XXL-Automation : Fischlham: Wie ein Formenbauer den größten Roboter der Welt zähmte
Hannes Stadler dachte schon immer in großen Dimensionen. Vor zehn Jahren kaufte der Geschäftsführer von Stadler Formenbau seine erste Maschine. Obwohl damals ein Bearbeitungszentrum mit Y 800 Millimeter völlig ausgereicht hätte, bestand Stadler auf die größte Variante am Markt. „So hat es wohl angefangen“, resümiert der Formenbauer heute seinen neuesten Kauf. Denn in der Halle der Fischlhamer, eine kleine Gemeinde in Oberösterreich, steht seit einem halben Jahr ein ganz besonderes Prachtstück. Der größte Roboter der Welt sorgt dort für eine erhöhte Maschinenauslastung. Mit der Größe eines Einfamilienhauses bedient der M-2000iA von Fanuc drei unterschiedliche Bearbeitungszentren. Ein Sonderprojekt, das wohl weltweit einzigartig ist und damit für gehörig Neid unter den Mitbewerbern sorgt.
Der größte Roboter der Welt steht in Fischlham.
Seinen Spitznamen „gelbes Ungetüm“ trägt der M-2000iA mit Recht. Mit 1.350 Kilogramm Traglast kann der 6-Achs-Roboter die schwersten Lasten bewegen. Sein Haupteinsatzgebiet findet der gelbe Riese des weltgrößten Industrieroboterherstellers in der Automobilindustrie. Umso erstaunlicher, dass er sich nun in der Halle dieser Fischlhamer befindet. „Ein Präzisionsbetrieb für Werkzeug- und Formenbau Losgröße 1 ist eigentlich untypisch für uns“, gibt auch Thomas Eder zu. Der Geschäftsführer von Fanuc Österreich findet aber gerade diesen ungewöhnlichen Bereich für die Automatisierung besonders spannend – ja sogar erfrischend. „Die Stadler-Zelle ist ein Unikat und gibt es so noch nirgends“, so Eder. Zustande gekommen ist dieses Projekt über ein „typisch österreichisches Kaffeeautomatengespräch“ – wie es der Fanuc-Chef nennt. Ganz in der Nähe der Formenbauer wurde vor einem Jahr eine kleine Anlage mit einem Fanuc-4-Achs-Roboter bei einem Formenbauer in Betrieb genommen. „Das habe ich mir angesehen“, so Stadler. Dort lernte er Dietmar Waizenauer von Nexus Automation kennen. Nexus war für die Integration des Roboters zuständig. Das Eis zwischen den beiden Männern war sofort gebrochen. Das „Kaffeeautomatengespräch“ in vollem Gange.
Die Stadler-Zelle ist einzigartig.
Weihnachten 2013 gab es dann das erste Projekttreffen zwischen Stadler und Waizenauer. Einen Monat später stand das Konzept. Stadlers Wunsch, das höchste Manipulationsgewicht am Markt zu erreichen, brachte Waizenauer auf den einzigen Roboter, der das kann: Das gelbe Ungetüm von Fanuc war damit beschlossene Sache. Hemmungen wegen der Größe gab es nie, denn für Stadler stellt ein Roboter nur ein weiteres Betriebsmittel dar. Geliefert wurde der M-2000iA dann im Februar 2014. „Ursprünglich war er für die Bedienung zweier Werkzeugmaschinen ausgelegt“, so Waizenauer. Doch Hannes Stadler ist ein investitionsfreudiger Mann und kaufte spontan ein drittes Bearbeitungszentrum dazu. Eine 5-Achs-Fräsmaschine von Alzmetall, wieder ein Riese unter seinen Genossen. Für den Nexus-Mann eine spontane Herausforderung. Es galt die dritte Maschine in das vorherige Konzept einzubauen.
Spontan drei Maschinen mit dem Roboter vereinen
„Es war eine Herausforderung, die zusätzliche Maschine in das Layout einzubinden“, gibt Waizenauer zu. Die Reichweite eines so großen Roboters sei begrenzt. „Wir konnten jedoch im Vorfeld mittels der Fanuc-Simulations-Software Roboguide den Ablauf darstellen und alle möglichen Kollisionen und Systemgrenzen erkennen und so die Anlage optimal auslegen“, so Waizenauer. Die größte Herausforderung bei der Stadler-Zelle: Die Mensch-Maschine-Schnittstelle. Es sei zwar über ein Beladesystem nachgedacht worden, „das hätte aber nur der Flexibilität geschadet“, so Waizenauer.
Und gerade das macht dieses Projekt so einzigartig. Denn jede Maschine kann immer noch autark bedient werden, während die anderen beiden vollautomatisch weiterarbeiten. Ein ausgeklügeltes Lichtschrankensystem und lediglich ein dünner Zaun dienen als Personenschutz. Warum es nicht mehr braucht, weiß der Nexus-Mann: „Der Roboter hat virtuelle Würfel als Sicherheitsschutz in seiner Programmierung, welche abhängig von der Betriebsart aktiviert und deaktiviert werden können. Kommt der Roboter einem dieser virtuellen Bereiche zu nahe, schaltet er sich sofort ab“ Das Dual Check Safety System von Fanuc, wo sich zwei parallele CPUs immer gegenseitig kontrollieren, sorgt nicht nur für die absolute Sicherheit der Mitarbeiter, sondern auch für die des gesamten Roboters.
Projektabwicklung in Rekordzeit
„Bei einem großen Betrieb wäre diese kurze Projektlaufzeit unmöglich“, weiß Fanuc-Geschäftsführer Eder aus Erfahrung. Dank der Flexibilität von Nexus Automation konnte die dritte Maschine ohne viel Verzögerung in die Stadler-Zelle integriert werden. Die Entscheidungsfreude der Fischlhamer war aber auch für Nexus-Mann Waizenauer etwas ungewohnt. Doch Stadler lacht: „Meine Mitarbeiter sind das schon gewohnt. Es kommt immer wieder etwas Neues.“ Immerhin eine Million Euro investiert der Formenbauer jedes Jahr. Und dieser Mut zur Investition lohnt sich auch. Im Falle des Fanuc-Roboters konnte die Maschinenauslastung um fast ein Drittel erhöht werden. Und das braucht Stadler auch, denn sonst könnte er nicht alle anstehenden Aufträge abwickeln. Was viele nicht wissen: Die Fischlhamer sind dick im Geschäft. Nicht nur Auto-Premiummarken wie Audi, BMW, Porsche und Mercedes zählen zu ihren Kunden, auch die Medizin-, Freizeit- und Verpackungsindustrie vertraut auf die innovativen Lohnfertiger. So bauten die Fischlhamer unter anderem die Formen für das Scheinwerfergehäuse des 3er BMW, aber auch die Form für die neueste Jagdwaffe aus dem Traditionshaus Steyr Mannlicher.
Schlüsselfertige Lösung.
Seit einem halben Jahr läuft der gelbe Riese nun schon ohne Zicken im Dreischichtbetrieb und sorgt dafür, dass die Mitarbeiter tagsüber voll ausgelastet sind. Wichtig für Stadler war vor allem die einfach Bedienung des Roboters. Und das hat Nexus mit Bravour in einem besonders einfachen User-Interface umgesetzt. Eine Besonderheit hat sich Waizenauer aber dann doch noch einfallen lassen: Mobile Störmeldungen. „Sollte es zu einer Störung im Betrieb kommen erhalten sowohl Stadler als auch weitere ausgewählte Personen eine Benachrichtigung via Mail auf das Mobiltelefon“, erklärt Waizenauer. Damit sind lange Stillstandszeiten quasi ausgeschlossen, da die installierte Fernwartung schnelle Reaktionszeiten erlaubt.
Dass die Stadler-Zelle unter Branchenkennern bereits um sich schlägt, merkt der Formenbauer vor allem bei Neukunden: „Viele fragen zuallererst nach unserem Automatisierungsgrad, bevor sie uns einen Auftrag erteilen“, so der Geschäftsführer. Wer nicht einen Mindestanteil automatisiert hat, wird sofort von der Liste gestrichen. Immerhin fünf der neun 5-Achs-Fräsmaschinen haben die Formenbauer bereits vollautomatisiert. Mit einem Automatisierungsgrad von über 50 Prozent blicken sie damit in eine gesicherte Zukunft.
Thomas Eder war lange genug in China tätig und weiß, was sich im Land des goldenen Drachen abspielt. „Wir sollten uns nicht mehr fragen, ob Betriebe automatisieren sollen, sondern wie“, mahnt der Fanuc-Geschäftsführer. China kaufe mittlerweile mehr Roboter als ganz Zentraleuropa. Umso wichtiger sind Vorreiter wie Hannes Stadler, die sich bewusst von der Masse abheben wollen und dadurch zu einer Blaupause für Industrie 4.0 und die Produktion der Zukunft in Österreich werden.