Covid-19 : Ein Virus und sechs Arten, damit umzugehen: So reagiert die Industrie auf die Corona-Krise
Aktive Mitgliedschaft erforderlich
Das WEKA PRIME Digital-Jahresabo gewährt Ihnen exklusive Vorteile. Jetzt WEKA PRIME Mitglied werden!
Sie haben bereits eine PRIME Mitgliedschaft?
Bitte melden Sie sich hier an.
Die Wirtschaftsforscher des Ifo haben kürzlich mit Zahlen jongliert, die wohl in einigen Chefetagen die Kinnladen zu Boden hat sinken lassen: zwischen 34 und 57 Milliarden Euro, so die Wirtschaftsweisen, wird Corona der österreichischen Volkswirtschaft kosten. Ifo-Präsident Clemens Fuest appelliert daher, eine Wiederaufnahme der Produktion mit einer weiteren Eindämmung der Epidemie zu verbinden: „Wenn die Firmen für länger als einen Monat geschlossen bleiben, erreichen die Produktionsausfälle schnell Dimensionen, die deutlich jenseits der Wachstumseinbrüche liegen, die aus früheren Rezessionen oder Naturkatastrophen in der Geschichte der Europäischen Union bekannt sind." Viele Mitarbeiter mussten bereits in Kurzarbeit gehen oder sogar gekündigt werden, das AMS meldet erstmals seit 1945 mehr als eine halbe Millionen Arbeitslose in Österreich. Einige Branchen erleben jedoch gerade einen derartigen Hype, dass sie mit der Produktion kaum nachkommen, andere wiederum werden in der Krise kreativ und entwickeln neue Produkte.
Wie gehen Unternehmens-Bosse mit der Krise um, welche Konsequenzen müssen oder mussten sie setzen?
1. Bosch entwickelt automatisierten Schnelltest
35 Standorte der Mobilitätssparte sowie diverse Zentralbereiche von Bosch wurden weitestgehend eingestellt. Wie reagierte das Unternehmen? Ein vollautomatisierter Covid-19-Schnelltest wurde innerhalb von sechs Wochen entwickelt, der mit einer Genauigkeit von über 95 Prozent untersucht. „Mit dem Bosch COVID-19-Schnelltest wollen wir einen Beitrag zur möglichst raschen Eindämmung der Corona-Pandemie leisten. Infizierte Patienten können schneller identifiziert und isoliert werden“, so Volkmar Denner, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bosch. Die Auswertung erfolgt binnen zweieinhalb Stunden und testet gleichzeitig weitere neun Atemwegserkrankungen neben dem Coronavirus. Angewendet wird der molekulardiagnostische Schnelltest auf dem Analysegerät Vivalytic von Bosch Healthcare Solutions. Ein Weiterer Vorteil des Schnelltests: Der Test kann direkt am Ort der klinischen Behandlung durchgeführt werden. Transportwege, die wertvolle Zeit kosten, entfallen. Patienten erhalten schnell Gewissheit über ihren Gesundheitszustand. Infizierte Personen können umgehend identifiziert und isoliert werden. Bei den aktuell eingesetzten Tests müssen Patienten in der Regel mit Wartezeiten von ein bis zwei Tagen rechnen.
Entdecken Sie jetzt
- Lesen
- Videos
-
Podcasts
- Staubmanagement in der Produktion 16.10.2023
- Automatisierung in der Messtechnik 11.09.2023
- 3D-Druck: Neuigkeiten und Trends 17.01.2023
„Im Kampf gegen das Coronavirus ist Zeit einer der entscheidenden Faktoren. Eine zuverlässige, schnelle Diagnose direkt vor Ort ohne Umwege – das ist der große Vorteil unserer Lösung, die für uns auch ein Beispiel von Technik fürs Leben ist“, so Denner. Die Handhabung des Vivalytic-Analysegeräts ist zudem so anwenderfreundlich gestaltet, dass auch nicht speziell geschultes Medizinpersonal die Testauswertung zuverlässig durchführen kann. Mit einem Vivalytic-Analysegerät von Bosch können bis zu zehn Tests innerhalb von 24 Stunden durchgeführt werden. Schon mit 100 Geräten lassen sich also am Tag bis zu 1.000 Tests auswerten.
2. Siemens öffnet 3D-Druck-Netzwerk
Auch die Medizintechnik-Sparte von Siemens steigt in der Corona-Krise in das Geschäft mit Covid-Tests ein. Siemens Healthineers hat einen molekulardiagnostischen Covid-19-Test entwickelt, der für Forschungszwecke in Luxemburg bereits eingesetzt wird. Gedacht ist der Test für mittelgroße Labors, etwa in Krankenhäusern. Dort ließen sich damit bis zu 1.000 Proben pro Tag auf das Virus testen. Das Ganze dauert vom Anfang bis zum Ergebnis zwei bis drei Stunden. „Wir wollen damit einen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie leisten", sagte der Leiter Molekulardiagnostik bei der Siemens-Tochter, Sebastian Kronmüller. Der Test wird derzeit bei der Siemens-Tochter Fast Track Diagnostics im luxemburgischen Esch produziert. Eine Ausweitung auf andere Standorte sei geplant. Die Laborgeräte dafür stellt Healthineers nicht selbst her, die Molekulardiagnostik ist bei der Siemens-Tochter ein kleines Geschäftsfeld. Weltmarktführer ist Roche.
Außerdem stellt Siemens sein Additive Manufacturing Network und seine Expertise im Bereich der additiven Fertigung zur Verfügung, damit Gesundheitsorganisationen mit Designern und 3D-Drucker für die Produktion medizinischer Komponenten zu vernetzen. Das weltweit verfügbare Netzwerk deckt dabei die gesamte Wertschöpfungskette ab – von Upload und Simulation über die Prüfung der Designs bis hin zu Druck und Service. Um bei Bedarf und Eignung benötigte Komponenten zu drucken, stellt es seine Anlagen an. Unter Dauerbenutzung kommt es bei medizintechnischen und medizinischen Geräten zu Verschleiß, so dass Teile ersetzt werden müssen. Ziel der Initiative von Siemens ist es, einen schnellen und unkomplizierten 3D-Druck von Ersatzteilen wie Ventilatoren zu ermöglichen. „In den letzten Jahren haben wir ein umfassendes Portfolio für den Bereich Additive Manufacturing entlang der gesamten Wertschöpfungskette aufgebaut und sind jetzt in der Lage, benötigte Komponenten schnell mit 3D-Druck herzustellen. Zur Unterstützung im Kampf gegen Covid-19 haben wir jetzt unser Additive Manufacturing Network geöffnet für Krankenhäuser und Gesundheitsorganisationen, die dringend medizinische Ersatzteile benötigen. So können deren Design- und Druckanfragen schnell und effizient bearbeitet werden“, sagte Klaus Helmrich, Mitglied des Vorstands von Siemens und CEO von Siemens Digital Industries.
3. Hollu: Zwischen Desinfektions-Boom und Wegfall von Geschäftsbereichen
Beim Hygienespezialisten Hollu ist durch die Corona-Krise eine ambivalente Lage entstanden: Einerseits steigt die Nachfrage nach Desinfektionsprodukten immens, Oberflächendesinfektionsprodukten hat sich im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 70% erhöht. Auch die hauseigene Forschung- und Entwicklungs-Abteilung arbeitet an neuen Produkten und hat innerhalb von kurzer Zeit neue Desinfektionsprodukte entwickelt, um beispielsweise dem Engpass an Händedesinfektionsprodukten entgegenzuwirken. Alleine im März wurden über 39 Tonnen produziert.
„Mit den Schließungen in der Hotellerie und Gastronomie ist Hollu ein erheblicher Geschäftsanteil weggebrochen – eine riesige Herausforderung für das Familienunternehmen. Als Systemerhalter für das Gesundheitswesen gehören wir dennoch zu denjenigen, die aktuell auch dringend gebraucht werden. Andere Unternehmen trifft es leider noch viel härter“, betont Geschäftsführer Simon Meinschad. Alle Produktionskapazitäten am Hauptstandort Zirl laufen auf Hochtouren, die Mengen der relevanten Desinfektionsprodukte wurden nach oben gefahren und in Zusammenarbeit mit Partnern und Lieferanten wird laufend an Lösungen hinsichtlich Verfügbarkeit und Lieferfähigkeit der dringend benötigten Hygieneprodukte gearbeitet. Meinschad setzt fort: „Jetzt sind höchste Flexibilität und Lösungsorientierung gefragt! Solche Herausforderungen kann man nur bewältigen, wenn alle an einem Strang ziehen. Schön zu spüren, dass dem so ist.“ Er erklärt, dass auch bei Hollu Corona-Kurzarbeit angemeldet worden ist: „Die wirtschaftliche Situation fordert uns, doch ich bekomme sehr viele bestärkende Rückmeldungen von unseren Mitarbeitern und Kunden und ich spüre einen starken Zusammenhalt, der uns HolluanerInnen gemeinsam durch diese schwierige Zeit bringen wird. Das wünschen wir allen Menschen, um die Krise zu bewältigen.“
4. Voestalpine angeschlagen
Die Coronavirus-Pandemie und ihre Folgen stellen den Stahlkonzern vor große wirtschaftliche Herausforderungen: Durch massive Kapazitätsreduktionen und laufende Produktionsstillstände ist die Nachfrage in den wichtigsten Bereichen der Voest innerhalb weniger Tage eingebrochen. In über 50 europäischen Konzerngesellschaften wurde Kurzarbeit angemeldet, darunter rund 18.000 Mitarbeiter in Österreich und 6.000 Mitarbeiter in Deutschland. In anderen Ländern, in denen kein Corona-Kurzarbeitsmodell wie in Österreich zur Verfügung steht, will die Voest andere Maßnahmen ergreifen. „Wenn unsere Kunden die Nachfrage stark reduzieren, Produktionen einstellen und Lieferketten temporär zum Erliegen kommen, müssen wir sofort reagieren“, so Herbert Eibensteiner, Vorstandsvorsitzender der Voestalpine. „Mein besonderer Dank gilt in dieser schwierigen Zeit jenen, die nach wie vor in der Produktion mit voller Kraft im Einsatz sind und damit einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung unserer kritischen Infrastruktur in vielen Werken leisten. Aber auch in den anderen Bereichen tragen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch ihren unermüdlichen Einsatz maßgeblich zum Fortbestand unseres Unternehmens bei. Wir werden in den nächsten Monaten um jeden einzelnen Arbeitsplatz hart kämpfen“, setzt er fort.
5. Weidmüller ist gewappnet
Derzeit lassen sich bei dem Verbindungstechnik-Unternehmen noch keine personellen oder wirtschaftlichen Auswirkungen feststellen. Dafür rechnet man wegen der Produktionsstopps mit Rückgängen. „Wir haben in unseren Produktionen in Europa bereits frühzeitig diverse Maßnahmen treffen können. Durch die Erfahrungen in unserem Werk in China konnten wir schnell effiziente Richtlinien in unseren Werken in Europa implementieren“, so Wolfgang Weidinger, CEO von Weidmüller. Das Vertriebsbüro in Österreich wurde bereits vor Wochen gänzlich auf Home-Office-Betrieb umgestellt. Da Weidmüller frühzeitig Maßnahmen ergriffen hat und bestens vorbereitet war, arbeiten die Mitarbeiter seit einiger Zeit wieder im Vollbetrieb. Das COVID-19-Paket der Bundesregierung begrüßt Weidinger: „Es ist erfreulich zu sehen, dass in Krisenzeiten in kürzester Zeit richtige Entscheidungen getroffen und Hilfspakete geschnürt werden.”
6. Universal Robots mit erstmaliger virtueller Messe
Die Produktion des dänischen Robotik-Unternehmens ist derzeit gesichert, auch die Lieferketten werden aufrechterhalten. Die Kapazitäten der Produktion bleiben in vollem Umfang erhalten. Um dies auch künftig zu gewährleisten, arbeiten alle Produktions- und Logistik-Mitarbeiter von Zuhause aus. Als zusätzliche Präventivmaßnahme versucht UR, schon im Vorhinein größere Mengen an Lagerbeständen - sowohl Endprodukte als auch Serviceteile - in Schlüsselregionen zu liefern. Außerdem reagiert es mit einer Prämiere: seiner ersten virtuellen Messe „Cobot Exference“. Dabei können sich Besucher kostenlos online über die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Cobots informieren. Das Online-Event, das an dem ursprünglichen Datum der Hannover Messe stattfindet, ermöglicht an über 15 virtuellen Messeständen den Austausch via Live-Chat mit Experten. Dort erhalten sie Informationen zu den verschiedenen Anwendungsszenarien, Cobots von Universal Robots und UR+ Komponenten. Neben den virtuellen Messeständen können sich Besucher ebenso praxisorientierte Live-Vorträge rund um das Thema Mensch-Roboter-Kollaboration anhören. Diese Keynotes beschäftigen sich bmit den wichtigsten Schritten zur Cobot-Integration, den Schulungskonzepten der UR Academy oder dem Vergleich Cobot vs. herkömmlicher Industrieroboter. Mit der Veranstaltung möchte UR auch Vertreter kleiner und mittelständischer Unternehmen erreichen, die unter Umständen gerade erst anfangen, sich mit kollaborativer Robotik auseinanderzusetzen. „Der Austausch mit Anwendern und Interessenten ist uns sehr wichtig, denn nur so können wir Automatisierungslösungen entwickeln, die den Bedürfnissen des Produktionsalltags wirklich gerecht werden. Da der persönliche Kontakt derzeit nicht möglich ist, haben wir diese virtuelle Messe ins Leben gerufen. Wir schaffen damit eine Plattform, auf der sich Anwender, Experten und Interessierte ganz einfach via Online-Chat vernetzen können. Wir nutzen die Situation als Chance, um neue Wege zu beschreiten”, so Helmut Schmid, Geschäftsführer der Universal Robots.
Folgen Sie uns gerne auf Twitter!