Ranking : Anlagenbau: Die fetten Jahre sind vorbei
„Besorgniserregend“ - so bezeichnete Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel Anfang Oktober den Zustand der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer. Denn die Konjunkturlokomotive der deutschen Wirtschaft verliert zunehmend an Fahrt: Seit Jahresbeginn sind die Aufträge stetig gesunken – allein im August lag das Minus gegenüber dem Vormonat bei 17 Prozent. Der VDMA rechnet angesichts dieser Entwicklungen für 2019 und 2020 mit einem Produktionsrückgang von jeweils zwei Prozent. Im vergangenen Jahr hatte die Branche noch ein Plus von gut zwei Prozent erzielt.
Sorgenfalten werden tiefer
Auch in Österreich werden die Sorgenfalten auf den Stirnen der Anlagenbauer zunehmend tiefer. „Der Anlagenbau steckt, wie die gesamte Metalltechnische Industrie, auch schon mitten im Abschwung“, sagt Christian Knill, Obmann des Fachverbandes der Metalltechnischen Industrie. Zwar habe das erste Halbjahr positive Zahlen gebracht, seien doch die Exporte im Anlagen- und Maschinenbau um 4,2 Prozent gestiegen. Das zweite Quartal habe jedoch schon eine deutliche Einbremsung gezeigt. Der Zyklus in dieser Branche sei aber anders als in vielen anderen Industriebranchen im Metallbereich. „Die Auftragsabwicklung ist deutlich länger, das heißt die Produktionsdaten bleiben länger positiv, auch wenn die Aufträge schon zurückgehen.“, erklärt Knill. Der Fachverband wisse aus den Befragungen der Unternehmen, dass das dritte Quartal wahrscheinlich schon negativ war und das vierte auf in etwa in diesem Niveau bleibt. „Für 2020 rechnen wir nicht mit einer Verbesserung“, sagt Knill.
Durchwachsene Entwicklung in den Andritz-Sparten
Dass nicht mehr alles eitel Sonnenschein ist, sieht auch der Technologiekonzern Andritz: Zwar hat das Unternehmen Anfang August die Aussichten für das Gesamtjahr bestätigt, doch in den einzelnen Sparten gibt es unterschiedliche Entwicklungen. Trotz diverser Großaufträge, wie der Lieferung zweier Pumpturbinen für ein von der Strabag zu errichtendes Pumpspeicherkraftwerk in Dubai, verzeichnete die Hydro-Sparte im ersten Halbjahr einen Umsatzrückgang von 6,7 Prozent auf 675,6 Millionen Euro. Anders sieht es beim Geschäftsbereich Andritz Pulp & Paper aus: In dieser Sparte legten die Umsätze um mehr als ein Viertel (29,8 Prozent) auf rund 1,3 Milliarden Euro zu. Auch der Bereich Separation verzeichnete ein Umsatzplus von 10,8 Prozent auf 317,8 Millionen Euro. Insgesamt kletterte der Umsatz des Unternehmens in den ersten sechs Monate um 10,8 Prozent auf rund 3,1 Milliarden Euro. Einen deutlichen Rückgang gab es jedoch beim Gewinn: er lag bei 77,5 Millionen Euro, das ist fast ein Viertel weniger als vor einem Jahr. Grund dafür ist vor allem die Entwicklung bei der deutschen Metals-Tochter Schuler, der die Schwäche am internationalen Automobilmarkt und die damit verbundenen niedrigen Investitionsaktivitäten der Automobilhersteller und -zulieferer zu schaffen machen. Als Reaktion darauf hat der Vorstand der Schuler AG bereits im Sommer eine Verringerung der Fertigungskapazitäten sowie den Abbau von rund 500 Mitarbeitern in Deutschland – hauptsächlich in der Fertigung – beschlossen.
Lisec im Sog der Automobilindustrie
Die Konjunktur sei „heterogen“, sagt auch Lisec-CEO Gottfried Brunbauer. Im Sog der Konjunkturabschwächung in der Automotive-Industrie würden insbesondere jene Roh-Glas-Hersteller (= Glashütten) und jene Verarbeiter den Abschwung zu spüren bekommen, die direkt oder indirekt ein nennenswertes Geschäftsvolumen mit Automotive-Glas abwickeln würden. Im Bau sei die Konjunktur bisher jedoch ungebrochen, dementsprechend sei auch die Stimmung bei den Verarbeitern für Fenster-, Fassaden- und Architekturglas nach wie vor positiv. Lisec bediene mit seinen Lösungen und Services fast ausschließlich Zweitere und würde den Abschwung daher bisher nicht spüren. „Dazu kommt, dass wir damit den gesamten Weltmarkt abdecken und die Konjunktur in wichtigen Überseemärkten etwa durch strengere Umweltschutzvorschriften mit einem deutlichen Trend zu höherwertigen Glaselementen unabhängig von der allgemeinen Wirtschaftskonjunktur getragen wird“, erklärt Brunbauer, der die Aussichten zumindest für 2020 als „weiterhin deutlich positiv“ bezeichnet. Ungeachtet dessen würde sich Lisec mit konkreten Szenario-Rechnungen und damit verbundenen, vorbereiteten Maßnahmenplänen, mit der Entwicklung eines „Vorsorgekontos“ zur Überbrückung von Auslastungsschwächen ohne nennenswerten Personalabbau gemeinsam mit dem Betriebsrat sowie mit laufenden Kostensenkungen zur Stärkung der Ertragskraft auf allfällige Konjunkturschwankungen in der Zukunft vorbereiten.
Seilbahnbahngeschäfte florieren
Optimistisch in die Zukunft blickt auch Gerhard Gassner, Geschäftsführer der Doppelmayr Seilbahnen GmbH: „Unsere Auftragslage im heurigen Jahr ist zufriedenstellend. Wir hoffen auch im kommenden Jahr trotz Konjunkturabflachung einen ähnlichen Umsatz zu erreichen“. Und somit auch weiterhin kräftig zum Wachstum der Konzernmutter Doppelmayr Holding beizutragen: Diese erzielte im Geschäftsjahr 2018/2019 (per Ende März) einen Rekordumsatz von 935 Millionen Euro. Kräftige Impulse durch Seilbahnen im urbanen Sektor, investitionsstarke Kunden im Winterbereich und Großprojekte im Materialtransport resultierten in einer Umsatzsteigerung von 10,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Die Entwicklungen für Seilbahnen im urbanen Bereich sowie das hohe Niveau der Projekte in Skigebieten weltweit stimmen uns positiv“, so Gassner. Erst Mitte September fand in Mexico City der Spatenstich für das erste urbane Seilbahnprojekt mit der neuen Seilbahngeneration D-Line statt. Bis Anfang 2021 werden in der mexikanischen Hauptstadt über neun Kilometer Seilbahnstrecke entstehen. Ein anderer prestigeträchtiger Auftrag ist die Erneuerung der Seilbahnen von Stechelberg auf den Schilthornberg in der Schweiz. Anstelle der bestehenden Luftseilbahnen baut Doppelmayr/Garaventa voraussichtlich ab 2021 für die Schilthornbahn AG vier Funifors (windresistentere Seilbahn durch breite Seilspur) und eine der steilsten Pendelbahnen der Welt mit einer maximalen Steigung von 160 Prozent. Das gesamte Auftragsvolumen beläuft sich auf 45 Millionen Schweizer Franken, die Inbetriebnahme erfolgt 2026.
Dunkle Wolken am Konjunkturhorizont
Deutlich weniger optimistisch blickt hingegen Christian Knill in die Zukunft: „Nach dem Wachstum in den letzten Jahren haben wir schon länger mit einem Rückgang gerechnet. Womit wir nicht rechnen konnten, waren die vielen externen Gründe die diesen Abschwung verstärken und beschleunigen“. Allen voran die Krise in der deutschen Automobilindustrie. „Hier hängt ein großer Teil der österreichischen Metalltechnischen Industrie direkt oder indirekt dran“, sagt Knill. Dazu seien Einschränkungen im Freihandel gegenüber Großbritannien und den USA gekommen. Auch der Zollstreit zwischen den USA und China schade der Branche indirekt.
Brexit kostet TGW einige Millionen
Und auch der Brexit trägt nicht gerade dazu bei, die Situation zu entschärfen. „Einige Millionen Euro“ hat er etwa den oberösterreichischen Logistikanlagenbauer TGW im abgelaufenen Geschäftsjahr 2018/19 (per 30. Juni) gekostet. TGW konnte zwar den Umsatz von 713,1 auf 719,6 Millionen Euro steigern, ein größeres Wachstum sei – unter anderem durch den Brexit-Prozess, der zu Projektverschiebungen geführt habe - verhindert worden. „Solange es keine positiven Impulse von Seiten der externen Faktoren gibt, sehen wir schwarz für eine baldige Aufwärtsbewegung. Wir sind von den Exporten zu sehr abhängig“, sagt der Fachverbandsobmann. Angesichts dessen müsse eine neue Bundesregierung rasch handeln, um dem Abschwung entgegen zu steuern. Investitionen sollten belohnt und nicht durch Bürokratie behindert werden, bei den Lohnstückkosten sollte Österreich die Spitzenposition abgeben. Daneben sollte sich die neue Regierung der Entlastung, etwa bei hohen Lohnnebenkosten oder der Abschaffung der kalten Progression, widmen. „Darüber hinaus braucht es aber auch ein klares „Ja“ zum Freihandel. Unser Wohlstand hängt davon ab – nicht mehr und nicht weniger“, sagt Knill.
Hier geht es zum Anlagenbau-Ranking 2019.