Chrom : Chromtrioxid ist auf der REACH-Liste gelandet. Ein Fehler?

Hartverchromung
© Lahner KG/Sulzer

"Wir haben den Prozess im Griff.“ Christian Herzog leitet einen Galvanobetrieb in Brunn am Gebirge. Seit über 60 Jahren verchromt die Lahner KG Ventilkugeln für Pipelines. Seine Sicherheitsvorkehrungen: Auf höchstem Niveau. Als Chromtrioxid in den Anhang der REACH-Verordnung aufgenommen wurde, sah Herzog buchstäblich rot. „Wir halten die Grenzwerte ein, das ist Stand der Technik seit über 15 Jahren“, so der Betriebsleiter. „Wir wissen es ist gefährlich, wir treffen allerdings auch die entsprechenden Gegenmaßnahmen.“ Die EU-Kommission sieht das anders: „Es gibt keinerlei Anzeichen, dass das Risiko bei der Verwendung des Chromtrioxids in der Fertigung hinreichend beherrscht wird“, heißt es im offiziellen Schreiben. Für Herzog ist das nicht nachvollziehbar. Einreicher des Verbots und damit schuld an den fragwürdigen Risikowerten ist die deutsche Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA). „Es gibt nicht einmal öffentliche Einsicht in die Daten“, bemängelt Herzog. Gemeinsam mit 185 weiteren Firmen ist er Teil von VECCO, ein Verein zur Wahrung von Einsatz und Nutzung des Chromtrioxids. Im Juli wurde offiziell Klage am obersten europäischen Gerichtshof eingereicht. Die Fronten sind verhärtet, die Politik auf eine harte Probe gestellt. Kommt das Verbot, könnte es das Ende vieler kleinerer Betriebe bedeuten. „Ein weiterer Schritt in Richtung Deindustrialisierung Europas“, schimpfen diese.

Die Luftwerte an den Anlagen sind erschreckend.

„In den letzten 10 Jahren gab es über 240 Fälle, wo Mitarbeiter von Chromverarbeitenden Betrieben an Krebs erkrankt sind.“ Ulrich Föst ist Mitarbeiter in der Gruppe Toxikologie im Fachbereich Gefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffe der BAUA. Jene Bundesanstalt, die dafür gesorgt hat, dass Chromtrioxid auf der REACH-Liste gelandet ist. Ende 2011 wurde es dann offiziell: Die European Chemicals Agency (ECHA) kündigte an, dass Chromtrioxid und Chromsäure mit hoher Priorität in den Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgenommen werden. REACH steht für Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals. Ziel ist es, negative Auswirkungen von Chemikalien auf Mensch und Umwelt zu vermeiden. Im Falle von Chrom betrifft das vor allem ChromVI, auch Chromtrioxid genannt, das für Glanz- und Hartverchromung in der Galvanotechnik verwendet wird. „Unsere Statistik bezieht sich auf die Daten der Berufsgenossenschaft, die regelmäßige Kontrollen in den Galvanobetrieben Deutschlands macht“, so Föst. Gemessen wurden dabei die Luftwerte an den Produktionsanlagen. „Und diese sind erschreckend hoch“, warnt der BAUA-Mitarbeiter. Von bis zu 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft spricht die Bundesanstalt. „Als tolerable Belastung gegenüber diesem krebsauslösenden Stoff wird ein Mikrogramm pro Kubikmeter Luft angesehen“, mahnt er.

Werte sind Betriebsgeheimnis.

Genau diese Werte fechtet VECCO an. „Diese Risiko- und Expositionsdaten sind nicht auf Aktualität, Repräsentativität und Aussagekraft geprüft“, heißt es in der offiziellen Klage an den EUGH. „Wesentliche Informationen werden weggelassen und damit gezielt ein Ergebnis erzeugt“, so Herzog. Es gibt immer noch keine Einsicht, welche Daten offiziell gemessen wurden. „Damit können wir die Richtigkeit nicht bestätigen“, bemängelt er weiter. Der BAUA-Mitarbeiter Föst wehrt sich: „Wir haben diese Daten nicht und wir wollen sie auch nicht. Wir haben kein Interesse daran Firmen bloß zu stellen.“ Die BAUA habe nur die statistischen Auswertungen, die sich auf die Datenbank der Berufsgenossenschaft stützen. „Wenn VECCO die individuellen Daten haben möchte, dann müssen sie sich an die Berufsgenossenschaft und deren Mitglieder wenden“, so Föst. Jedes Unternehmen kenne seine individuellen Werte, die seien aber aufgrund des Datenschutzes Betriebsgeheimnis.

Auf der REACH-Liste zu stehen, bedeutet eigentlich kein Verbot. „Wir pochen auf keine Beschränkung des Chromtrioxids, sondern darauf dass nur diejenigen eine Zulassung erhalten, die den sicheren Umgang mit Chromtrioxid beherrschen“, so Föst. Für Galvanobetriebe heißt das Geld in die Hand nehmen. Denn so ein zusätzliches Authorisierungsverfahren spielt sich im fünf- bis sechsstelligen Bereich ab. „Ein wirtschaften in die eigene Tasche“, ist ein Betreiber eines kleinen Galvanobetriebes in Österreich erzürnt. Er möchte lieber anonym bleiben. Aber für ihn ist klar, dass sich hier nur ECHA, Repräsentant hinter der REACH-Verordnung, bereichern will. Gerade die Klein- und Mittelbetriebe wird diese drohende Zulassung schwer treffen. Das denkt auch Wolfgang Füreder. „Bis jetzt haben wir keine konkrete Info über die Höhe der Kosten, aber viele werden sich den zusätzlichen Aufwand nicht leisten können“, meint der Geschäftsführer von Hartchrom Haslinger. Das Unternehmen ist selbst an der VECCO-Klage beteiligt und fürchtet um seine Kunden. Rund 500 Betriebe, hauptsächlich in Österreich, aber auch Deutschland, Tschechien, Slowakei und Ungarn versorgt Hartchrom Haslinger. Kommt diese Zulassung, bedeutet das für den Lohngalvanikbetrieb einen erheblichen Kostenaufwand. „Der im Endeffekt den Kunden trifft“, so Füreder. Föst will hier schlichten: „Die EU hat eine Staffelung vorgesehen. Kleinere Betriebe bekommen also Rabatte“, so der BAUA-Mitarbeiter. Für Füreder dennoch ein schwacher Trostpreis.

Die Produktion in andere Länder abschieben.

Die Verunsicherung sitzt tief. „Größere Verchromungsbetriebe wandern bereits ab“, warnt Herzog. Die Ironie: Bereits verchromte Bauteile in die EU einzuführen ist legitim. „Es soll die Produktion in Länder mit wesentlich niedrigeren Standards abgeschoben werden“, kritisiert der Betriebsleiter. Moralisch sei dies untragbar und umwelttechnisch fatal. Mit September 2017 wird die Entscheidung in der EU fallen. Schon jetzt hinterlässt das nur angedachte verschärfte Zulassungsmodell seine Wellen. „Automobilhersteller vergeben ihre Aufträge über eine Zeitspanne von acht bis zehn Jahren und werden es sich zweimal überlegen, ob sie im Moment einen europäischen Betrieb wählen“, warnt Herzog. REACH schwebt wie ein Beil über den Köpfen der Galvanobetriebe. Die Frage die bleibt, ist die Richtigkeit nach den zugrundeliegenden Messungen. „Es kann nicht sein, dass ein paar schwarze Schafe repräsentativ für die ganze Branche sind“, so Füreder. Er beharrt wie VECCO auf die Bekanntgabe der Galvanosünder. Hartchrom Haslinger hat in der Vergangenheit bereits kräftig in seine Sicherheitsvorkehrungen investiert. Das Unternehmen unterliegt der Seveso II-Verordnung, einer der höchsten Sicherheitsstufen der EU. Dass 2017 ein neues Zulassungsmodell kommen wird, davon ist Füreder bereits überzeugt. „Ich hoffe nur nicht in dieser Form.“

Chromtrioxid auch genannt Chrom(VI)-Verbindung

Verwendung: Verzinkung von Schrauben, Beschichtung von Maschinenteilen mit Hartchrom, Herstellung von metallischen, meist nickel- oder platinhaltigen Katalysatoren, Verchromung von Stahlrohrmöbeln, Motorrädern, Vergoldung von Schmuck und Essbesteck.

Eigenschaften: große Verschleißfestigkeit, Korrosionsbeständigkeit, geringe Haftreibung, große Härte.

Gefahr: giftig, stark ätzend als wässrige Lösung, mutagen, karzinogen, allergische Reaktionen, Entzündung der Schleimheute

Auch interssant: Chrom VI wird auch für den Gerbprozess von Leder eingesetzt. Erst Anfang April musste das Versandhaus Zalando über 1.500 Paar Schuhe zurückrufen. Laut Kontrollen wurde die zulässigen Höchstwerte bei weitem überschritten.