Maschinenbau : EVVA baut gemeinsam mit Manousek erste Kernfüllmaschine
Innovative Produkte verlangen nach innovativen Fertigungsanlagen – und falls es diese nicht gibt, dann baut man sie halt einfach selbst. Ein Motto, dass dem Sicherheits- und Schließtechnikspezialisten EVVA nicht wirklich fremd ist. Seit den 70er Jahren entwickelt das Wiener Familienunternehmen seine Spezialmaschinen im Haus, echte maschinenbautechnische Meilensteine inklusive. So ließ die 20 Mitarbeiter zählende, Maschinenbauabteilung bereits 2009 aufhorchen: Mit Nike-Valerie präsentierte man eine Linear-Transfer CNC-Fräsmaschine die weder Öl, Kühlmittel noch das Reinigungsmittel Perchloräthylen benötigt. 2016 gesellte sich Felix II dazu, eine Rundtaktmaschine zur Fertigung von Zylinderprofilen. Wenig überraschend: Auch hier sind Schmieröle und Emulsionen obsolet, die Kühlung erledigt ein Spezialschliff der Werkzeuge.
Im Kern der Sicherheit
Die Gründe, warum die im 12. Wiener Gemeindebezirk beheimatete „Erfindungs-Versuchs-Verwertungs-Anstalt“ (EVVA) hauptsächlich auf internes Maschinenbau-Know-how setzt, sind vielfältig. Einerseits möchte man das erarbeitete Wissen nicht außer Haus geben und andererseits bewegt man sich mit seinen Schließlösungen auf einem sehr sensiblen Terrain: im Thema Sicherheit. Dass es hier auf jedes Detail – oder besser gesagt jeden Millimeter – ankommt, beweist allein ein Blick auf einen „normalen“ mechanischen Schließzylinder. Bis zu 140 feinmechanische Komponenten verstecken sich in seinem Inneren. Darunter auch die so genannten Sperrstifte, die nicht dicker als ein Reiskorn sind – und von denen es darüber hinaus noch unzählige Varianten gibt. Vereinfacht erklärt sind es diese Stifte, die dann erkennen, ob auch der richtige Schlüssel im Schloss steckt. Bleibt somit also nur noch die Frage, wie diese Mini-Bauteile in den Schließzylinder-Kern kommen?
Präzision ist alles
„Bislang geschah das in reiner Handarbeit. Wie man sich vielleicht vorstellen kann, eine sehr knifflige Angelegenheit. Mit Mai hat aber die neue Kernfüllmaschine diesen Job übernommen“, erklärt Wolfgang Mann, Bereichsleiter Produktion Mechanik. Bei EVVA konzipiert und entwickelt und dann gemeinsam mit dem Wiener Maschinenbauer Manousek gebaut, hat die Kernfüllmaschine (KFM) die Kapazität Zylinderkerne mit 160 unterschiedlichen Sperrstift-Varianten zu befüllen. Innerhalb von nur 60 Sekunden kann sie zwei Zylinderkerne mit jeweils 12 Sperrstiften befüllen. Etwas länger als eine Minute hat freilich die Entstehung der Maschine gedauert. „Ein halbes Jahr haben wir uns allein mit den Vorprojekten und der Machbarkeit beschäftigt. Die Umsetzung hat dann nicht ganz ein Jahr gedauert“, so Mann, der das Projekt auch leitete. „Besonders spannend waren hier die Anforderungen in Sachen Präzision, da die Maschine im μm-Bereich arbeiten muss. Wir reden hier von Toleranzen im Hundertstel-Millimeter-Bereich.“
100 Prozent Kontrolle
Im Grunde besteht die KFM aus zwei Einheiten. Die erste Einheit prüft über ein Kamerasystem die Stifte auf ihre korrekten Maße und Unversehrtheit hin und sortiert diese dann in „Mini-Magazine“ – fein säuberlich nach Sperrstift-Varianten getrennt. Einmal vollgefüllt, werden diese Magazine automatisch in die zweite Maschinen-Einheit transportiert, wo dann auch die eigentliche Befüllung stattfindet. Dabei entnimmt ein Roboterarm die geprüften Stifte aus den 180 verschiedenen Magazinen und füllt damit den Kern. Wo, welche Sperrstift-Variante zur Verfügung steht, erkennt die Maschine an RFID-Chips. „Damit können wir ein 100-prozentig kontrollierte Befüllung des Zylinderkerns sicherstellen. Es gibt praktisch keinen Ausschuss mehr“, freut sich Mann. Dennoch wird nach der Fertigung jede einzelne Schloss manuell kontrolliert, ob denn der Schlüssel auch wirklich passt.
Mensch-Maschinen-Interaktion
Auch wenn man, wie etwa mit der KFM, sehr stark Richtung Automatisierung gehe, sei der manuelle Anteil der Fertigung nach wie vor sehr hoch – und auch unverzichtbar, wie Mann betont. Viele Tätigkeiten seien nämlich gar nicht automatisierbar. „Die Kernfüllmaschine ersetzt bei uns keine Mitarbeiter, hier geht’s eher in Richtung Performance und Lieferfähigkeit. Je komplexer eine Schließanlage, desto stärker spielt die KFM ihre Vorteile aus: mit geringeren Durchlauf- und schnelleren Lieferzeiten“, so der Bereichsleiter. Demzufolge setzt man bei EVVA auch sehr stark auf die Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Selbst die KFM funktioniert nicht ohne menschliches Zutun. Ein Mitarbeiter setzt die Zylinderkerne ein und montiert diese direkt weiter, sobald die Maschine ihr Befüllungs-Werk verrichtet hat. Derweilen wälzt die Maschinenbau-Abteilung bereits die nächsten (Maschinen-)Pläne. Welche genau das sind, will Mann freilich noch nicht verraten, nur so viel: „Wir haben inzwischen ein eigenes Team für Automatisierungsprojekte im Haus und die guten Ideen gehen uns sicher nicht aus.“