Nischenchampion : Elektromotoren: Wie diese Österreicher das Wartungsgeschäft groß machten

Ennsberger
© Simlinger/WKOÖ

Es ist ein Wortspiel, das sich förmlich aufdrängt: Ennsberger steht ständig unter Strom. Tatsächlich ist Zeitdruck der ständige Begleiter des Familienbetriebs aus Vöcklabruck, der mit Neubewicklung, Wartung, Reparatur, Messung, Prüfung und Wuchtung von Elektromotoren ein unentbehrlicher Partner von Betrieben aller Branchen und Größen geworden ist. „Zu uns kommen Schneider, deren Nähmaschine defekt ist, genauso wie Großkonzerne, bei denen die Produktion wegen eines Maschinenausfalls plötzlich steht“, erklärt Andreas Ennsberger.

Defekte Knetmaschinen...

Typisch – wenn auch in dieser Dimension selten – ist der Fall einer Großbäckerei, deren Knetmaschine mitten in der Nacht kaputt geht. Da der 75 kW-Motor – das entspricht ungefähr 150 Handmixern – eine Sonderanfertigung ist, steht natürlich kein Ersatzmotor zur Verfügung. „Da ist natürlich Feuer am Dach, weil ja Stunden später das Brot und Gebäck in den Geschäften sein muss“, betont Ennsberger. Da alle Großkunden die private Mobilnummer des Unternehmers haben, wurde dieser umgehend kontaktiert. Binnen kürzester Zeit konnte die Knetmaschine wieder instandgesetzt, die Produktion wiederaufgenommen und alle Lieferverpflichtungen eingehalten werden.

...kaputte Industrie-Kreissägen...

Da auch in diesem Fall einmal mehr viel Improvisationstalent gefragt war, verrät Ennsberger keine Details zur Rettungsaktion. Schwergewichtig war auch jener Sonderdrehstrommotor, der vor wenigen Wochen bei Ennsberger zur Reparatur landete. Mit einer Leistung von 250 KW treibt der zwei Meter lange Motor eine Kreissäge an. Diese ist mit einem zweiten Parallelantriebsmotor gekoppelt und verarbeitet so bis zu 200 Laufmeter Holz pro Minute. „Man kann erahnen, welche Auswirkungen es hat, wenn diese Maschine für mehrere Tage ausfällt“, skizziert Ennsberger die Brisanz der Situation.

...stehende Förderbänder

Zu einem weitgehenden Produktionsstillstand hat sich in einem Schotterwerk der Ausfall des Förderbandmotors entwickelt. Der knapp 500 Kilogramm schwere Spezialmotor, der 55 KW und 37 KW zwei Leistungen und zwei Drehzahlen zur Verfügung stellt, konnte nur mithilfe eines Autokrans überhaupt ausgebaut werden. Bei Ennsberger wird der Motor komplett serviciert und neu gewickelt. Um die alte Wicklung sauber entfernen zu können, kommt der Stator mit den defekten Spulen in den Pyrolyseofen. Bei 380 Grad Celsius verbrennen dort alle Harze, Lacke, Isoliermaterialien und Fette. Die dabei entstehenden Gase werden bei 850 Grad Celsius rückstandslos verbrannt. Danach kann die neue Wicklung ident wiederhergestellt und vakuumimprägniert werden. „Weil das Verfahren so effizient und umweltschonend ist, hat auch ein großer öffentlicher Verkehrsbetrieb für einige Zeit die Elektromotoren seiner Triebfahrzeuge in unserem Pyrolyseofen behandeln lassen“, betont Reinhard Ennsberger die Vorreiterrolle seines Unternehmens.

Raus aus dem Verkehrsfunk

Walter Ennsberger hat 1983 jenen Betrieb übernommen, in dem er 1972 die Lehre zum „Elektromechaniker- und Elektromaschinenbauerhandwerk“ begonnen hat. Obwohl die Ennsberger GmbH selbst bei langfristig geplanten Servicearbeiten immer wieder mit extrem engen Zeitbudgets konfrontiert ist, haben mittlerweile Walter Ennsbergers Söhne Andreas und Reinhard die Geschäftsführung des 15-Mitarbeiter-Betriebs übernommen. „Servicearbeiten haben bei fast alle Kunden eine Unterbrechung des Routinebetriebs oder einen Produktionsstopp zur Folge“, erklärt Andreas Ennsberger. „Deshalb müssen sie so schnell wie möglich erledigt sein.“ Beispielhaft dafür ist ein Auftrag aus dem Bundesland Salzburg. Für einen Schnellstraßen-Tunnel müssen insgesamt 17 Motoren von Ventilatoren gewartet werden. „Als Zeitfenster haben wir nur die wenigen Tage, in denen der Tunnel saniert wird. In dieser Zeit müssen die Ventilatoren demontiert, zerlegt, die Motoren zu uns transportiert werden. Wir zerlegen, reinigen, trocknen, warten und reparieren diese unter Zeitdruck, damit diese rasch zurückgebracht und montiert werden können. Erst dann verschwindet der Tunnel wieder aus dem Verkehrsfunk,“ präzisiert Andreas Ennsberger.

Schmutz und Wasser als Hauptfeinde

Ähnlich eng ist das Zeitkorsett auch bei vielen anderen Aufträgen. Gehen Pumpen in Wasserwerken oder Kläranlagen kaputt, sind die Auswirkungen ähnlich gravierend wie defekte Antriebe von Seilbahnen. Deshalb kommen Seilbahnmotoren aus ganz Österreich und sogar aus Bayern in den wenigen Wochen zwischen Sommer- und Wintersaison zu Ennsberger zum Service. Wie oft dieses Service fällig wird, lässt sich freilich nicht generalisieren. Zu unterschiedlich sind die Einsatzbedingungen und die Betriebsstunden. So können etwa im Falle von Seilbahnmotoren die Temperaturen, die Luftfeuchtigkeit und der Luftdruck zwischen Tal- und Bergstation enorm abweichen. In aller Regel „Spätestens nach zwei bis drei Jahren sollte eine Elektromotor jedenfalls generalüberholt werden“, sagt Reinhard Ennsberger. Er rät dringend dazu, die Herstellerangaben genau einzuhalten. Denn nicht nur Naturkatastrophen sind für einen Elektromotor lebensbedrohlich. Meistens seien es Bedienungsfehler, die einen Motor überlasten oder eine zu starke Verschmutzung. „Bei Gleichstrommotoren sorgen die Kohlebürsten für eine enorme Verschmutzung. Wird der leitende Kohlestaub nicht regelmäßig entfernt, zieht das den Motor in Mitleidenschaft“, sagt Reinhard Ennsberger.

Sonniger Konjunkturhimmel

Haben Blitzeinschläge und Hochwasserkatastrophen, in den Motoren buchstäblich abgesoffen sind, in der Vergangenheit immer wieder für ebenso überraschende wie kurzfristige Auftragsspitzen gesorgt, so sind die langfristigen Konjunkturaussichten generell positiv. „Der ganzen Branche geht es gut“, sagen die Ennsberger-Brüder. Das hat handfeste Gründe: Der generelle Trend zur Automatisierung sorgt für einen steigenden Einsatz von Elektromotoren. Da deren Wirkungsgrad bis zu sechsmal höher als jener von Verbrennungsmotoren ist, ist mit einem anhaltenden Nachfragehoch zu rechnen. „Was der Trend zu Elektroautos unserer Branche bringen wird, lässt sich noch gar nicht abschätzen“, sind die Brüder optimistisch.

Waschmaschine und Trockenofen

Schon heute hat Ennsberger Industriekunden, welche jeweils bis zu 2.500 Motoren im Einsatz haben, die regelmäßig gewartet und repariert werden müssen. „Diese Firmen arbeiten mit ausgeklügelten Serviceplänen und fixen Wartungsintervallen, die bei uns für eine sehr gute Grundauslastung sorgen“, freut sich Reinhard Ennsberger. Dabei werden die Lager – eine echte Achillesferse bei vielen Motoren – vermessen, alle Zustandswerte ermittelt und die elektrischen Bauteile kontrolliert. Nachdem der Motor in seine Einzelteile zerlegt ist, werden diese in einer Spezialwaschmaschine gereinigt. Danach kommen die feuchten Komponenten ebenso wie frisch mit Harz getränkten Maschinen für mehrere Stunden in den sogenannten Trockenofen. Dort wird den Maschinenteilen bei 130° Celsius jegliche Feuchtigkeit entzogen. Das Harz härtet zur gewünschten Festigkeit aus. Danach folgt eine exakte Vermessung mittels unterschiedlicher mechanischer und elektrischer Methoden.

Meisterhaftes Unikat

Ein echtes Unikat sorgt bei Ennsberger für die Beseitigung des Glimmers zwischen den Kupferlamellen des Kollektors. Wurde das traditionell mit einer Säge oder einer Fräse erledigt, macht das bei Ennsberger eine vollautomatische Kollektorfräsmaschine. Entwickelt und konstruiert hat diese Andreas Ennsberger als Meisterprojekt. Die Kollektorfräsmaschine ist mit jener Drehmaschine gekoppelt, in der die Rotoren überdreht werden. „Somit muss der Anker für zwei Arbeitsvorgänge nur einmal eingespannt und zentriert werden“, erklärt Andreas Ennsberger.

Reservemotoren als Sicherheitsnetz

Nach erfolgter Reinigung werden sämtliche rotierende Maschinenteile wie Walzen, Flügel oder Wellen gewuchtet und protokolliert. Nach dem Zusammenbau kommen ausnahmslos alle Motoren auf den Prüfstand. „Kein Motor verlässt unser Unternehmen, ohne vorher auf einem Prüfstand im Leerlauf oder auch unter Belastung lückenlos getestet worden zu sein“, sagt Reinhard Ennsberger. Für jene Fälle, in denen ein defekter Motor nicht mehr zu retten oder ein Produktionsstillstand unbedingt zu vermeiden ist, hat Ennsberger ein Sicherheitsnetz gespannt. „Wir haben genügend Drehstrommotoren mit bis zu 30 KW Leistung im Lager. Sollte dennoch keiner passen, beschaffen wir binnen kürzester Zeit einen vorübergehenden Ersatz“, erklärt er.