After Sales Service : 5 Effekte, die die Digitalisierung im After Sales Bereich verhindern
Im Rahmen des Service-Monitors 2016 hat die Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule Esslingen in Zusammenarbeit mit der Branchenzeitschrift Factory in Österreich und Instandhaltung in Deutschland im Sommer 2016 Führungskräfte im After Sales Service zu einer Befragung eingeladen. Daran haben 116 Unternehmen in Deutschland und Österreich teilgenommen. Ziel war es herauszufinden, wie der After Sales Service digital aufgestellt ist.
Zeit- und Ressourcenverschwendung für den Service
Stichwörter wie Industrie 4.0, digitale Vernetzung der Unternehmensprozesse und Ressourceneffizienzen sollten auch bei der Wartung, Reparatur und im Ersatzteilmanagement Einzug halten. Zettelwirtschaft, manuelle Einsatzplanungen, fehlender Überblick über Materialien, papierbasierte Reparaturleitfäden etc. führen zu Medienbrüchen, Zeit- und Ressourcenverschwendung für den Service und letztlich für deren Kunden. Steigender Wettbewerbs- und Kostendruck machen es erforderlich, dass nicht nur die Produktion digitalisiert wird, sondern auch der Service.
Serviceprozesse stärker standardisieren
Da der Service Monitor bereits in 2015 aufgelegt wurde, sind nun erste Tendenzen zu erkennen. In diesem Zusammenhang ist auch das Qualifikationsniveau im Service zu beleuchten. Wenn der Bedarf an exzellenten Servicetechnikern schwer zu decken ist, kann die Digitalisierung, beispielsweise über stärker standardisierte Serviceprozesse oder durch Fernunterstützung, Unternehmen dabei unterstützen, Serviceroutinen von Spezialaufgaben stärker zu trennen. Das Fazit, das die drei Professoren Christian Cseh, Ben Marx und Rainer Elste aus der Studie ziehen, weist auf ein nach wie vor hohes Entwicklungspotenzial im After Sales hin. Sie verzeichnen jedoch auch fünf Effekte, die die Digitalisierung bremsen.
Effekt 1: Neue Kommunikationskanäle werden nicht genützt
Eine flächendeckende Nutzung von Mobiltelefonen und Laptops (82% bzw. 90% Verbreitung) hat wie erwartet auch im After Sales Service Einzug gehalten. 67% der Befragten nutzen noch weitere Messgeräte im Field Service. Social Media wie Facebook, Whatsapp und Twitter spielen erwartungsgemäß keine nennenswerte Rolle im After Sales 2016. Facebook (18%) und andere Kommunikationskanäle (20%) werden bestenfalls für Werbezwecke eingesetzt und Whatsapp (31%) für die interne Kommunikation. Für die direkte Kommunikationsebene Servicetechniker-Kunde spielen sie keine Rolle. Nur die Hälfte der Befragten nutzen servicespezifische Softwareanwendungen. Davon nutzen wiederum nur etwa 57% diese Anwendungen für das Auftragsmanagement. Mit anderen Worten: Ca. 75% der Befragten arbeiten mit keinem systemgestützten Serviceauftragsmanagement. Bei servicetypischen Prozessen wie Konfiguration (53% der befragten Nutzer von Serviceanwendungen), Terminplanung (45%), Personaldisposition (35%), Abrechnung (45%), Beschwerdemanagement und Garantie (41%) sind die Werte noch niedriger.
Telefon bleibt dominantes Medium
Für Dienstleister bleibt das Telefon zu 90 % das dominante Medium. „Maschinen bilden kein Vertrauen", heißt es. Geschäfte würden von Menschen mit Menschen gemacht. Das spiegelt die Ambivalenz von der Nähe zum Kunden und dem Bedarf nach Effizienz und Effektivität auch im Service wider. Preis- und der Kostendruck aber auch die Differenzierung durch qualitativ hochwertigem Service erhöhen hier die Relevanz dieser Diskussion. Denn andere Kommentare in derselben Kategorie lesen sich ganz anders: „Einsparung von Außer-Haus-Einsätzen“, „Erhöhung der Maschinenverfügbarkeit beim Kunden“ oder „Rationalisierung von administrativen Prozessen“. Erfreulich ist, dass immerhin schon 58% diese Vorteile auch messen. Das waren im Vorjahr nur 17%.
Effekt 2: Das operative Servicegeschehen weiterhin hochgradig analog
Das gute alte Papierformular gehört immer noch zum täglichen Gebrauch. 50% geben an, diese regelmäßig bzw. immer einzusetzen. Dieser Wert ist um 6 Punkte gegenüber 2015 zurückgegangen. Erstaunlich ist, dass selbst im Back Office noch zu 33% überwiegend Formulare eingesetzt werden. Fast drei Viertel der Befragten holen noch eine händische Unterschrift des Kunden für erledigte Arbeiten ein (72 gegenüber 78% im Vorjahr). Das mutet vor dem Hintergrund digitaler Prozesslösungen, digitaler Unterschriften etc. anachronistisch an.
Insgesamt hapert es an der Kommunikation über Abteilungsgrenzen hinweg: nur 19% der Befragten geben häufiger Sales Leads an den Vertrieb weiter. Umgekehrt gibt der Vertrieb auch nur bei 28% der Befragten servicerelevante Informationen an den After Sales Service weiter
Effekt 3: Der Fachkräftemangel hat sich weiter verschärft
Gegenüber 62% im Vorjahr sagen nun 79% der Befragten, dass es ihnen schwer fällt, geeignetes Personal für den Service zu finden. Der Wunsch nach standardisierten Abläufen ist entsprechend weiter angewachsen, von 78% auf 88% in 2016. Die Digitalisierung kann hierbei ebenso helfen, wie geschultes Personal aus der Ferne. Denn auch die Fernunterstützung durch Service-Mitarbeiter im Back Office wird bedeutender (83 statt 78%)
Effekt 4: Datensicherheit, mangelndes IT-Know und Kosten sind die Bremsen
Die Unternehmen scheinen diese drei Hauptgründe besser in den Griff zu bekommen. 42% der Befragten geben an, dass die Datensicherheit ein Hindernis bei der Digitalisierung ist. Auf mangelndes IT-Know-How trifft dies für 39% der Befragten zu und zu hohe Kosten geben noch 37% an. Diese Werte liegen jedoch deutlich unter den Vorjahreswerten, als diese drei Hauptgründe noch von über 70% der Befragten als Hürden angesehen wurden. Umgekehrt liegt es nicht an einer mangelnden Akzeptanz seitens der Kunden (49% geben „trifft nicht zu“ an) oder an Umgebungsbedingungen vor Ort beim Kunden wie Schmutz oder Nässe, die den Einsatz von mobilen Geräten gefährden könnten (48% trifft nicht zu), dass Unternehmen ihren Service nicht stärker digitalisieren. Auch eine mögliche mangelnde Netzabdeckung zur Anbindung von Serviceanwendungen vor Ort steht der Digitalisierung nicht im Weg (zu 74% gegeben), ebenso wenig eine fehlende Erlaubnis auf den Geländen der Kunden mobile Endgeräte zu nutzen (76% erlauben dieses).
Effekt 5: Es mangelt an konkreten und zeitnahen Planungen
56% der Befragten geben an, den halben Weg zu einer durchgehenden Digitalisierung im After Sales erreicht zu haben. 4% sehen sich selbst schon bei über 90% angekommen – also quasi als digitale Champions. 42% aller Befragten sehen sich dabei auf Augenhöhe mit dem Wettbewerb, 26% sehen sich Vorreiter und 33% als Nachzügler im Wettbewerbsvergleich. Absolut sagen jedoch über die Hälfte (56%), dass sie noch mindestens großes Verbesserungspotenzial bei den After Sales Feldprozessen haben; im Vorjahr lag der Anteil noch bei zwei Drittel der Befragten. 57% planen in den nächsten 12 Monaten einen weiteren Ausbau der Digitalisierung in ihrem After Sales. Bei 31% ist allerdings nichts Konkretes geplant. Das stimmt positiv, denn in 2015 lag dieser Wert noch bei 53%.
Herausforderungen für die Zukunft:
Der After Sales Service wird bei der Digitalisierung nachlegen (müssen), um unter anderem dem Fachkräftemangel und dem steigendem Kostendruck zu begegnen. Die eine oder andere Tätigkeit könnte in Zukunft auch durch Mitarbeiter mit geringerer Qualifizierung erledigt werden.
Das gute alte Formular mit Durchschlägen und die persönliche Unterschrift auf dem Serviceauftrag haben ausgedient. Unnütze Mehrarbeit verbunden mit Fehlerquellen bei der Übertragung von einem Medium auf ein anderes, Verlangsamung der Prozesse und mangelnde Transparenz müssen abgeschafft werden. Der Kunde scheint so weit zu sein. Nun sind die Unternehmen gefordert, diese Potenziale zu heben.
Die Befürchtungen vor mangelnder Datensicherheit sind durch entsprechende IT-Konzepte zu begegnen, ggf. ist das IT-Know-How aufzustocken
Die Studie wurde im Zeitraum Juni bis November 2016 durchgeführt. Zur Teilnahme waren u.a. die Leser der Magazine Factory (Österreich) und Instandhaltung (Deutschland) sowie weitere über 200 direkt angesprochene Führungskräfte im technischen Service eingeladen. 116 haben an der Befragung teilgenommen. Die Teilnehmer repräsentieren wie im Vorjahr eine Mischung aus kleinen und -mittelständischen Unternehmen (54% ggü. 46% in 2015 unter 500 Mitarbeitern) und größeren und Großunternehmen (wie in 2015 22% über 2.000 Mitarbeiter). 62% (54% in 2015) geben an, dass der After Sales Bereich über 10% zum Umsatz des Gesamtunternehmens beiträgt (bei 26% sogar über ein Viertel).
Sie wollen die ganze Studie? Dann wenden Sie sich an Studien-Autor Prof. Dr. Rainer Elste.