Industrie 4.0 : Adamos' Mittel für die Plattform-Poleposition
Die Erwartungen sind hochgesteckt, aber auch klar definiert: Nicht weniger als ein globaler Branchenstandard soll es werden, was die fünf prominenten deutschen Industrie- und Softwareunternehmen Anfang September unter dem Namen Adamos präsentierten. Hinter dem Begriff steckt nämlich ein Joint Venture der deutschen Mittelständler DMG Mori, Dürr AG, Software AG und Zeiss sowie ASM PT. Das vorrangige Ziel von Adaptive Manufacturing Open Solutions (als Akronym „Adamos“): Am Weg zur Industrie 4.0 will man das Digitalisierungs-Heft jetzt also wieder selbst in die Hand nehmen. Das Konsortium steht freilich auch weiteren Maschinenbauern offen, heißt es. Denn mit der Digitalisierung ist das ja so eine Sache. Auf der einen Seite sind Industrie 4.0 und das industrielle Internet der Dinge (IIoT) die aktuell wichtigsten Treiber von Wachstum, Innovation und Produktivität. Auf der anderen Seite ist im Wettrennen um die praktikabelsten Lösungen ein hohes Innovationstempo gefordert. Hohe Investitionen, spezielle Fachkräfte und die Beherrschung neuer Technologien werden vorausgesetzt. Allesamt Anforderungen, die sich vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen oft als Stolperstein erweisen.
Abhängigkeiten vermeiden
Der Weg zu den „Großen“ der Digitalisierungsbranche, wie etwa SAP oder Siemens, ist eine Option, allerdings kommt es da dann schnell zu Abhängigkeiten und zum Verlust der Datenhoheit. Hier setzt jetzt die branchenübergreifende Kooperation Adamos an und stellt allen beteiligten Unternehmen zentral entwickelte Lösungen und Services zur Verfügung. Dies reduziert den Aufwand für den Einzelnen und verhindert gleichzeitig Abhängigkeiten von externen Software-Anbietern, da die Endanwender sowohl die Maschinen als auch die IIoT-Lösungen aus einer Hand beziehen und ihre Daten souverän nutzen können. Dazu stellt die Plattform ein Portfolio mit maschinenbauspezifischen sowie branchenspezifischen Anwendungen zur Verfügung, deren Frontend beim Kunden selbstverständlich variabel ist. Will heißen: Das jeweilige CI des Herstellers kann auch auf den IIoT-Auftritt übertragen werden.
Daten bleiben Eigentum
Adamos versetzt Maschinenbauer also in die Lage, ihren Kunden mit geringem Aufwand erprobte Lösungen für die digital vernetzte Produktion anzubieten. So soll es Maschinenbauern beispielsweise ermöglicht werden, ihre Produkte über die Cloud aus der Ferne zu warten. Durch die Daten, die die Maschinen übermitteln, lässt sich ein allfälliger Wartungsbedarf frühzeitig erkennen und gleichzeitig die Produktion planen – Stichwort: Predictive Maintenance. Auch könnten dann gleich automatisch Ersatzteile bezogen werden, um ein weiteres Anwenderbeispiel anzuführen. Und trotz aller Funktionen müssten die Firmen die Daten ihrer Maschinen und Anlagen nicht aus der Hand geben, sondern könnten diese vielmehr dazu nutzen, die zukünftige Entwicklung der Maschinen zu verbessern.
Software AG statt SAP
Eine solche Cloud-Lösung vollständig selbst zu entwickeln, wäre etwa für DMG Mori gar nicht in Frage gekommen. „Das hätte viel zu lange gedauert und viel zu viel Geld gekostet", sagt Vorstandvorsitzender Christian Thönes. Außerdem wäre es laut Thönes auch fraglich gewesen, ob man die dafür nötigen Mitarbeiter überhaupt gefunden hätte. Diesen Part übernimmt bei Adamos nun die Software AG, die ihr geballtes Knowhow in das Joint Venture einbringt – und damit im Grunde auch das stabile Fundament bildet. „Die Technologieführerschaft und die digitale Kompetenz der Software AG basieren auf Investitionen im Gesamtvolumen von mehr als einer Milliarde Euro“, verdeutlicht Karl-Heinz Streibich, Vorstandsvorsitzender der Software AG, den Einsatz. Das Unternehmen aus Darmstadt „betreut“ jetzt quasi die Adamos-Plattform, die alle Werkzeuge zur Erfassung, Speicherung und Auswertung der gewonnenen Daten zur Verfügung stellt. Auf diese Daten kann dann jeder Partner seine eigenen Applikationen aufsetzen und für seine Kunden anpassen. Übrigens: Die Partnerwahl fiel deswegen auf den zweitgrößten deutschen Softwareanbieter, weil die Software AG – im Gegensatz zum IT-Riesen SAP – dazu bereit ist, nicht selbst an die Endkunden heranzugehen. Es ist eine „Partnerschaft auf Augenhöhe“, wie Thönes und Thomas Spitzenpfeil, Vorstand der Carl Zeiss AG, unisono ergänzen.
Einstiegsticket ab 300.000 Euro
Eine Partnerschaft auf Augenhöhe dürfen auch zukünftige Partner erwarten, wie die Adamos-Gründer bekräftigen. „Wir bieten gerade mittelständischen Maschinenbauern einen Weg, um schnell in die digitale Welt zu kommen", wirbt Dürr AG Vorstandsvorsitzender Ralf W. Dieter. Man kenne die Probleme der Kleineren, eine Teilnahme an der Plattform rechne sich daher selbst für Firmen mit nur 20 Mitarbeitern. Ein entsprechendes „Einstiegsticket“ ins Joint-Venture gibt’s übrigens ab wohlfeilen 300.000 Euro. „Ein einzelnes Unternehmen bräuchte tausende Leute und jahrelang Zeit, um die Kompetenz für ein solches Angebot aufzubauen", rührt Thönes kräftig die Werbetrommel. „Wir sind durch die Allianz deutlich schneller." Und das soll sich schlussendlich auch auf die weiteren Entwicklungskosten auswirken.
Adamos versus Axoom
Offiziell gestartet, wurde Adamos per 1. Oktober – mit 60 Millionen Euro und rund 200 Mitarbeitern im Rücken. Hauptsitz ist in Darmstadt. Adamos sei damit kein Start-up, sondern bereits voll im Saft, heißt es seitens der Gründer. Ein kleiner Seitenhieb auf Axoom, wo man ja seit 2015 einen vergleichbaren Plattformansatz verfolgt. Allerdings wurde Axoom vom Maschinengiganten Trumpf als Start-up gegründet. Dieser firmentechnische Hintergrund ist es übrigens auch, warum kleinere Maschinenbauer Axoom eher mit Vorsicht begegnen würden, munkelt man jedenfalls in der Branche. Dass die Zeit im Kampf um die Plattform-Poleposition drängt, brachte Frank Riemensperger, Chef des Beratungsunternehmens Accenture in Deutschland, erst kürzlich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf den Punkt. Demnach seien derzeit mehr als 1.000 Plattformen für Industrie 4.0 in der Entwicklung. Neben SAP und Siemens bieten auch Konzerne wie Bosch, MAN, Deutsche Telekom, General Electric oder Microsoft Instrumente an, um die Produktion zu digitalisieren. Wie Riemensperger gegenüber der FAZ weitere ausführte, könnten sich am Ende zwei oder drei Plattformen je Branche etablieren. Und bei dieser elitären Gruppe möchte natürlich auch Adamos dabei sein.