Industrie Informatik : Die produzierende Industrie und Industrie 4.0 – quo vadis?

Am Podium diskutierten die Geschäftsführer von Industrie Informatik Dipl.-Ing. Bernhard Falkner, Ing. Thomas Krainz und Dipl.-Ing. (FH) Eckhard Winter mit Dipl.-Ing. (FH), Christian Altmann MBA als Leiter Clusterland Oberösterreich, Mag. Jürgen Resch, kaufmännischer Geschäftsführer der voestalpine Europlatinen, einem erfolgreichen Anwender der Industrie Informatik MES-Software cronetwork und Univ.-Prof. Dr.-Ing. Detlef Gerhard vom Forschungsbereich Maschinenbauinformatik und Virtuelle Produktentwicklung der TU Wien. Die Gesprächsrunde wurde von Dr.-Ing. Frank Zwißler vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung moderiert.Industrie 4.0 ist eine Antwort der Forschung und Industrie auf die steigende Komplexität und Vielfalt, die sich den produzierenden Unternehmen in den letzten Jahren als Herausforderung gestellt hat und auch zukünftig sehr deutlich zunehmen wird.
Herr Winter, wie gehen Sie als Geschäftsführer von Industrie Informatik mit dem Thema Industrie 4.0 um, wo sehen Sie sich heute?Winter: Ich glaube, dass man mit dem Programm Industrie 4.0 hier Themen adressiert hat, die dazu führen werden, dass die produzierenden Unternehmen in Europa gestärkt werden und sich hinsichtlich der Produktionsleistung in einer gesunden Wettbewerbssituation befinden. Die Konzentration auf eine noch stärkere Vernetzung der Industrieabläufe untereinander wird eine nachhaltige Standortsicherung nach sich ziehen. Softwaresysteme gehören als Produktivitätsfaktor mit zu diesem Themenkomplex.Wir merken, dass Industrie 4.0 eine erhöhte Nachfrage nach Systemen auslöst, denn wir bekommen laufend Anfragen unter dem Leittitel Industrie 4.0. Ein schiefes Bild entsteht aber, wenn jemand glaubt, dass man Industrie 4.0 im Laden kaufen kann. Es wäre gefährlich, daraus eine einfache Marketingstrategie zu machen.
Industrie 4.0 ist ein sehr großes Themenfeld. Herr Dipl.-Ing. Falkner wo würden Sie sich in diesem Themengebiet positionieren und wie gehen Sie mit Ihrem Produktportfolio damit um?Falkner: Wir sehen uns als einer von vielen Mitspielern von Industrie 4.0, die ihren Nutzen nur dann voll entfalten können, wenn viele Komponenten effizient zusammenspielen.Unsere MES-Lösung cronetwork kann und soll hier eine sehr gewichtige Rolle spielen. Erstens kann sie die Aufgabe einer Datendrehscheibe für alle Produktionsdaten eines Unternehmens erfüllen und die vertikale und horizontale Integration realisieren. Weiters auch hinsichtlich der Mitarbeiter, denn diese brauchen eine gut aufbereitete Informationsdarstellung, um qualifizierte Entscheidungen treffen zu können. Das ist ein Anspruch den Industrie 4.0 stellt und den wir, denke ich, bestens erfüllen können.
Herr Dipl.-Ing. Altmann, Sie sind Leiter des Clusterlandes Oberösterreich. Wie sehen Sie die Positionierung von Industrie 4.0 auf der politischen Ebene und die Transformation des politischen Willens auf die Industrie selbst?Altmann: Einleitend möchte ich sagen, dass Industrie 4.0 bis vor kurzem immer als „4. Industrielle Revolution“ bezeichnet wurde. Es ist aber ganz wichtig, dass sich in der Politik aber auch bei den Unternehmen und den Forschungseinrichtungen langsam die Erkenntnis durchsetzt, dass es weniger um eine Revolution als vielmehr um eine Evolution reifer und stabiler Technologien im Bereich der IKT, der Produktionswirtschaft und der Mechatronik geht.Es war wichtig, dass die Politik das Thema aufgegriffen hat, und zwar nicht aus reinem Aktionismus heraus oder weil man getrieben war, sondern aus der zeitgerechten Erkenntnis heraus, dass Handlungsbedarf gegeben ist. Es war notwendig, Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Politik und Interessenvertretungen an einen Tisch zu bringen, um das Thema geplant und strukturiert anzugehen. Das ist genau der Grund warum wir in Oberösterreich eine „Plattform Industrie 4.0“ ins Leben gerufen haben, deren Aufgabe es ist, die relevanten Personen und Stakeholder an einen Tisch zu bringen. Wir wollen gemeinsam darüber nachdenken, welche Rahmenbedingungen gesetzt werden müssen, um uns auf diesen Strukturwandel in der Industrie vorzubereiten.
Eine Umfrage von PricewaterhouseCoopers hat ergeben, dass in den nächsten fünf Jahren über 200 Milliarden Euro in das Thema Industrie 4.0 investiert werden. Herr Mag. Resch, wie gehen Sie mit dem Thema Industrie 4.0 um? Resch: Die Arbeiten multiplizieren sich und das nicht nur an den einzelnen Prozessstufen, sondern auch in der gesamten Supply Chain. Die Lieferanten sind genauso einzubinden wie die Kunden und dort setzt im Grunde auch das Thema Industrie 4.0 an.Wir nennen das in der voestalpine smart production. Wir sehen, dass wir vieles aus dem Konzept Industrie 4.0 bereits vorwegnehmen, ohne uns dessen immer bewusst zu sein. Wir haben viel geschafft, wenn wir die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort in einer konzentrierten Form liefern. Dazu haben wir Partner wie Industrie Informatik. Bei vielen Prozessen steht bei uns der Mensch im Mittelpunkt und wir versuchen die Assistenzsysteme wie cronetwork entsprechend zu nutzen.Wichtig ist, dass der Mitarbeiter durch Industrie 4.0 nicht abgelöst wird, sondern gemeinsam mit den Assistenzsystemen interagiert, um die Produktion so optimal wie möglich auszugestalten. Wir nennen das bewusst „Hybridsysteme“.
Stichwort Zulieferindustrie: Industrie 4.0 im europäischen Kontext zu sehen ist ganz wichtig. Wie hat sich Österreich denn da positioniert, Herr Prof. Gerhard?Gerhard: Zur Begrifflichkeit Industrie 4.0: Ein wesentliches Verdienst dieser plakativen Bezeichnung war, dass man das Thema auf die Agenden der Politik bekommen hat, ausgehend von Deutschland. Das hat natürlich eine sehr starke Sogwirkung. Egal wie man zu dem Begriff selber steht, geht es doch am Ende des Tages darum, wie die Produktionsarbeit in Europa in der nächsten Generation aussieht und wie wir Europa gegenüber Niedriglohnländern wettbewerbsfähig halten. Insofern ist diese Sogwirkung eine sehr positive und unabhängig von den Technologien, die dahinter stecken, ist es die nächste Stufe der Automatisierung. Es ist sehr wichtig, dass das Thema Produktion in dem Hochlohngebiet Europa entsprechend verankert wird.Um konkret auf die Frage einzugehen, wie sich Österreich innerhalb Europas positioniert: Es gibt auf der nationalen Ebene, was die Forschungs- und die Forschungsförderungslandschaft anbelangt, eine starke Awareness, wobei es Programme wie „Produktion der Zukunft“ bereits vor dem Thema Industrie 4.0 gab. Ich glaube Österreich ist, wie auch schon in der Vergangenheit, sehr gut aufgestellt und wir vernetzen uns gut mit dem restlichen Europa.
Herr Krainz, was können sich ihre Kunden bezüglich Industrie 4.0 mittelfristig von Industrie Informatik und Ihrem Produkt cronetwork erwarten?Krainz: Wir werden sehr vehement transparenter werden und unsere Informationen, unsere Daten aber auch unsere Geschäftslogiken offenlegen. Ich glaube, dass das der einzige Weg sein wird, in Zukunft die vertikale und vor allem die horizontale Integration mit vernünftigen Kosten umzusetzen. Ich denke, wir machen schon eine Weile Industrie 4.0, allerdings mühsam und aufwendig. Wenn ich beispielsweise an ein Projekt in der jüngeren Vergangenheit denke, bei dem wir für die Anbindung von drei verschiedenen Industrieöfen von drei unterschiedlichen Herstellern äußerst mühsame Schnittstellengespräche führen mussten, ist hier Handlungsbedarf gegeben.