Aufklappbare Brücke : Wie die TU Wien den Brückenbau revolutioniert

TU Wien Brücke zum Aufklappen
© TU Wien

Die neue Brückenbautechnik der TU Wien ist etwas ganz Besonderes: Die Brücke entsteht nicht horizontal – wie sonst üblich – sondern sie wird vertikal errichtet und dann ausgeklappt. Erste Versuche wurden bereits 2010 durchgeführt, nun ist die Technik ausgereift. Beim Bau der S 7 Fürstenfelder Schnellstraße wurde die neue Technologie von der Asfinag gleich zweimal eingesetzt. Zuerst am Lahnbach, und nun für eine Brücke über die Lafnitz, mit einer Länge von 116 Metern. Weil man für die neue Brückenbau-Methode kein Gerüst errichten muss, kann man damit Zeit, Geld und Ressourcen sparen.

Brückenbau nach dem Regenschirm-Prinzip

„Je nach Größe und Standort verwendet man heute ganz unterschiedliche Brückenbau-Techniken“, sagt Professor Johann Kollegger vom Institut für Tragkonstruktionen der TU Wien. Wenn die Brücke nicht allzu hoch ist, kann man ein Gerüst bauen, das die Brücke während der Bauphase trägt. Man kann auch zuerst einen Brückenpfeiler errichten und sich von dort aus auf genau ausbalancierte Weise in beide Richtungen voranarbeiten. Oder man baut stabile Stahlträger, die dann in waagrechter Position Stück für Stück eingeschoben werden. Die Technik, die Johann Kollegger entwickelte, funktioniert völlig anders: An beiden Seiten eines Betonpfeilers werden senkrecht Träger montiert, die dann ausgeklappt werden können, ähnlich wie ein Regenschirm. „Die beiden Träger sind oben, direkt über dem Pfeiler, durch ein Gelenk miteinander verbunden“, erklärt Johann Kollegger. „Mit hydraulischen Anlagen wird dieses Gelenk dann langsam abgesenkt, dabei klappen sich die Träger auf beiden Seiten aus.“ Die Träger bestehen aus dünnwandigen Fertigteilen mit Stahlbewehrung und sind zunächst hohl. Erst wenn sie die endgültige Position erreicht haben, werden sie mit Beton ausgegossen. „Würde man zuerst ein Gerüst bauen und darauf eine Brücke errichten, würde das Monate dauern. Die Klapp-Konstruktion hingegen lässt sich in zwei bis drei Tagen aufstellen, und der Ausklappvorgang dauert ungefähr drei Stunden“, sagt Johann Kollegger. Die neue Brückenbautechnik spart nicht nur Zeit, sondern auch Geld, und die Haltbarkeit der Brücke ist gleich oder sogar besser als bei anderen Brückentechnologien, wie Kollegger betont. Besonders vorteilhaft ist die Klapp-Methode, wenn man schwieriges Gelände überbrücken möchte, in das man nicht stark eingreifen möchte – etwa in einem Naturschutzgebiet, wie im Fall der nun gebauten Lafnitz-Brücke.

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Neue Technik nach 10 Jahren ausgereift

Die Asfinag errichtet derzeit die neue Schnellstraße S 7, die in der Nähe von Fürstenfeld über den Lahnbach und über die Lafnitz führt. „Die ASFINAG legt Wert auf höchste Qualität und es ist uns auch immer sehr wichtig, so umweltschonend wie möglich zu bauen“, sagt Bernhard Streit, Projektleiter von der Asfinag. „Mit dieser innovativen Methode konnten wir beide unsere Ansprüche in diesem sensiblen Gebiet erfüllen. Daher freuen wir uns sehr über die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der TU Wien“, so Bernhard Streit. Die Brücke über den Lahnbach wurde in mehreren Schritten zwischen Oktober 2019 und Januar 2020 bereits errichtet. Am 27. Februar 2020 wurde nun auch die noch etwas größere Brücke über die Lafnitz ausgeklappt. „Für uns ist das ein Riesenerfolg und wir freuen uns sehr, dass die Asfinag hier eine weltweite Vorreiterrolle einnimmt“, sagt Johann Kollegger. Er arbeitet seit Jahren an der neuen Brückenbau-Methode: Bereits 2006 wurde die Idee patentiert, 2010 wurden von der TU Wien erste Versuche durchgeführt, viele Detailfragen waren im Lauf der Jahre zu klären – von den Metall-Gelenken, die den Kräften beim Ausklappen standhalten müssen, bis zu den hydraulischen Litzenhebern, mit denen die Konstruktion Schritt für Schritt abgesenkt wird. „Nun haben wir bewiesen, dass die Technik ausgereift ist und bestens funktioniert“, sagt Kollegger. „Wir hoffen, dass sie sich durchsetzt und bald zu den gängigen Brückenbau-Technologien gehört, die auf der ganzen Welt angewendet werden und die Schnellstraße S 7 zum internationalen Vorreiter wird.“

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Neben dem Auftraggeber, der Asfinag, und Johann Kollegger (TU Wien und Kollegger), der für Entwurf und Berechnung zuständig war, waren auch noch einige weitere Projektpartner beteiligt: Die Schimetta Consult ZT (Planung), die Öhlinger + Partner Ziviltechniker (Prüfingenieur), Spirk + Partner (örtliche Bauaufsicht), Kostmann (ausführende Firma), Franz Oberndorfer (Fertigteile), KB Vorspann-Technik (Vorspannung, Hebetechnik). Unterstützt wurde das Forschungsprojekt von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft, vom Verband Österreichischer Beton- und Fertigteilwerke, von der Asfinag und der ÖBB.