Luftfahrt : AIT arbeitet an Green Deal für die Luftfahrt
Kürzlich erfolgte der Startschuss für das europäische Forschungsprojekt SUSTAINair (SUSTAINablility increase of lightweight, multifunctional and intelligent airframe and engine parts). In den nächsten Jahren forscht das LKR Leichmetallkompetenzzentrum Ranshofen an der Entwicklung leichter, multifunktionaler und intelligenter Struktur- und Triebwerksteile für Flugzeuge. Im Fokus stehen dabei die Entwickung neuer Metall- und Verbundwerkstoffe, deren effizienter Einsatz, innovative Fügetechnologien, die Integration von Sensoren in Bauteile sowie das Recycling der Materialien.
Einer aktuellen internationalen Studie der International Energy Agency (IEA) zufolge trägt die Luftfahrt am menschengemachten Klimawandel mit rund 2,5 Prozent der globalen CO2-Emissionen bei. Geht man davon aus, dass der Flugverkehr trotz des Einbruchs durch die Coronakrise der am stärksten wachsende Verkehrssektor bleibt, besteht hier also Handlungsbedarf. So hat auch die Luftfahrt ihren aktiven Beitrag zu den im Europäischen Green Deal verankerten Zielen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 zu leisten.
Ziel von SUSTAINair ist es darum, die gesamte Wertschöpfungskette im Einklang mit dem Circular Economy Action Plan der Europäischen Union umweltverträglicher zu gestalten und neue Standards für die Luft- und Raumfahrtproduktion zu setzen. Sektorübergreifende Synergien – beispielsweise zwischen dem Automotive-Bereich und der Luftfahrt – sollen so besser genutzt werden. „Basierend auf dem Ansatz der Kreislaufwirtschaft entwickelt SUSTAINair eine Grundlage für einen kosteneffizienteren, CO2-emissionsarmen Betrieb und bekämpft gleichzeitig den Anstieg von Ressourcenverbrauch und Abfall. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde SUSTAINair von der Future Sky Forschungsinitiative der Association of European Research Establishments in Aeronautics (EREA) initiiert“, so LKR-Experte Rudolf Gradinger, der die SUSTAINair-Projektidee maßgeblich mitentwickelt hat.
Europäische Zusammenarbeit unter der Leitung des AIT
SUSTAINair startete im Jänner 2021, hat eine Laufzeit von mehr als drei Jahren und ist mit einem Budget von fünf Millionen Euro ausgestattet. Das Konsortium besteht aus elf europäischen Forschungs- und Industriepartnern. Koordiniert wird das Projekt vom LKR Leichtmetallkompetenzzentrum Ranshofen, das zum Center for Low-Emission Transport des AIT Austrian Institute of Technology gehört.
Jürgen Roither, Research Engineer am LKR und SUSTAINair-Projektleiter, sagt: „SUSTAINair adressiert alle Phasen der Wertschöpfungskette durch das zirkuläre Design der Flugzeugkomponenten, angefangen bei Herstellung über Wartung und Reparatur bis hin zu Montage und Recycling. Die Expertise und mannigfaltige Kompetenz der Projektpartner bilden dabei die Grundlage für den Erfolg unserer Forschungsarbeit.“
Verbesserung des Buy-to-Fly-Verhältnisses
Das Konzept der Kreislaufwirtschaft verfolgt den Ansatz, das Potenzial vorhandener Ressourcen bestmöglich auszuschöpfen, indem die verwendeten Werkstoffe so lange wie möglich in Gebrauch bleiben und so ihren Gesamtwert über den Lebenszyklus hinweg erhöhen. Die Nachfrage der Luft- und Raumfahrt nach hochwertigen Materialien geht typischerweise mit großen Mengen an Abfall während des Herstellungsprozesses einher. Dies gilt sowohl für Metalllegierungen als auch für Verbundwerkstoffe. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem nachteiligen Buy-to-Fly- Verhältnis; der Materialnutzungsgrad liegt oft nur bei 15 bis 20 Prozent.
Die neuartigen Up- und Recycling-Methoden jedoch, die im Rahmen von SUSTAINair sowohl für Metall- als auch für Kunststoffverbundwerkstoffe in der Luftfahrt entwickelt werden, können zu einer erheblichen Verringerung der Abfälle beitragen, die während des Herstellungs- und End-of- Life-Prozesses entstehen. Recycling-Lösungen werden für duroplastische Carbon- und Glasfasermaterialien sowie für thermoplastische Hochleistungsverbundwerkstoffe entwickelt. Wie SUSTAINair-Koordinator Roither erläutert, zielt das Projekt darauf ab, Near-Net-Shape- Komponenten (Bauteile, die in Größe, Masse und Form möglichst nahe am Endprodukt gefertigt werden) für die Luftfahrtindustrie zu entwickeln, um das Buy-to-Fly-Verhältnis auf nahezu Eins zu reduzieren. Das ist zwingend erforderlich, wenn mehr Material entlang der Wertschöpfungskette genutzt als weggeworfen werden soll. Dies soll durch die Verwendung von kürzlich entwickelten nanoeutektischen Aluminiumlegierungen am AIT LKR in Kombination mit fortschrittlichen Druckgusstechnologien erreicht werden. „Eine solche Verarbeitung gilt in der Automobilindustrie als schnell und effizient. Die im Rahmen von SUSTAINair adaptierte Technik und entwickelten Materialien werden die Herstellung von Komponenten für die Luft- und Raumfahrt ebenfalls schneller, effizienter und sauberer machen", so Roither.
Neuartige Komponenten zur Gewichtsrteduktion und Effizienzsteigerung
Im Rahmen von SUSTAINair sollen auch neuartige Metalllegierungen und Verbundwerkstoffe wie kohlenstofffaserverstärkte Polymere eingesetzt werden, um die Masse von Flugzeugen zu reduzieren und gleichzeitig ihre aerodynamische Effizienz zu erhöhen. Bereits geringfügige Änderungen an den Materialien oder an der Flugzeugstruktur können einen entscheidenden Beitrag zur Reduktion des Treibstoffverbrauchs und somit der umweltschädlichen Emissionen leisten.
In diesem Sinne wird das Projektkonsortium nicht nur neuartige Materialien für einen flexiblen Flügel entwickeln, sondern auch Techniken für die Integration von Sensoren in das Material solcher Flugzeugkomponenten. Die Überwachung von Echtzeitdaten ermöglicht es den Betreibern beispielsweise, die Wartungszyklen den tatsächlich aufgetretenen Betriebslasten anzupassen, was gleichzeitig die Sicherheit und die Zuverlässigkeit der Flugzeugstrukturen erhöht und die Wartungskosten senkt.
Eine Kombination von Metall- und Verbundwerkstoffen erfordert spezielle technologische Lösungen für Füge- und Reparaturvorgänge sowie für zirkuläre Ansätze im End-of-Life-Prozess. Das im Rahmen von SUSTAINair entwickelte Konzept ist deshalb so gestaltet, dass innovative Techniken entlang der gesamten Wertschöpfungskette möglich sind, die dann dem Material insgesamt eine längere Lebensdauer verleihen. Mitberücksichtigt werden dabei auch die Demontage am Ende des Lebenszyklus und das Upcycling.