Studie : Digitalisierung: Österreichs Lehrlingsausbildung hinkt hinterher
Die Digitalisierung sorgt für eine rasante Veränderung von Altbewährtem, IT-Kenntnisse gehören in unseren Werkshallen längst zu den Basic Skills. Doch es steckt noch mehr dahinter: Technisches Wissen alleine reicht nicht, in der Zukunft seien vor allem „digitale Kompetenzen“ gefragt. Sabrina Sorko, Forschungsleiterin der Gruppe „Arbeit der Zukunft“ an der FH Joanneum sagt: „Unter dem Stichwort ‚digitale Kompetenzen‘ werden die Mitarbeiter zukünftig über ausgeprägte Problemlösungs- und Entscheidungskompetenzen, gepaart mit IT- und Methodenkompetenzen verfügen müssen.“
Verschiebung der Schlüsselkompetenzen
Es werden also Mitarbeiter mit IT-Kenntnissen gebraucht, die in der Lage sind, innovativ und in übergreifenden Prozessen zu denken. Kurz gesagt: Wir brauchen künftig Facharbeiter, die digitale und reale Welt in den Werkshallen miteinander vereinen können. „Es kommt zu einer Verschiebung der Schlüsselkompetenzen hin zu digitaler Kompetenz. Beispiele dafür sind der fachgerechte Umgang mit neuen IT-Systemen, die Interpretation großer Datenmengen sowie kreative Problemlösungskompetenz und die Fähigkeit, eigenverantwortlich zu handeln. Besonders wichtig ist die Fähigkeit sich rasch auf neue Gegebenheiten einstellen zu können“, zählt Sorko auf.
Nun stellt sich die Frage: Wo findet man diese? Oder noch besser: Wie kann man junge Menschen dafür ausbilden? Dieser Frage ging eine Studie nach, die gemeinsam von der FH Joanneum und der Metalltechnischen Industrie Steiermark durchgeführt wurde. Dabei sah man sich vor allem an, wie derzeit ausgebildet wird und verglich die duale Lehrlingsausbildung mit der akademischen Variante an der FH. Abgerundet wurde die Studie durch eine zugrundeliegende Bachelorarbeit von Florian Muhrer.
Wo die Probleme liegen
Sechs Studienrichtungen wurden mit der Lehre verglichen – und dabei zeigte sich vor allem, dass es bei den gesetzlichen Ausbildungsplänen in der Lehrlingsausbildung Aufholbedarf gibt. Während die akademische Ausbildung bereits besser an die Anforderungen der Digitalisierung angepasst wurde, hinkt man im dualen System noch hinterher. „Ein Grund dafür ist, dass die Anpassungsprozesse in beiden Bildungsbereichen derzeit länger dauern als die Volatilität der Branchenanforderungen fordern würde“, so Sorko.
Ausbildungspläne hinken hinterher
Doch nun zur guten Nachricht: Was am Papier steht, hat aber nicht immer etwas mit der Praxis zu tun. So merken die Studienautoren an, dass „viele Unternehmen innerbetrieblich schon auf die Anforderungen der Digitalisierung reagiert haben und in die Ausbildung ihrer Lehrlinge einfließen lassen. Es ist ein Theorie-Praxis-Gefälle erkennbar.“ Es hinken also großteils vor allem die Ausbildungspläne in der Lehre hinterher, in den Betrieben selbst wird durchaus bereits an der Vermittlung digitaler Kompetenzen gearbeitet.
Dass die Hochschulen besser auf die Anforderungen der Digitalisierung vorbereitet seien, zeige sich auch an der Tatsache, dass die Studienpläne häufiger novelliert werden – nämlich meist im Jahrestakt. Die Ausbildungsverordnungen hingegen würden häufig aufgrund von Interessenskonflikten seltener novelliert. „Österreich braucht sehr lange, um solche Änderungen auf gesetzlicher Ebene zu verankern. Da herrschen nicht immer die gleichen Interessen aller beteiligten Akteure“, bringt es Helmut Röck, Geschäftsführer der Metalltechnischen Industrie Steiermark, auf den Punkt. Lösungsansätze wären einerseits die Optimierung und Verschlankung der derzeitig geltenden Novellierungsprozesse, um flexibler auf Neuerungen reagieren zu können. Andererseits wäre ein regelmäßiger Austausch zwischen Bildungsanbietern, Unternehmen, dem Staat und den Auszubildenden nötig, um am Puls der Zeit zu bleiben.
Was getan werden kann
In einem zweiten Schritt versuchte man in der Studie die Frage zu lösen, welche Kompetenzen man bei Aus- und Weiterbildungsprogrammen forcieren sollte. Dabei zeigte sich, dass es nicht nur beim IT-Wissen, sondern auch bei den Soft Skills Handlungsbedarf gibt. Folgende Schlüsselkompetenzen sind laut Studie fürs Arbeiten im digitalisierten Arbeitsumfeld entscheidend:
Fach- und Methodenkompetenz, also das klassische inhaltliche Wissen (IT- und Fachkenntnisse).
Persönliche Kompetenzen wie Entscheidungs- oder Problemlösungsfähigkeit oder Führungskompetenzen. Hier besteht gerade bei der Lehre Aufholbedarf, im akademischen Bereich wird dies bereits trainiert.
Soziale Kompetenzen – und hier gibt es sowohl im akademischen Bereich als auch in der Lehrlingsausbildung einiges zu tun. „Die Fähigkeit zu interagieren wird ganz zentral werden. Man arbeitet in interdisziplinären Netzwerken“ , sagt Röck.
Es gibt also vor allem in der Förderung persönlicher und sozialer Kompetenzen Handlungsbedarf – und das nicht nur im Hochschulbereich, sondern auch in der Facharbeiterausbildung. Die Forderung der Studienautoren lautet deshalb: Lehr- und Lernmittel müssen sich der schnelllebigen Entwicklungen im gleichen Tempo anpassen und neue Formen des Unterrichts müssen klassischen Lehrkonzepten weichen. „Nur durch agile, vernetzte und handlungsorientierte Lehr-Lernansätze können die Arbeitskräfte von Morgen auf die Anforderungen der Digitalisierung vorbereitet werden“, fasst Sabrina Sorko zusammen.