Chinesische Übernahme : Wie chinesische Investoren ATB Schorch runterwirtschaften

Olaf Caplan
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Wenn chinesische Investoren Unternehmen aufkaufen, schüren sie meist eine ganze Reihe von Besorgnissen: den Abfluss von Know-how, eine mögliche Zerschlagung, die Abwanderung von Arbeitsplätzen ins „billigere“ China und den Abzug von Liquidität und damit geschäftskritisches Kapital für Forschung und Entwicklung. Bislang gibt es dazu kaum Untersuchungen, die die Auswirkungen chinesischer Investments auf die betroffenen Unternehmen umfassend analysieren. Hier soll bewusst ein Negativbeispiel herausgegriffen werden, das jedoch nicht als Platzhalter für alle chinesischen Engagements gilt.

Factory: Herr Caplan, wie wurde die Übernahme durch die chinesische Wolong Gruppe eingefädelt?

Olaf Caplan: Die österreichische Landesbank wird im Jahre 2011 beim Verkauf der ATB Schorch GmbH als 100-prozentige Tochter der ATEC, einem österreichischen Mischkonzern, eine entscheidende Rolle gespielt haben, da sie seiner Zeit der größte Gläubiger der insolventen ATEC war.

Mit welchen Versprechungen wurde Schorch übernommen?

Caplan: Da die Wolong Gruppe den Anspruch hatte und hat, der weltweit größte Hersteller von Elektromotoren zu werden, war für den Standort Mönchengladbach ein Entwicklungszentrum geplant, das Schorch als Premium-Marke und Marktführer für qualitativ hochwertige Produkte in Europa positionieren sollte.

Was hat sich Schorch von der Übernahme erhofft?

Caplan: Es gab Zusagen, längst überfällige Investitionen in den Maschinenpark und die Infrastruktur des Unternehmens zu tätigen, um im europäischen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben. Eine Standortsicherung und der Erhalt der Arbeitsplätze waren nach den chaotischen Jahren unter der ATEC die größte Hoffnung. Der Investor hat sich auch in der Anfangszeit immer dahingehend geäußert, dass er zum Standort stehe und diesen ausbauen wolle. Mittlerweile hat sich jedoch das Narrativ dahingehend geändert, dass man zur Marke Schorch stehe.

Welche Ziele verfolgt der Investor Ihrer Ansicht nach tatsächlich mit diesem Investment?

Caplan: Wenn man die Strategie des Investors im Nachgang betrachtet, kann man eigentlich nur darauf schließen, dass der Marktzugang nach Europa das primäre Ziel war. Eine Produktion in Deutschland zu erhalten war nie ein langfristiges Ziel, da es nie ein Konzept zur Zukunftssicherung des Unternehmens gab. Seit der Übernahme werden zwar die Gehälter aus China bezahlt, aber es ist nicht erkennbar, was der Investor mit dem Unternehmen noch vorhat.

Was denke Sie hat die Wolong-Gruppe vor?

Caplan: Die Vermutung des Betriebsrats ist, dass der Investor das selbst noch nicht so genau weiß. Letztendlich geht es um einen Know-how-Transfer und die Verlagerung zunächst von Komponenten und letztendlich kompletter Produkte nach China. Die „Wald- und Wiesen-Produkte werden von der ATB Gruppe in Serbien für den europäischen Markt gefertigt und die Highend-Produkte in China.

Könnten sich daraus nicht auch gewisse Vorteile ergeben?

Caplan: Bis auf die Tatsache, dass die Gehälter weiter bezahlt werden, sehen wir im Moment keine Vorteile. Momentan werden bei ATB Schorch Maschinen aus serbischen oder chinesischen Komponenten zusammengebaut. Hier führen schlechte Lieferzeiten und Qualitätsprobleme bei den Zulieferern zu einer katastrophalen Liefertreue unsererseits.

Wäre ein Insourcing eine Lösung?

Caplan: Das kommt allerdings für den Investor nicht infrage. Obwohl einige, durch den Betriebsrat durchgeführte Make-or-Buy-Analysen ergaben, dass wir in vielen Bereichen sogar schneller, besser und günstiger wären als wir es jetzt mit der Produktion in Serbien und China sind.

Gibt es noch lokale Managemententscheidungen?

Caplan: Lokale Management-Entscheidungen finden de facto nicht statt. Die chinesische Geschäftsführung trifft keinerlei Entscheidungen selbstständig. Der einzig übriggebliebene deutsche Geschäftsführer verfügt über keinerlei Vollmachten, sondern ist wohl aus chinesischer Sicht die „Marionette fürs Grobe“. Das chinesische Management ist auch vom Selbstverständnis her nicht für das Unternehmen verantwortlich, sondern eher ein Verwalter der Entscheidungen aus China. Das führt zu erheblichen Verzögerungen im Ablauf, da Entscheidungen, die früher innerhalb einer Stunde getroffen wurden, nun mehrere Wochen erfordern. So lange dauert es in der Regel, bis in China eine Entscheidung getroffen wird. Damit ist natürlich das, was uns als Mittelständler im Spezialmaschinebau stark macht, nämlich flexibel auf Kundenwünsche reagieren zu können, dahin.

Haben Arbeitnehmer überhaupt ein Mitspracherecht?

Caplan: Die gesetzlich verankerte Mitbestimmung wird komplett ignoriert. Ob das aus Unwissenheit oder mit Absicht geschieht, können wir nicht genau sagen. Da die Übernahme schon vor acht Jahren erfolgte, sollte auch diese „deutsche Eigenheit“ der Gesetzgebung bekannt sein. Auf Grund der Tatsache, dass auf Arbeitgeberseite seit geraumer Zeit mit Arbeitsrechtlern zusammengearbeitet wird, lässt uns eher eine Absicht annehmen. Tarifverträge oder Regularien des BetrVG werden übergangen. Eine „rechtzeitige und umfassende“ Information der Arbeitnehmervertretung findet nicht statt. Erst wenn der Rechtsweg beschritten wird, wird eingelenkt.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der chinesischen Geschäftsführung?

Caplan: Termine mit dem Betriebsrat werden entweder nicht eingehalten, oder es wird jemand geschickt, der zum Sachverhalt nichts sagen kann. Der Informationspflicht des Arbeitgebers wird nicht nachgekommen. Fragen des Wirtschaftsausschusses werden konsequent nicht beantwortet und schriftliche Zusagen gibt es nie. Die mündlichen Zusagen, die man mal bekommt, werden in der Regel nicht eingehalten.

Wie problematisch ist für Sie der Know-how-Transfer nach China?

Caplan: Sogar sehr! Es werden immer mehr Produkte nach China verlagert. Da die Komponenten, die wir für unsere Maschinen „Made in Germany“ beziehen, bereits erhebliche Qualitätsmängel aufweisen, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass komplette Maschinen aus chinesischer Produktion, die mit Schorch gelabelt werden, diese Mängel ebenfalls aufweisen.

Investiert die Wolong Gruppe ausreichend in Forschung und Entwicklung?

Caplan: Die R&D-Abteilungen der deutschen Standorte sind nicht mehr existent. Trotz der Versprechen, am Standort in Mönchengladbach ein Entwicklungszentrum zu errichten, wird unseres Wissens nur noch in China intensiv Geld in Forschung und Entwicklung gesteckt.

Wie viele Mitarbeiter wurden bisher abgebaut?

Caplan: Im Jahr der Übernahme hatte die Schorch GmbH 570 Mitarbeiter. In 2015 wurden über ein Freiwilligenprogramm 120 Kollegen und im Jahr 2017 noch einmal 160 Kollegen abgebaut. Die Summen, die für die beiden Entlassungswellen, und vor allem für die externen Berater ausgegeben wurden, hätten wir gerne als Invest in den Standort gesehen. Wir gehen geschätzt von ca. 35 Mio. Euro aus.

Versteht die Wolong-Gruppe überhaupt ihr Geschäft?

Caplan: Dem Investor war nicht bewusst, dass wir ein Hersteller von Spezialmaschinen sind. Das heißt, jeder Motor, der unser Unternehmen verlässt, ist ein auf den Kundenwunsch angepasstes Produkt. In diesen Maschinen steckt jede Menge Know-how und Innovationsfähigkeit der Ingenieure und Facharbeiter. Der Investor versteht bis heute nicht, warum wir nicht wie in China üblich, unsere Maschinen in großen Stückzahlen auf Lager produzieren um schnell liefern zu können. Das ist leider im Spezialmaschinenbau nicht möglich.

Und wie soll es weitergehen?

Caplan: Im Moment können wir nur spekulieren, ob man letztendlich die gesamte Produktion und das Engineering nach China verlagern will. Am Standort in Mönchengladbach verbleiben dann der Vertrieb und gegebenenfalls ein Prüffeld zur Endabnahme nach europäischen Normen.

Vielen Dank für das Gespräch! Das Gespräch führte Otto Geißler.