Plattform-Buhlen : Adamos versus Mindsphere World: Wer hat die besseren Karten?

Die neue, digitale Welt verlangt auch ein neues Styling von der Industrie: Krawatten waren auf dem Mindsphere World Event in Berlin nicht gefragt. Die Herren blieben im dunklen Anzug und weißem Hemd, manche kamen sogar mit Turnschuhen. Nur Show? Vielleicht, aber die Nutzerorganisation von Siemens will etwas ändern, will die Prozesse, das Denken in der Industrie verändern, will neue Partner in die Industriewelt locken, will Plattform sein, will attraktiv sein, will neu sein, will sich offen präsentieren. Und vor allem: Will sich auch absetzen vom Wettbewerber Adamos, der seine Gründung in einer klassischen Pressekonferenz bekannt gab – auch ohne Schlips. Schöne neue Industriewelt?

„Die Adamos-Gründung hat damals einige bei uns sehr überrascht und wir mussten aktiv werden.“ Ein Siemens-Insider

„Die Adamos-Gründung hat damals einige bei uns sehr überrascht und wir mussten aktiv werden“, berichtet ein Siemens-Mann rückblickend. Industrievorstand Klaus Helmrich persönlich entwickelte die Idee, trommelte Mitstreiter zusammen. Im Herbst kurz vor der SPS IPC Drives war man sich dann einig. Die Geburtsstunde von Mindsphere World. „Jetzt haben wir auch unsere Nutzerorganisation“, fasst der Siemens-Mann trocken zusammen. Ist Mindsphere World also doch nicht mehr, wiederholt sich die Geschichte der Feldbus-Nutzerorganisationen?

Fakt ist: Die Mindsphere World Vereinsmitglieder sollen auch Input geben, wie sich das Siemens-Produkt verbessern lässt, wie man neuen Geschäftsmodelle abbilden kann. Außerdem habe der Zusammenschluss eine stärkere Außenwirkung, ein Bekenntnis großer, wichtiger Industrieunternehmen zu Siemens. Auffällig: Siemens hat es geschafft, eine Bandbreite von Unternehmen für den Verein zu gewinnen. Kuka, Festo, Rittal, Heitec, Trumpf, Sick, Eisenmann, Chiron oder Schmalz – alles Unternehmen, die mit Hardware, Maschinen oder Elektronik, erfolgreich geworden sind. Es fehlen noch die Softwareentwickler, die Unternehmen, die die Apps entwickeln sollen, die das Ökosystem mit neuen Ideen bereichern, die Menschen, überspitzt formuliert, die keine Krawatte tragen.

Und Adamos? Medial hört man wenig von dem Zusammenschluss, von der GmbH. Als neue Mitstreiter oder Mitgesellschafter konnten die Gründungsfirmen DMG Mori, Zeiss, Dürr, ASM und die Software AG in letzter Zeit „nur“ Engel aus Österreich präsentieren. Das Ziel der Unternehmen: „Als Deutschlands erste Allianz aus namhaften Industrie- und Software-Unternehmen will Adamos als globalen Branchenstandard etablieren und zusätzlich weitere Maschinenbauer als Partner gewinnen.“ Aus reiner Nächstenliebe? Fehlanzeige: Als Teil der Plattform Adamos will Messtechnik-Hersteller Zeiss der Einzug in die Digitalisierung gelingen. Ein Trittbrettfahrer á la Industrie 4.0? Wohl kaum.

Adamos oder Mindsphere, Bosch oder am Ende vielleicht doch SAP? Elektronikfertiger ASM ist zum Beispiel in beiden Plattformen vertreten – in Mindsphere World und Adamos. Kuka hat sogar eine eigene Plattform, Trumpf auch. Diese miteinander zu vernetzen, die Apps miteinander zu verbinden und vor allem die kleinen Zulieferer und Kunden zu gewinnen, das wird die große Aufgabe sein. Und eines ist klar: Konkurrenz belebt das Geschäft.

DMG Mori, Dürr, Software AG, Dualis, Zeiss, Itac Software, Istos, Schenck, Homag, Engel, ASM Assembly Systems, Weber, Oerlikon, Mahr, Karl Mayer, Illig

ASM Assembly Systems, Chiron Group, Eisenmann, Festo, Gebr. Heller Maschinenfabrik, Grob-Werke, Heitec, Index-Werke, J. Schmalz, Kampf Schneid- und Wickeltechnik, Kolbus, Kuka, FFG Europe & Americas (MAG IAS), Nordischer Maschinenbau Rud. Baader, Rittal, Trumpf Werkzeugmaschinen, Michael Weinig, Sick

Mindsphere World ist ein Verein, in dem sich mehrere Unternehmen zusammengeschlossen haben – an der Spitze steht Siemens. Mindsphere World darf also nur ideelle (nicht wirtschaftliche) Zwecke verfolgen, darf jedoch zur Erreichung des Vereinsziels ein Gewerbe betreiben.

Adamos GmbH hat einen klaren wirtschaftlichen Auftrag. Die Partner bringen 200 Mitarbeiter, 30 Applikationen auf digitalen Marktplätzen (Celos, Tapio, Loxeo, Zeiss Apps) ein. Dazu kommen 60 Millionen Euro als Investment.

In der Mindsphere World haben sich Mindsphere-Nutzer zusammengeschlossen, um auch das Produkt von Siemens zu verbessern und neue Entwicklungen für die Software oder Plattform anzustoßen. Es sollen auch Standarddiskussionen geführt werden. Fokus: Übergreifende Datensemantik in Cloudplattformen oder in Apps in einer Produktionslinie mit unterschiedlichen Maschinen.

Bei Adamos ist ein wenig unklar, wer der Treiber ist. Es gibt keine verbindende Plattform, ein Produkt wie Mindsphere, sondern viele Apps und Anwendungen. Die Gesellschafter aus den unterschiedlichen Branchen wollen selber Standards mit Adamos entwickeln.

Adamos versteht sich bereits als Plattform für IIoT-Anwendungen. Es fokussiert medial weniger konkret spezifische Softwarelösungen.

Mindsphere World will sich zur Plattform entwickeln und bindet deshalb externe im Verein mit ein, um das Siemens-Produkt zu erweitern, zu verbessern und neue Technologien einzubringen.

Der Verein setzt auf Italien, Japan, Korea und die USA als Wachstumsmärkte. Auf Nachfrage dieser Redaktion wurden auch Indien und China bestätigt.

Auch Adamos orientiert sich markttechnisch gen Asien. Genaueres ist noch nicht kommuniziert.

Adamos stellt IT-Dienste für die Produktion bereit, speichert und analysiert produktionsrelevante Daten. Die Plattform ermöglicht eine firmenübergreifende Vernetzung von Produktionsprozessen. Was sich hinter den Apps verbirgt ist noch unklar. Fakt: Der Marktplatz ist ein Ziel, aber auch das Betriebssystem, wenn Daten gespeichert und analysiert werden sollen. Letzter Schritt wäre dann die Befehle aus der Plattform in den Shopfloor zu geben oder die Datenanalyse verändert Einstellungen an den Maschinen – in Echtzeit. Aber mit der Latenz haben sowohl Adamos als auch Mindsphere World noch zu kämpfen. Auch Mindsphere soll das möglich machen. Abstraktion samt Ökosystem sind die Stichworte und das infrastrukturunabhängig.

Beide Plattformen stehen im Wettbewerb und buhlen um die begehrten Unternehmen. Auffällig: Bei der Mindsphere World ist die Mischung der Branchen deutlicher. Neben Sick für Sensoren sind auch Automatisierer wie Rittal, Festo oder Kuka aber auch Maschinenbauer Trumpf, Gebr. Heller mit dabei. Vielleicht ist aber der Wettbewerb auch nur herbeigeredet und geschrieben, denn immerhin sind manche Unternehmen außerhalb der Plattformen auch Partner: Beispiel DMG Mori (Adamos) und Heitec (Mindsphere World) oder ASM, der in beiden Plattformen aktiv ist. Doch die Erfahrung mit Nutzerorganisationen zeigen auch: Es gibt Unternehmen, die treten in Nutzerorganisationen ein, um Themen bewusst auszubremsen oder Diskussionen in andere Richtungen zu treiben.