Automation : Hetwin: Tiroler entwickelt Roboter für den Stallbetrieb
Ganz langsam fährt „Aramis“ durch den Stall. Als die Maschine ganz knapp an den Köpfen der Kühe vorbeifährt, scheint es diese nicht zu stören. Sie haben sich längst an den vollautomatischen Fütterungsroboter des Tiroler Unternehmens Hetwin gewöhnt. Ein Roboter im Stall? Geht dadurch nicht der persönliche Bezug zu den Tieren verloren? Eine Frage, die Firmengründer Josef Hetzenauer öfters gestellt bekommt. Doch er winkt ab: „Unsere Produkte erleichtern den Landwirten die körperliche Arbeit und ermöglichen ihnen, den Betrieb im Vollerwerb zu führen.“ Fakt sei, dass die Milchpreise in den letzten 20 Jahren auf gleich niedrigem Niveau bleiben. „Landwirte waren also gezwungen ihre Betriebe zu vergrößern, die Produktion zu erhöhen, um überleben zu können“, so Hetzenauer. Personal auf den Höfen sei aber viel zu teuer. Ein Grund warum viele Landwirte ihren Betrieb auf Nebenerwerb umgestellt haben. Sie gehen arbeiten und machen die landwirtschaftliche Arbeit in ihrer Freizeit. Und genau da erkannte Hetzenauer eine lukrative Nische: Warum das was für die Industrie funktioniert, nicht auch für den Stallbetrieb nützen? 2004 gründete er sein Unternehmen Hetwin Automation Systems. Heute sind seine Roboter in 16 Ländern im Einsatz.
Marke Eigenbau aus Tirol
Dass Hetzenauer die Probleme der Landwirte so gut kennt, kommt nicht von ungefähr. Seine Eltern sind Bauern und so kennt er die Herausforderungen der Landwirtschaft von Kindesalter an. Und diese Herausforderungen weckten schließlich seinen erfinderischen Geist: Kurz nachdem er die Maschinenbau-Lehre und die Metalltechnik-Meisterprüfung abgeschlossen hatte, begann er vor gut 16 Jahren damit, einen Roboter für den elterlichen Betrieb zu „basteln“, „um die Ausgleichsfütterung mit Kraftfutter präziser ablaufen zu lassen“, erklärt er. Was damals noch ein sehr einfacher Roboter war, bildet heute die Grundlage für die neuen Modelle. Partner hatte er dabei keine, „ich wollte einfach versuchen, etwas Neues zu bauen“, so Hetzenauer. Andere Landwirte waren von seinem Prototypen so begeistert, dass sie den Tiroler Jungunternehmer baten auch welche für ihre Stallungen zu bauen. „Das war die Motivation und Idee einer Firmengründung im Jahr 2004“, so Hetzenauer. Die Marke Eigenbau hält der Tiroler hoch: „Die gesamte Entwicklung – vom Maschinenbau über die Herstellung der Platinen bis zur Software wird von uns selbst gemacht“, so Hetzenauer.
Fernwartung via App
Heute erledigt die neueste Version von Aramis fünf Arbeitsgänge – von Einwiegen über Schneiden, Mischen und Dosieren bis hin zum Anschieben des Futters. Was einfach klingt, ist mit High-Tech pur. Entscheidend ist das lückenlose Zusammenspiel vom Futterlager bis zum Futtertisch und dafür sind allerlei Sensoren und Software nötig. Auch Spezialaufgaben beherrscht Aramis. So funktioniert die Kraftfutterzuteilung beispielsweise über eine Box, bei der die Kuh über einen RFID-Ohrchip erkannt wird. Übrigens: Die Fernwartung via App gehört bei den meisten Hetwin-Robotern zur Standardausführung. Bei Fehlern oder einer nötigen Wartung wird der Landwirt per SMS alarmiert.
Apollo, ein Roboter für die Drecksarbeit
Sein neuestes Produkt ist ein Spaltenroboter, der sozusagen die „Drecksarbeit“ im Stall übernimmt: „Apollo“ zieht seine Runden durch den Stall und sorgt dafür, dass die Spalten von den Fäkalien der Tiere gereinigt werden. „Ein sauberer Laufgang ist wichtig für das Wohlbefinden der Tiere. Es werden Klauenprobleme verhindert und die Euter und Schwänze bleiben sauber“, so Hetzenauer. Ausgestattet und „fast lautlos“, wie Hetzenauer sagt, fährt der 40 Zentimeter hohe Roboter mit Akkuantrieb und einer Geschwindigkeit zwischen vier und 20 Metern pro Minute durch den Stall. Die Route berechnet er dabei selbst. Entscheidend ist, dass er jeden Fleck im Stall mehrmals täglich reinigt, erklärt der Tiroler. Das gelingt mittels Sensorik, wobei die Routenplanung am PC programmiert werden kann.
Roboter sorgen für mehr Freiraum
„Insgesamt bringen die Roboter mehr Effizienz in die Stallungen.“ Josef Hetzenauer glaubt fest an seine Idee. Die Landwirte hätten mehr Milch, wenn die Tiere ständig frisches Futter zur Verfügung haben. „Außerdem spart sich der Bauer viel Zeit und Energiekosten“, so Hetzenauer. Auch den Tieren gehe es besser. Der automatische Einstreuroboter „Astor“ versorgt sie beispielsweise laufend mit frischem Stroh und die „Feinregen-Rinderdusche“ klingt sowieso nach Wellness pur. Doch auch sie hat einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund: Weniger Hitze im Stall führt zu mehr Ertrag. Milchkühe würden unter hohen Temperaturen leiden, was besonders auf Hochleistungstiere zutrifft. „Wenn die Wärme nicht mehr an die Umgebungsluft abgegeben werden kann, sind ein Zellzahlanstieg in der Milch, geringere Milchinhaltsstoffe, Abnahme der Milchleistung bis hin zu Fruchtbarkeitsstörungen möglich“, erklärt Hetzenauer.
Mit seinen Produkten will der Tiroler dazu beitragen, die Lebensqualität auf den Bauernhöfen zu verbessern – und so auch einen Beitrag für eine gelungene Hofnachfolge leisten. „Wenn die junge Generation sieht, dass die Eltern nur arbeiten, kann man diese auch nicht mehr motivieren die Landwirtschaft zu übernehmen.“ Roboter bringen wieder Freiraum in die Betriebe.