinen mitteilen, wie sie bearbeitet werden sollen. Oder Wartungszyklen selber eingeleitet werden.
Die Kommunikation aller beteiligten Systeme werde zum „Produktionsturbo“, sagt HMI-Vorstand Jochen Köckler. Dabei sind Allianzen, die Branchengrenzen ignorieren, gefragt. Wie das geht, machen die Forschungsinstitute vor. Upper Austrian Research, Leitgesellschaft für die außeruniversitäre Forschung, präsentiert auf der HMI die ganze Forschungskompetenz ihrer neun Beteiligungsgesellschaften. Darunter das Linz Center of Mechatronics – im Vorjahr mit dem schnellsten Digitalventil als einziges ausländisches Unternehmen für die Top 5 beim Hermes Award nominiert. Elf Leitmessen Wie schon bisher macht’s die Hannover Messe auch gern bombastisch: 2013 wird sie elf Leitmessen an einem Ort vereinen – darunter Technologietreffs für industrielle Automation, Energie und Mobilität. Nur die Maschinenbauer gehen lieber auf die EMO. Mit der (Beinah-)Allmacht in den Hannoveraner Hallen ist das Leitthema der Deutschen auf die Probe gestellt – wer wagt sich in „fremdelnde“ Messehallen, wie synergiefähig ist die Industrie wirklich? Und wie wird das Partnerland Russland angenommen?
Eckhard Cordes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, plagen keine Sorgen: „Russland kommt zum idealen Zeitpunkt“, sagt er. Zwar sei auch für Russland eine Konjunkturabschwächung nicht auszuschließen. Positive Effekte auf den deutschen (und österreichischen) Handel gebe es aber „durch den WTO-Beitritt Russlands“, so Cordes. Russland wolle in „neue Produktionsanlagen, Energiewirtschaft und Infrastruktur“ investieren. Investitionsplattform Wer also nach Kooperationsmöglichkeiten im Ausland sucht, der wird auf der HMI sanft an der Hand genommen: Mit einer eigens geschaffenen Plattform („Global Business & Markets“) bietet sich eine „ideale Möglichkeit des Dialogs“, so Oliver Frese, Geschäftsbereichsleiter der Deutschen Messe. Mit 4500 Quadratmetern Stellfläche weiß sie sich von anderen Veranstaltungen abzusetzen. An besonders investitionsfreudiges Publikum richtet sich dagegen die Investment Lounge. Finanzexperten und Wirtschaftsförderer informieren dort, wo Betriebe ihr sauer verdientes Geld am besten anlegen sollten. Blamagefrei. Lesen Sie weiter: Das sagen die Besucher!
Norman Eisenköck, Department Manager ME AMST-Systemtechnik, freut sich auf alte und neue Gesichter. Was steht bei Ihnen heuer am Programm?Norman Eisenköck: Freunde besuchen bei Robotern und Antrieben. Neuigkeiten einholen bei Energie und Urban Solutions. Auf welche Technologie sind Sie besonders gespannt?Eisenköck: Mobile Batterien, Nabenantriebe, Leichtbaumaterialien, weil ich es für meine Projekte brauche. Und aus persönlichem Interesse?Eisenköck: Windenergie, urbane Zukunft. Worüber haben Sie sich auf der HMI einmal so richtig gewundert?Eisenköck: Immer wieder über die aufwändigen Stände und die vielen Menschen. Bis zur Unerträglichkeit geht die Lärm- und Lichtreizbelastung. Wie halten Sie sich auf der HMI richtig fit?Eisenköck: Gute Frage, denn gemütliche Cafés oder Restaurants sucht man vergeblich. Regelmäßige Frischluftpausen und gutes Schuhwerk! Werner Kappelmüller, Leiter mechanische Produktentwicklung Engel Austria, wird sämtliche Zulieferhallen durchforsten – und dank Direkt-Charterflug frisch bleiben. Wo schauen Sie heuer sicher hin?Werner Kappelmüller: Sämtliche Hallen der Zulieferindustrie. Und die Forschungshalle mit den Unis. Wo schauen Sie nicht hin?Kappelmüller: MobiliTec, Wind, Digital Factory, Energie eher nicht. Kein Bedarf. Auf welche Technologie sind Sie besonders gespannt?Kappelmüller: Antriebe, Werkstoffe mit ganz speziellen Eigenschaften. Worüber haben Sie sich auf der HMI einmal so richtig gewundert?Kappelmüller: Über die Möglichkeiten der Bionik. Wie vermeiden Sie, dass daheim Arbeit liegen bleibt?Kappelmüller: Mit dem Direkt-Charterflug von Linz ist ein Tag leicht zu verkraften. Günter Rübig, Geschäftsführer Rübig und Obmann der Sparte Industrie der WK OÖ, besucht die oberösterreichische Ausstellerschar und macht um die Elektromobilitäts-Halle einen Bogen. Wo schauen Sie sicher hin?Günter Rübig: In meiner Funktion als Obmann besuche ich jedes Jahr die oberösterreichischen Aussteller. Wichtig für mich ist auch, aus erster Hand zu erfahren, wie es läuft und wie die Stimmung ist. Wo schauen Sie eher nicht hin?Rübig: Die HMI hat auch eine eigene Halle zur e-mobility. Für mich ist das Thema noch zu weit weg – zu viele Fragen sind noch ungelöst. Auf welche Technologie sind Sie besonders gespannt?Rübig: Vom Bereich „Digitale Fabrik“ ist die produktionsorientierte Industrie besonders betroffen. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema ist entscheidend. Worüber haben Sie sich auf der HMI einmal so richtig gewundert?Rübig: 2011 war es der „Smart Bird“ von Festo – eine künstliche Möwe, die (fast) wie die echte flog. Eine Meisterleistung an Ingenieurskunst. Für Sie als Ingenieur geht der Puls bei so viel Technik vermutlich überhaupt härter?Rübig: Ja, hier gibt es immer etwas zu ergründen.Lesen Sie weiter: Das sagen die Aussteller!
Markus Dibold, Senior Researcher LCM (Gemeinschaftsstand mit Upper Austrian Research in Halle 2, A55), schätzt die lockere Stimmung unter den Ausstellern. Wo schauen Sie heuer sicher hin?Markus Dibold: Absolutes Muss: Jene Halle, in der die Hauptstände von Siemens, ABB und Co sind. Standgröße und Aufmachung lassen direkte Rückschlüsse auf die Wirtschaftslage zu. Und die Energie-Leitmesse. Sie steht mit Research & Technology, wo LCM ausstellt, in starkem Zusammenhang. Wer ist auf Ihrem Stand eher nicht willkommen?Dibold: Es darf jeder kommen. Aber „Giveaway“-Hamster sind anstrengend. Die Methoden, um Kugelschreiber oder Süßigkeiten zu erhamstern, werden immer unverfrorener. Bis hin zu Beschwerden, wenn die Schüsselchen leer sind. Wann kommen Sie an Messetagen ins Bett?Dibold: Zeitig nach Messeschluss. Dann gibt es noch ein gemütliches Abendessen mit einem guten Glas Wein und anschließend geht es ab ins Bett. Ein Tag in der Messehalle macht richtig müde. Was hält Sie auf der HMI fit?Dibold: Diskussionen und Scherze zwischen den Ausstellern. Das lockert die Stimmung im Allgemeinen und erleichtert die Arbeit so ab 15.00 Uhr, wenn die Beine besonders schwer werden. Wie vermeiden Sie Zank am Gemeinschaftsstand?Dibold: Während EINER Messewoche gibt es noch keinen Lagerkoller. Läuft die Messe gut, bleibt auch keine Zeit zum Streiten. Außerdem zieht man sich ja spätestens nach dem Abendessen zurück und hat Zeit, sich wieder zu sammeln. Janet Mo, Marketing NKE Austria (Halle 22, Stand B39), kennt in Hannover nur die Messehalle und stößt sich an den Standgebühren. Wann kommen Sie an Messetagen ins Bett?Janet Mo: Circa um Mitternacht – auch wenn die Münchner Halle sehr „lustig“ ist, muss man für den nächsten Messetag ein wenig Energie tanken. Worüber konnten Sie auf der HMI schon einmal herzhaft lachen?Mo: Wahrscheinlich beim Abendessen ... Was hat Hannover neben der Messe zu bieten?Mo: Ich weiß nicht. Ich war schon sechsmal auf der HMI, aber noch nie in der Stadt ... Mit vielen Visitkarten treten Sie die Reise an?Mo: Circa 50. Heutzutage tauscht man Visitkarten fast nur mehr virtuell. Wenn Sie für einen Tag die Messeleitung wären, was würden Sie ändern?Mo: Die Kosten für Aussteller erheblich senken. Ronald Naderer, Geschäftsführer FerRobotics (Halle 17, Stand F02), begeistert das Rahmenprogramm und wünscht sich mehr Mut bei der Vergabe des Messeawards. Wo schauen Sie heuer sicher hin?Ronald Naderer: Das absolute „Must“ auf der HMI ist die Night of Innovation in Halle 2. Dort werden die spannendsten Neuheiten präsentiert und treffen Sie hochkarätige Gesprächspartner. Das Rahmenprogramm kann sich wirklich sehen lassen. Wo bleiben Sie fern?Naderer: In der Zulieferhalle wird man uns nur sehen, wenn wirklich viel Zeit bleibt. Wir haben unsere Lieferantenauswahl bereits sehr sorgfältig getroffen. Worüber können Sie auf der HMI herzhaft lachen?Naderer: Das Schöne am Messebetrieb ist die gute Nachbarschaft. Mitbewerber befinden sich gleich nebenan. Taucht wo ein Problem auf, hilft man sich amikal. Oder hat ein Standnachbar eine gar zu lärmende Demo aufgebaut, lacht man gerne zusammen in angenehmer Entfernung. Es sind diese menschlichen Kontakte, die die Messewoche bereichern. Wie kundschaften Sie Mitbewerber aus?Naderer: Es ist jedes Jahr wieder spannend, die Stände zu durchstreifen. Wir spüren eine immer größer werdende strategische Offenheit. Wenn Sie für einen Tag die Messeleitung wären, was würden Sie ändern?Naderer: In einem Punkt könnte uns die Messe überraschen: Wenn der Messeaward tendenziell stärker ins Ausland gehen würde. Erwin Raffeiner, Geschäftsführer Sprecher Automation (Halle 11, Stand C31), wünscht sich mehr Ordnung in den Messehallen und schätzt Hannover als Wilhelm-Busch-Freund. Worüber konnten Sie auf der HMI schon einmal herzhaft lachen?Erwin Raffeiner: Als bei einer der letzten Messen ein sehr betagter, aber durchwegs aktiver und vor allem betuchter Herr aus einem fernen Land bei uns am Messestand auftauchte und uns mitteilte, dass er unsere Firma kaufen will. Wo schauen Sie heuer nicht hin?Raffeiner: Zu Selbstbeweihräucherungsveranstaltungen verschiedener Organisationen. Wenn Sie für einen Tag die Messeleitung wären, was würden Sie ändern?Raffeiner: Ich würde die trotz Produktsegmentierung noch bestehende Unaufgeräumtheit und Unübersichtlichkeit in verschiedenen Bereichen (etwa Energietechnik) raschest abstellen. Wann kommen Sie an Messetagen ins Bett?Raffeiner: Aufgrund der elektronischen Medien und der Einsparungen haben sich viele Messebesuche zum Eintagesbesuch reduziert. Diese Tatsache und die Compliance-Richtlinien haben die „Bettgehzeit“ von früher durchschnittlich circa zwei Uhr um ca. drei bis vier Stunden „verbessert“. Warum bleiben Sie daheim, Herr Pichler?Andreas Pichler, Geschäftsführer Profactor, stößt sich an der Oberflächlichkeit der Messe – und den Kosten. Zum wiederholten Male sind Sie heuer nicht in Hannover.Andreas Pichler: Uns stört der breite Bauchladen, es ist keine echte Fokussierung erkennbar. Aber es sind doch praktisch alle namhaften Roboterbauer präsent?Pichler: Aber sie zeigen in Hannover kaum Neues. Die eigens für Forscher reservierte F&E-Halle lockt Sie auch nicht?Pichler: Das ist uns zu sehr der „Happy-Research-Ansatz“ – also Themen, die mitunter viele Jahre vom Praxiseinsatz entfernt sind. Wir sind näher an der Umsetzung dran. Die happigen Stand- oder Ticketkosten waren nie ein Argument?Pichler: Die Zimmerpreise von weit über 200 Euro pro Nacht machen uns die Entscheidung natürlich leichter. Welches Thema würde Sie reizen?Pichler: Der Fokus auf die erneuerbaren Energiequellen.