Meinung : ABB: Wie ich Ulrich Spiesshofers Siegerlächeln erlebte
Mit einem Siegerlächeln betrat Ulrich Spiesshofer das Wiener Park Hyatt. Lange - fast zehn Jahre, solange kenne er nämlich die Eigentümer Bernecker und Rainer schon - hat der CEO von ABB gewartet, doch jetzt kann er endlich die Weichen für die industrielle Zukunft seines Unternehmens stellen. Mit der Übernahme des Innviertler Paradeunternehmens Bernecker & Rainer gelingt es, eine historische Lücke im Maschinenbauportfolio von ABB zu schließen. Und seit der ersten gemeinsamen Pressekonferenz ist auch klar, wo Spiesshofer künftig hin will: "Wir werden den Abstand zu Siemens deutlich verkleinern“, so seine Kampfansage. Eine Ansage, die man in Eggelsberg wohl nur zu gern hört. "Sehr gut" hätten dort die Mitarbeiter die Übernahme aufgenommen. Und diese ging sehr rasch, denn nach außen drang vorher zu niemanden nichts. Wer aber genauer hinhört, weiß, dass nicht jeder von dieser überraschenden Übernahme so begeistert war. Selbst aus dem oberen Management bei B&R hätten bis zuletzt viele nichts von dem Deal gewusst und fühlen sich nun leicht übergangen.
Deal des Lebens
In Wien witzelte Spiesshofer gegenüber den Journalisten weiter: So musste der ABB-CEO unlängst noch in sich hinein schmunzeln, als ein indischer Kunde schillernd von der Innovationslaune eines Industrielektronikherstellers namens B&R erzählte – längst liefen zu dem Zeitpunkt die Verhandlungen mit dem Eigentümerduo Bernecker und Rainer. Übrigens dürften letztere wirklich den Deal ihres Lebens gemacht haben, denn Branchenkenner schätzen die Verkaufssumme auf rund 1,8 Mrd. Euro. Spannend wird, ob ABB seiner öffentlichen Verpflichtung den Umsatz von B&R – derzeit 600 Millionen - auf eine Milliarde zu treiben, nachkommen können wird. Bis wann ließ er allerdings offen. Die Integration eines Familienunternehmens in einen Weltkonzern wie ABB könnte, so meint zumindest die Konkurrenz hoffnungsfroh, dazu führen, dass sich Kunden umorientieren. So mancher Mitbewerber feiert da schon ein "frühzeitiges Weihnachten".
Für Wimmer kein Merger von Produkten
Die Übernahme soll jedenfalls schnellstmöglich von statten gehen. Schon ab Weihnachten soll demnach zumindest softwaretechnisch B&R bei ABB integriert sein. Den Kunden lassen beide Unternehmen vorerst die Wahl: „Unsere Kunden werden weiterhin Wahlfreiheit haben, ob ABB oder B&R Roboter“, so B&R Geschäftsführer Hans Wimmer. Für ihn sei diese Übernahme sowieso kein „Merger von Produkten“ – sondern eine gute Chance.
Als Spiesshofer 2013 sein Amt als CEO bei ABB antrat, verhängte er erstmals einen Akquise-Stopp. „Wir hatten zuerst Hausaufgaben zu erledigen.“ Diese dürften aber nun geschafft sein, denn laut ihm sei B&R nur der erste große Deal. Er habe bereits Ideen für weitere Akquisitionen. Ob diese eher software- oder hardwaretechnischer Natur sind, beantwortet er auf dieser Pressekonferenz jedenfalls nicht. (eb)