Führung : Digitalisierung: Was dem DACH-Manager fehlt
Algorithmen und intelligente künstliche Systeme schaffen neue Horizonte. Vernetzung auf dem Shopfloor, der gesamten Wertschöpfung oder Data Analytics mit Machine Learning und Künstlicher Intelligenz, alles das bietet sehr gute Perspektiven. Aber das bringt auch Aufgaben, die dem Management neue strategische Entscheidungen abverlangen. Rosige Zeiten für das Management. „Die Rolle des Entrepreneurs oder Managers im Zeitalter des maschinellen Lernens ist eine der besten Aufgaben, die die Gesellschaft zu bieten hat.“ Das haben die MIT-Forscher Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee jüngst im Havard Business Manager zu Protokoll gegeben. Und trotzdem ist die Umsetzung von digitalen Strategien und neuen Geschäftsmodellen, die bei Industrie 4.0 geforderte Vernetzung und die Vorbereitung auf neue Märkte oder neue, bislang branchenfremde Wettbewerber noch schleppend.
Gerade die Führungskräfte in der DACH-Region müssen sich besser für die digitale Transformation ausrüsten.
Sie brauchen individuell mehr Digitalisierungskompetenz und in die Managementebene müssen mehr Personen mit Digitalerfahrung.
Sie müssen sich ihrer kulturellen Bedingungen bewusst werden und weg vom kurzfristigen Denken hin zu langfristigen Strategien wechseln.
Und sie müssen mehr Entrepreneurship zeigen, das heißt nicht Sicherheitsdenken und Normen und Standards sind gefragt, sondern Aktivität.
Industrie 4.0, Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle müssen zum Anliegen des Managements werden. Es ist jetzt zwei Jahre her, dass der VDMA als Branchenverband für den Maschinen- und Anlagenbau verkündete: „Der deutsche Maschinenbau ist Industrie 4.0-Ready.“ Aber eine zentrale Forderung für die Zukunft lautete: „Industrie 4.0 muss stärker in der Unternehmensstrategie verankert werden.“
Digitale Transformation stottert
Die aktuelle Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young zu Industrie 4.0 dem „unbekannten Wesen“ wie sie selbst formulierte belegt, dass die Technologie sich eher schleppend durchsetzt. In Zahlen: 45 Prozent der Unternehmen setzen „Industrie-4.0“ ein. Das ist aber nur einen Anstieg von sechs Prozentpunkten im Vergleich zu 2015. Als Gründe werden Finanzierung und Investitionskosten genannt, aber auch fehlende Normen und Standards werden beklagt. Industrie 4.0 fügt sich dabei ein in die allgemeine Digitalisierungslage ein, gerade beim Mittelstand. Hier hatte Ernst & Young im Frühjahr 2017 erhoben, dass bei 57 Prozent der mittelständischen Unternehmen in Deutschland digitale Technologien für das eigene Geschäftsmodell inzwischen eine mittelgroße bis sehr große Rolle spielen. Im Vorjahr waren es 54 Prozent. Die österreichischen Mittelständler zeigen dasselbe Bild. Hier sind es 58 Prozent der mittelständischen Unternehmen in Österreich, die angeben, dass Digitalisierung für das eigene Geschäftsmodell eine mittelgroße bis sehr große Bedeutung hat, im Vergleich zu 56 Prozent im Jahr 2016.
Kaum Digitalkompetenz in den Führungsetagen
Es stellt sich also die Frage, wo die Gründe für diesen zögerlichen Fortschritt liegen. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin hat sich die Biographien, Xing- und LinkedIn-Profile der DAX- und MDAX-Vorstände vorgenommen und nach deren Erfahrungen und Digitalkompetenzen gesucht. Nur ein Viertel der Vorstände haben eine umfassende Entrepreneurship-Erfahrung. Mit Blick auf die Digitalisierungs-Erfahrung sieht es düsterer aus. Hier konnten die Forscher nur acht Prozent identifizieren. Einen anderen Grund für eine zögerliche oder schleppende Umsetzung neuer Geschäftsmodelle oder der digitalen Transformation insgesamt, liegt vielleicht in der ausgeprägten Sicherheitsorientierung der DACH-Manager. Bereits vor Monaten hatte die RWTH Aachen ernüchtert festgestellt, dass deutsche Unternehmen einen langen und mühevollen Weg beschritten hätten, um als erstes Normen und Standards für Industrie 4.0 zu definieren. Die Konkurrenz aus den USA sei wesentlich pragmatischer und habe im Entwicklungsprozess defacto Standards entwickelt und in der Praxis neuer Geschäftsmodelle erprobt. Eine Erklärung für diese Herangehensweise liefert das Karriereportal Experteer. Das Ergebnis einer Führungskräftestudie beschreibt das Land der Dichter und Denker als extrem risikoscheu. Führungskräfte in Deutschland erreichen beim Sicherheitsbedürfnis 92 von 100 Bewertungspunkten. Bei österreichischen und schweizer Führungskräften ist dies etwas weniger stark ausgeprägt. Die DACH-Führungskräfte orientieren sich zudem vorwiegend an Ergebnissen, die schnell zu erreichen sind und legen den Fokus vor allem auf die Gegenwart. Der Gegenpol liegt in den USA. Dort paart sich ein pragmatischer Weg in der Umsetzung der digitalen Transformation ohne Standards und Normen mit einer langfristigen und somit strategischen Orientierung.
Strategie und Risikobereitschaft sind gefordert
Diese Ergebnisse sind sicherlich nicht die alleinige Erklärung, aber einige Impulse für die verbesserte Umsetzung lassen sich ableiten. Unternehmen in Deutschland und Österreich müssen mehr Digitalkompetenz in die Führungsetagen bringen. Entrepreneurship ist bei der Findung von neuen Geschäftsmodellen wichtig und ist eine der wesentlichen Eigenschaften für Leadership im digitalen Zeitalter. Und: die Umsetzung neuer Ideen und Modelle braucht sowohl einen langen Atem und demnach eine strategische Verankerung, als auch ein Quantum Mut, um Neues auszuprobieren, ohne zugleich auf den ROI zu schielen. So sehen es auch Brynjolfsson und Mcafee. „Die beste Strategie ist also, mit hohem Tempo zu experimentieren und zu lernen.“ Das fordert natürlich die traditionellen Werte und Orientierungen im Ingenieurwesen in der DACH-Region heraus. Die Zeiten von Top-Down-Mechanismen und allumfassender Kontrolle gehen dem Ende zu. Das heißt nicht, dass Digitalisierung und KI-Systeme alle Prinzipien verändern und auch Managementaufgaben komplett übernehmen. Brynjolfsson und Mcafee prognostizieren, dass Manager, die Digitalisierung, Data Science und KI nicht nutzen, von denen verdrängt werden, die das tun.