Diskussion : Forum Alpbach: Österreich und sein digitales Zögern
Wie führen Staat und Firmen erfolgreich durch die digitale Transformation? Wie sollen Länder und Firmen auf die digitalen Umbrüche reagieren und welche Leaderships sind gefragt? Diese Frage hat sich am Mittwoch beim Forum Alpbach ein hochkarätig besetztes Podium im Rahmen einer Diskussion gestellt. Klar wurde, dass alle Teilnehmer Österreich in der Digitalisierung nur durchschnittlich einschätzen. Mit dabei waren Strabag-Chef Thomas Birtel, Microsoft-Österreich-Chefin Dorothee Ritz, die Wirtschaftsberaterin von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Antonella Mei-Pochtler, und Martin Atassi vom ÖVP-geführten Wirtschaftsministerium.
Digitalisierung für 'Millenial Kurz' Chefsache
"Das Thema digitale Transformation ist bei uns absolute Chefsache", rührte Mei-Pochtler für den "Millennial" Bundeskanzler Kurz und die Bundesregierung die Werbetrommel. Die digitale Transformation sei "ein kontinuierlicher Prozess der Anpassung". Man sehe, dass sich einige Unternehmen schwer täten sich zu transformieren, zum Teil "viel mehr als Länder". Allzu oft werde hinter der Technologie hergelaufen. De facto habe sich auch die "Unternehmensmortalität" verdoppelt. Die Frage, was Österreichs Regierung machen könne, sei nicht nur der Appell, digitalisiert euch - es gehe um "Enablement" (Ermöglichung/Aktivierung), das eine ganz starke Bildungskomponente habe. Zweitens gehe es um intelligente Infrastruktur ("Facilitation") für Unternehmen, Schulen, Institutionen. So könnten Barrieren reduziert werden. Zudem sollte die Verwaltung eine Vorbildfunktion einnehmen und als erste und nicht als letzte in die Cloud gehen ("E-Procurement"). Auch "Real-Time-Politics", um in Echtzeit auf Themen oder Krisen zu reagieren, werde versucht, so die Kurz-Beraterin. Vorbilder seien etwa Estland, Schweden, Kanada.
Microsoft: Österreich hat Angst vor der Digitalisierung
"Fast alle haben kapiert, dass die Digitalisierung ein echter Paradigmenwechsel ist", sagte Ritz. Es gehe darum, alle Rahmenbedingungen trotz aller Herausforderungen für Private, Gesellschaft, Firmen und Staaten Richtung Erfolg zu stellen. "Österreich hinkt hinterher. Einer der Gründe ist, dass hier mehr Angst vor der Digitalisierung herrscht", kritisierte die Microsoft-Chefin. Es herrsche tendenziell eine "Bewahrer-Denke". 60 Prozent der Firmen hätten keine klare Digitalisierungsstrategie. Viele, die eine Strategie hätten, hätten diese nur aus Einsparungsgründen, was auch nicht unbedingt innovativ sei. An Leadership brauche es in Unternehmen für die Digitalisierung viel, "weil man löst Silos auf, es muss sehr viel mehr bereichsübergreifend gearbeitet werden. Es ist unendlich schwer, alle mitzunehmen, alle hinzubringen".
Strabag: "Digitalisierungsschalter" kann nicht von heute auf morgen umgelegt werden
Birtel von der Strabag als Vertreter der "Old Economy", sagte, es sei eine große Herausforderung, eine Firma wie Österreichs größten Baukonzern in die Digitalisierung zu führen. "Wir haben eine klare Digitalagenda. Das zeigt, wie ernst wir das Thema nehmen." Der Schalter könne aber nicht von heute auf morgen umgelegt werden. "Der Prozess dauert wahrscheinlich mehr als ein Jahrzehnt." "Nicht jeder Oberbauleiter begreift Digitalisierung als erfreuliche Herausforderung, mancher sieht sie auch wirklich als Bedrohung und ist trotzdem ein guter Baumann." Im Kern stünden weiter analoge, reale Bauprojekte an erster Stelle. Natürlich gebe es Ideen, neue digitale Produkte anzubieten. "Strabag wird auch morgen und übermorgen eine Baufirma sein. Es geht um die Prozesse wie wir zum fertigen Bauprojekt kommen." Ein wichtiger Punkt in der Weiterentwicklung sei beispielsweise die vernetzte Baustelle. Das Berufsbild "Building- and Informationmanager" (BIM) sei seit kurzem neu in der Strabag, erläuterte Birtel. Im Vergleich von Staaten sagte Birtel, auch in Richtung von Regierungsberaterin Mei-Pochtler, dass sich Österreich noch "vornehm zurückhält".
Digitalisierungsministerin Schramböck: Österreichs versteckte Talente
Atassi vom Wirtschaftsministerium von Margarete Schramböck (ÖVP) erläuterte die Schwerpunkte des Ministeriums. Die zehn häufigsten Behördengänge würden digitalisiert. "Wir bauen den digitalen Staat." Bürger müssten mitgenommen werden. Digitale Transformation in der Verwaltung bringe hierzulande zusätzlich zur Plattform help.gv.at die Plattform oesterreich.gv.at. Außerdem sei Österreich nicht so durchschnittlich wie es oft dargestellt werde. "Wir sind gut. Nur sind die Services zum Teil manchmal noch versteckt und zum Teil noch nicht so benutzerfreundlich." Um innerhalb des Ministeriums immer in der Kommunikation im Sinne einer Weiterentwicklung zu bleiben, seien dort übrigens alle per Du "mit der Margarete aus Tirol", also Wirtschaftsministerin Schramböck. "Wir haben noch ein gutes Stück Arbeit."
Nachzügler müssen mitgenommen werden
Erste-Vorstandsmitglied Willibald Cernko fragte als Hörer das gesamte Podium, was die Teilnehmer denn darüber denken, wie es mit Menschen weitergeht, die aufgrund einer schwachen Allgemeinbildung nicht mit der Digitalisierung mitkommen könnten. Es gebe dafür Pilotprojekte, die am Start seien, "um alle Menschen mitzunehmen", sagte Atassi. Die Investitionen von Partnerfirmen für Digitalbildungsprojekte würden vom Ministerium verdoppelt, sagte Atassi auf Nachfrage. Heuer sei vom Ministerium etwa eine Million Euro für solche Hilfestellungen vorgesehen. Auch Strabag-Chef Birtel sah (Fort-)Bildungsangebote als notwendig an.
Österreich spielt nur im Mittelfeld
Kurz-Beraterin Mei-Pochtler sagte, es gehe um ein inklusives Vorgehen bei der Digitalisierung. Es dürfe nicht nur die Spitze generiert werden, die die Unternehmen brauchten, sondern auch die Nachzügler müssten mitgenommen werden. Die Bildung müsse dorthin gebracht werden, dass sie die Vision einer digital fähigen Gesellschaft ermöglichen könne. Das fange in der Schule an. "Wir sind eindeutig Mittelfeld, wir wollen auf jeden Fall zur Spitze gehören. Die, die heute unter dem Thema leiden, müssen mitgenommen werden." Auch Microsoft-Chefin Ritz sagte, es brauche Inklusion in der Digitalisierung. Künstliche Intelligenz könne dabei sogar helfen - im extremeren Fall etwa wenn ein Analphabet mit einer Handy-App sprechen könne oder jemand einen Sprachassistenten für Übersetzungen nutze, wenn er einer bestimmten Sprache nicht mächtig ist. "Das ist artifizielle Intelligenz von der Stange, die jeder nutzen kann", so die IT-Expertin. (APA)