Visualisierung : Fiebermessen an der Maschine

Fiebermessen
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„Im Blindflug produziert wird auch leider heute noch.“ Kaum zu glauben, aber Johannes Stimpfl trifft sie immer wieder - Unternehmen die einfach nur produzieren. Der Geschäftsführer von Gamed, Gesellschaft für Angewandte Mathematik und EDV, hat es sich zur Aufgabe gemacht, vor allem den klassischen Anzeigetafeln mit Excel-Listen den Gar auszumachen. „Diese traditionellen Infostände mit Soll/Ist Vergleichen sind überholt“, so Stimpfl. „Sie sind überladen und meistens nicht am neuesten Stand.“ Erschlagen von der Zettelwirtschaft verstehen Mitarbeiter nicht den Inhalt der Daten. „Visualisierung am Arbeitsplatz ist ein wesentlicher Beitrag zur Produktivitätssteigerung und da sind diese klassischen Soll/Ist Anzeigetafeln einfach out.“ Der Siegeszug der Visualisierung hat schon längst begonnen. Unternehmen stehen diesem Thema offen gegenüber, doch so manch visuelle Lösung kommt aus dem Startloch noch nicht heraus. „Weniger als 10 Prozent der Unternehmen in Österreich setzten bereits auf solche Maßnahmen“, so Stimpfl. Ein Umstand dem nicht nur der Gamed-Chef den Kampf angesagt hat.

Der Klassiker: Andon Boards.

Die Andon Boards waren in den 50er und 60er Jahren die Vorreiter der Visualisierung. Die visuellen Kontroll-Einrichtungen in Form eines beleuchteten Displays gaben den Status des Produktionssystems bekannt. Sobald ein Fehler auftrat wurde ein Signal ausgelöst und die Mitarbeiter konnten die Anlage stoppen. Auch heute noch sind diese Klassiker im Einsatz und produktionsrelevante Informationen werden auf herkömmlichen Anzeigetafeln ausgegeben. Angelehnt daran hat Stimpfl nun eine Lösung auf den Markt gebracht, die auch für kleinere Betriebe schmackhaft ist. „Machine Eye“ ist eine mobile und konfigurierbare Visualisierung, die die Leistungsergebnisse und aktuellen Maschinenzustände in der Produktion zeigt. „In Echtzeit hat man damit jederzeit Zugriff auf den Zustand seiner Anlagen“, erklärt Stimpfl. Machine Eye Tracking wurde auf der neuesten Web-Technologie entwickelt und läuft auf verschiedenen Geräten wie LCD-Bildschirmen, Smartphones und Tablet-PCs. Der Clou dabei: Durch eine Kombination aus standardisierten Anzeigeelementen kann jede Maschine individuell abgebildet werden. „Auf einem Gerät können mehrere Maschinen gleichzeitig angezeigt werden und zyklisches Blättern zwischen den Maschinengruppen ist auch möglich“, so Stimpfl. Datentechnisch vollkommen offen visualisiert Machine Eye den Zustand jeder Maschine und ist damit sozusagen der Fiebermesser der Produktion. „Kommt es zu einem Problem, kann sofort reagiert werden“, erklärt Stimpfl.

Helmut Guggenbichler ist ein weiterer Mitstreiter im Siegeszug der Visualisierung. Dabei geht der Geschäftsführer der Augmensys noch einen Schritt weiter. Als Mann vom Fach und seiner langjährigen Erfahrung in der Prozess- und Softwareindustrie kennt er die Schwierigkeiten im industriellen Alltag. Er hat sich mit seinem Startup voll und ganz der Augmented Reality verschrieben. Zu Hause fühlt sich Guggenbichler im Bereich der Inbetriebnahme und Wartung von Anlagen. Und genau dort gibt es immer noch große Probleme. „Geht ein Servicetechniker raus, setzt er immer noch auf die alteingebrachte Zettelwirtschaft“, so Guggenbichler. Der Grund: Eine Anlage ist immer in vielen verschiedenen EDV-Systemen dokumentiert. „Da gibt es z.B. eine Planungsssoftware, eine Beschafftungssoftware, ein Dokumentenmanagemensystem und das Leitsystem“, zählt Guggenbichler auf. „Der Bruch passiert dann, weil man draußen eben keinen Software-Experten hat, sondern einen Mechaniker und der braucht eine Oberfläche, die ihm genau jene Daten gibt, die er braucht.“

Mit „UBIK“, als Konsolidierungsplattform, hat es Augmensys geschafft verschiedene EDV-Systeme auf eine mobile Nutzeroberfläche runterzubrechen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Mit Hilfe von GIS- Koordinaten (Geo-Informationssystem) wird die reale Welt mit einer virtuellen Welt überlagert. „Das Tablet schaut eine Pumpe an und erkennt sofort was es da betrachtet und die Informationen dazu poppen auf“, erklärt Guggenbichler. Der Anwender bekommt also durch bloßes Betrachten eines Anlagenteiles jegliche Daten direkt an den Ort des Geschehens geliefert und kann diese auch mit seiner Wahrnehmung vor Ort anreichern, z.B. durch Dateneingabe, Fotografieren oder Sprachnotizen. Erst vor kurzem hat auch der Technologieriese Microsoft das Potenzial von Augmensys erkannt und startete eine Zusammenarbeit für auf Windows 8 basierende Endgeräte.

Brennpunkt Data Mining.

Ein besonders heißes Thema, aber ebenso umstritten, ist „Data Mining“. Wörtlich übersetzt heißt Data Mining, dass aus einem Berg von Daten die Quint-Essenz extrahiert wird. Das heißt die Daten werden nicht nur visuell aufbereitet sondern auch analysiert. Georg Stonawski, Leiter des Zentrums für Virtual Reality und Visualisierung Forschungs GmbH (VRVis) in Wien, glaubt fest daran, dass es bald möglich sein wird, Fehler lange bevor Sie auftreten zu erkennen und auch zu verhindern. Auch Stimpfl erkennt das Potenzial von Data Mining, warnt aber vor den Tücken: „Für Data Mining braucht es immer zuerst eine Vermutung, um überhaupt etwas aus den Daten gewinnen zu können.“ Fehlt es also an der Expertise nützt die ganze Analyse nichts. Dem gibt Stonawski Recht geht aber bereits einen Schritt weiter. „Im Gegensatz zu Data Mining, wo ich zuerst eine Frage formulieren muss, komm ich bei Visual Analytics auf Fragen drauf“, verspricht der Leiter von VRVis. Visual Analytics macht das Unerwartete visuell. „Wir verzichten dabei auf die Tabellen von Data Mining und bereiten das ganze grafisch auf“, erklärt Stonawski. Ihm geht es dabei um das Gespür für den Prozess.

Mit dem Werkzeug „Visplore“ können enscheidungsrelevante Erkenntnisse aus den Daten gewonnen werden. „Es lassen sich Zusammenhänge, Korrelationen und Strukturen wie Cluster erkennen“, so Stonawski. Jegliche Interaktion des Benutzers lieferte dabei ein visuelles Feedback. Mithilfe von „Szenario Pool“, ein weiteres Werkzeug aus dem Hause VRVis, lassen sich sogar Szenarien zueinander abwägen. „Tritt ein bestimmter Fall ein, kann ich so innerhalb von Minuten die optimale Entscheidung treffen, da im Vorhinein die Tragweiter meiner Entscheidung simuliert wird“, so Stonawski. Bereits abgeschlossene Projekte mit Frequentis und Kapsch beweisen das hohe Potenzial, dennoch bewegt sich Stonawski auf einem sehr schwierigen Feld. Für seine Projekte müssten Unternehmen mit jemand Externen über ihre Probleme sprechen „und das wird nur ungern gemacht“, kennt Stonawski die Situation. Trotzdem der Leiter der Forschungseinrichtung ist zuversichtlich: „Dort wo statistische Methoden oder Data Mining an seine Grenzen stößt warten wir mit unseren Modellen zur Prozessanalyse.“