LKW-Transporte : Einfach wie Amazon: Wie Cargonexx alten Frachtenbörsen den Rang abläuft
Auf den ersten Blick klingt’s wie eine weitere Frachtenbörse – also nicht gerade prickelnd. Schaut man allerdings nochmals genauer hin, wird einem schnell klar, warum selbst alteingesessene Logistik-Füchse wie Karl Gernandt, seines Zeichens Präsident des Verwaltungsrats der Kühne Holding AG, inzwischen sogar vom „intelligentesten Logistiksystem“, das es derzeit am Markt gibt, sprechen. Und es gibt sehr viele, denn nur in wenigen Logistikbereichen hat die Digitalisierung zu so vielen neuen Playern geführt, wie bei den Frachtenbörsen. Dementsprechend vielseitig und hart umkämpft ist dieser Markt heute auch.
„Truck it like Amazon“
Mussten die Spediteure von einst für jeden Transport Preisangebote von Fuhrunternehmen einholen oder langfristige Verträge abschließen, hat sich das schon vor geraumer Zeit ins Internet verlagert: Sie stellen ihre Aufträge jetzt in eine Frachtenbörse, Fuhrunternehmen bewerben sich um den Transport. Der Nachteil: Noch immer mussten sich Spediteure und Fuhrunternehmer mit mehreren Anbietern bzw. Auftraggebern auseinandersetzen, sich direkt kontaktieren und dann auch abrechnen.
„So wie Amazon damals das One-Click-Shopping erfunden hat, haben wir jetzt das One-Click-Trucking geschaffen", meint Cargonexx-Chef Rolf-Dieter Lafrenz. Oder anders erklärt: Selbst dann, wenn Kunden Waren verschiedener Amazon Marketplace-Anbieter ordern, erfolgt die Abwicklung ausschließlich über Amazon. In dieselbe Kerbe schlägt Cargonexx. Ein Spediteur vergibt einen Auftrag direkt an das Hamburger Start-up. Eine Software bietet die Tour daraufhin den Fahrern an, die vielleicht ohnehin auf der entsprechenden Strecke unterwegs sind und über Leerflächen verfügen. Diese können den Auftrag dann einfach per Mausklick übernehmen. Abgerechnet wird später alles wieder über Cargonexx, womit jede Seite dann auch nur noch einen Ansprechpartner hat.
Manni macht den Unterschied
So weit, so durchdacht. Aber das alleine macht aus Cargonexx noch kein „intelligentes Logistiksystem“ – zumal es auch zahlreiche Wettbewerber gibt, die ihr Geschäftsmodell ähnlich handhaben. Die wahre Revolution verbirgt sich vielmehr hinter dem Preis. Dieser wird nämlich nicht einfach von einem Menschen festgelegt (oder über Gebote erreicht), sondern mittels Computer flexibel errechnet. Und hier kommt nun Manni ins Spiel. „Manni“ steht für „Multidimensional Artificial Neural Network Intelligence“ und bezeichnet den Algorithmus, der die Grundlage des Unternehmens bildet. Mit Hilfe eines selbstlernenden neuronalen Netzes wird binnen weniger Millisekunden der aktuelle Marktpreis für eine Tour errechnet, der unter anderem auf Daten wie Fracht, Wetter und Verkehrslage beruht. Insgesamt berücksichtigt der Algorithmus während seiner Rechenaufgabe 400 Parameter. Selbst besondere Ereignisse, wie zum Beispiel Großveranstaltungen, Betriebsferien großer Industriewerke oder sogar die regelmäßig anstehenden Sortimentswechsel in den Baumärkten, werden miteinbezogen. „All das muss natürlich beim Preis einkalkuliert werden, da dann komplett andere Transportpreise gelten“, erklärt Lafrenz. „Zum Frühjahr stellen viele Baumärkte ihr Sortiment um, das bedeutet mehr Transporte. Und an Montagen werden mehr Lkw als sonst gebraucht, weil die gesamte Wochenendfracht vom Hamburger Hafen abtransportiert werden muss. Solche Umstände kennt der Algorithmus.“
In 15 Millisekunden zum aktuellen Marktpreis
Wird nun eine Touren-Anfrage auf der Webseite eingegeben, spuckt der Algorithmus 15 Millisekunden später einen aktuellen Marktpreis aus. Sagt dieser dem Kunden zu, wird der Auftrag von Cargonexx auch sofort angenommen. „Es gibt keine Ausschreibung und keine festen Listenpreise.“ Ganz risikolos ist diese direkte Auftragsannahme freilich nicht. So besteht etwa die Gefahr, dass sich später kein Unternehmen findet, das den Auftrag dann auch tatsächlich ausführt. Bei über 2.000 registrierten Frachtführern ist dieses Risiko zwar nicht mehr ganz so hoch wie am Anfang im Dezember 2016, für den Notfall stehen aber trotzdem drei (menschliche) Lkw-Disponenten zur Verfügung. „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, da es uns wichtig war, von Beginn an alle Touren anzunehmen. Bisher haben wir auch 99,5 Prozent aller Aufträge ausgeführt“, so Lafrenz.
Kleine rechtliche Anmerkung am Rande: Anders als gängige Frachtbörsen tritt Cargonexx als haftender Spediteur auf, ist vollumfänglich für die Organisation des Transports verantwortlich und trägt dabei auch das volle Risiko. Selbst wenn sich der Computer einmal verrechnet und einen zu niedrigen Preis ansetzt: Die Mehrkosten muss Cargonexx übernehmen. „Unser Algorithmus analysiert einige Hunderttausend historische Frachtdaten Tour für Tour. Dadurch ist er in der Lage, die Preise immer genauer anzugeben“, versichert Lafrenz.