Industrial Analytics : Digitalisierung: Warum Industriebetriebe einen Datenstau fürchten
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Industrial Analytics, die Auswertung der anfallenden Daten, führt in der Wahrnehmung vieler Industrieunternehmen immer noch ein klägliches Nischendasein. Wo es doch für sie von essentieller Bedeutung sein müsste, die gewonnenen Daten auch nutzbar zu machen. Bis dato war nicht bekannt, in welchem Umfang diese Instrumente der Datenanalyse bereits im Einsatz stehen. Für eine erste große Bestandsaufnahme führte der Digital Analytics Association e.V. die Studie „Industrial Analytics 2016/2017“ durch. Über ein halbes Jahr erhob der Arbeitskreis „Industrial Analytics“ gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut IoT Analytics eine repräsentative Studie zur Datenanalyse im industriellen Sektor. Dafür wurden weltweit 151 Entscheider aus der Industrie befragt. Rund die Hälfte dieser Unternehmen hat ihren Hauptsitz in Deutschland. Die Studie beleuchtet Fragestellungen wie zum Beispiel Markt, Treiber und Strategien, Erfahrungen aus der Umsetzung und Herausforderungen, Organisation und Projektierung, Technologien sowie Skills und Kompetenzen.
Die Studie zeigt u. a. eines ganz deutlich: Big Data, Internet of Things (IoT) und Industrie 4.0 sind die treibenden Kräfte für den Erfolg der Digitalisierung und Vernetzung. Als Haupteinsatzbereiche von Industrial Analytics identifiziert die Studie für die nächsten ein bis drei Jahren die Bereiche „Predictive Machine Maintainance“ (für rund 80 Prozent der Befragten wichtig), Kunden-/marketingbezogene Analytics (knapp 80 Prozent) sowie die Analyse von Anwendererfahrungen mit Produkten (über 75 Prozent). Trotz zahlreicher Big-Data-Projekte der vergangenen Jahre sind diese für die Unternehmen immer noch eine große Herausforderung: „Die Probleme beginnen nicht bei den Analytics, sondern schon beim Daten-Management“, stellt Frank Pörschmann, Vorstand der Non-Profit-Organisation Digital Analytics Associations e.V. fest. „Das gesammelte Datenmaterial steht quasi vor einer gewaltigen Staumauer. Gleichzeitig geben fast 80 Prozent der Befragten an, dass es besonders im Industrieumfeld an Standards hinsichtlich der Form, Aggregation, Aufbereitung und Verarbeitung der vorliegenden Daten fehlt.“
Fehlende Data Strategy
Laut der Studie stehen dazu drei wesentliche Aspekte im Vordergrund: Es sind die Daten selbst, dann die Kompetenz, diese in Entscheidungen zu überführen, sowie der dramatische und leider zunehmende Engpass an Experten. Da die vielfältigen Datenformen aus verschiedenen Quellen und Netzen mit unterschiedlichen Qualitäten nicht zu jedem Zeitpunkt zu einer Basis zusammenzuführen sind, kommen viele Unternehmen meist gar nicht oder nur sehr schwer an ihre eigenen Daten ran. „Nicht selten besteht bei Top-Entscheidern der Glaube, ein einfacher Knopfdruck genügte und alle Probleme sind gelöst“, sagt Pörschmann. „Doch systematische Analysen erfordern immer eine Zielsetzung, beziehungsweise eine zu untersuchende Hypothese.“ Besser wäre es also, wenn sich die Unternehmen schon vorher darüber im Klaren sind, wie ihre „Data Strategy“ überhaupt aussehen soll. Der Studie zufolge gehen über 64 Prozent der Unternehmen mit klar formulierten Hypothesen an Industrial Analytics heran. Dem gegenüber stehen 34 Prozent, die sich Schritt für Schritt vortasten - also mögliche Problem- und Fragestellungen erstmal offenlassen und die Möglichkeiten experimentell ausloten. Rund 40 Prozent der Befragten sagen, dass sie im Bereich Data Strategy im Grunde keine Expertisen haben und nur etwa ein Drittel der Unternehmen gelingt es heute, relevante Erkenntnisse aus ihren Daten zu ziehen. Gerade hier werden die Herausforderungen mit dem Aufkommen des IoT weiter zunehmen. Vor allem, wenn Daten in Echtzeit gestreamt werden sollen und dadurch gewaltige Datenmengen entstehen, die für Analysezwecke gespeichert werden müssen.
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Fehlendes Know-how
Der Hauptgrund dürfte dem fehlenden Know-how der Mitarbeiter geschuldet sein. Denn nur rund 20 Prozent der Befragten sind der Auffassung, dass sie im Unternehmen über die nötigen Data-Science-Kenntnisse verfügen. Die logische Konsequenz: Über die Hälfte der Befragten sourcen Teile der Aktivitäten für Datenanalysen aus. „Wir als Verband beobachten schon seit einiger Zeit einen massiven Mangel an Fachleuten“, so Pörschmann. „Das hat die Studie nun auch belegt. Eklatante Lücken sehen wir bei Experten für Data Science, für maschinelles Lernen und bei den IoT/M2M-Infrastrukturen.“ Die größte Kompetenzlücke identifizieren die Befragten im Bereich Data Science: Über 90 Prozent halten Data Science demnach für wichtig oder sehr wichtig. Aber wo sind denn die Fachkräfte, die das alles bewerkstelligen sollen? An den Hochschulen gibt es kaum Studiengänge, die sich mit Data Science oder Machine Learning beschäftigen. „Das Anwerben und vor allem die unternehmensspezifische Ausbildung von Datenspezialisten wird in den kommenden Jahren für Industrieunternehmen zum wettbewerbsrelevanten Engpass“, so Pörschmann. Verglichen dazu, so die Studie, sind die Fragen nach den technologischen Standards bzw. der Datenqualität in absehbare Zeit lösbar.
Fehlendes Problembewusstsein
Obwohl das Thema Industrial Analytics vielfach als ein kritischer Faktor beurteilt wird, verhalten sich die Unternehmen noch viel zu zurückhaltend. Der Studie zufolge glauben erst 15 Prozent der befragten Geschäftsführer, dass Datenanalysen bereits heute schon existenzentscheidend sein können. Während rund 70 Prozent die Ansicht teilen, dass dies erst in fünf Jahren relevant sein könnte. Im Grunde definiert Datenkompetenz schon längst eine weitere Führungsdisziplin - unabhängig von Seniorität oder Führungsebene. „Laut unserer Studie ist der CEO bereits in rund einem Drittel der Unternehmen die treibende Kraft“, kommentiert Pörschmann das Studienergebnis. „Er muss dafür Sorge tragen, dass die erforderlichen Kompetenzen, Fähigkeiten und Ressourcen für die Datenanalyse im Unternehmen aufgebaut und systematisch verankert werden.“ Daher fordert Pörschmann die Weiterentwicklung der Industrial Analytics von einer isolierten Business-Funktion zu einer festen strategischen Komponente. Amerikanische Unternehmen weisen in dieser Hinsicht einen drei- bis fünfjährigen Vorsprung auf. Dort gibt es bereits Standards, die sogar die „Datenreife“ von Unternehmen messen können. Somit ist ein Vergleich der eigenen Datenfähigkeit mit denen des Wettbewerbs als auch der marktbezogene Ausbau neuer Datenfähigkeiten möglich.
Innovation im Fokus
Gemäß der Studie „Industrial Analytics 2016/2017“ sind durch Analytics-Maßnahmen bei Unternehmen Umsatzsteigerungen von einem Drittel zu verzeichnen. Dieser Zuwachs kommt auf drei Arten zustande: Verbesserung der Produktqualität, Schaffung neuer Geschäftsmodelle, schnellere Service-Prozesse sowie vorbeugende Wartung anhand der gesammelten Daten. Rund 20 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, dass auch eine Steigerung der Kundenzufriedenheit zu den meistgenannten Vorteilen von Industrial Analytics gehört. Wobei nur eine schwindende Minderheit von 3 Prozent in der Studie Kosteneinsparungen als größten Mehrwert der Industrial Analytics angaben. „Da war ich selbst etwas überrascht“, so Pörschmann. „Viele Industrieunternehmen beabsichtigen aber, durch weitere Optimierungen und Automatisierung Ressourcen für Innovationen freizusetzen.“
Gleichzeitig wurden die Teilnehmer auch nach den Kostenstrukturen der Datenprojekte befragt. So fällt etwa 25 Prozent der Gesamtkosten auf Software und die Entwicklung der Anwendungen. Mehr als 20 Prozent macht der Datenzugang und über 17 Prozent die Aufbereitung und Aggregation dieser Daten aus. Letztlich benötigt die Datenanalyse nur 15 Prozent des Budgets und die Interpretation der Resultate lediglich sechs Prozent. Das bedeutet konkret: „Ist die technologische Basis bereit und erprobt, sind auch die größten Kostenblöcke abgehakt“, erklärt Pörschmann. „Folglich rechnen sich die Investitionen in Big-Data-Plattformen über die spätere systematische und dann auch skalierbare Erbringung von Datendiensten.“
Fazit
Die meisten Unternehmen erkennen die enormen Potenziale von Industrial Analytics. Probleme entstehen nach wie vor bei der Umsetzung und es fehlen viele Fachkräfte. Steigende Umsatzerwartungen sind Haupttreiber von Analytics-Projekten.