Hidden Champion : Waldviertler bauen Räder für Hyperloop-Zug von Elon Musk

ASMA Poiss
© Wolfgang Simlinger

Von Wien nach Bozen in nur 35 Minuten. Geht es nach Elon Musk, ist das keine Utopie, sondern ein sehr reales Konzept eines Hochgeschwindigkeitszuges namens Hyperloop. Berechnet hat der Tesla-Inhaber und SpaceX-Gründer freilich den Weg von Los Angeles nach San Francisco, der aber mit 570 Kilometern ungefähr der Strecke von Wien nach Bozen (über A1 590 km) entspricht. Fast mit Schallgeschwindigkeit soll sich der Zug in einer Röhre mit Teilvakuum fortbewegen. 2015 rief Musk dafür die „Hyperloop Pod Competition“ ins Leben. Studententeams aus der ganzen Welt sind aufgerufen, ihre Konzepte für den sogenannten Pod – die Kabinenkapsel, in der Passagiere durch die Röhre transportiert werden – einzureichen. Unter den 700 Teilnehmern befand sich auch das Team „Warr Hyperloop“ der Technischen Universität München (TUM), das in Sachen Geschwindigkeit bisher ungeschlagen ist. Die weltweit einzigen Radbeläge, die diesen extremen Geschwindigkeiten standhalten können, stammen dabei von einem Waldviertler Kunststofftechnikbetrieb.

Minimale Dimensionen, maximaler Verschleißschutz

„Hohe Festigkeit, Elastizität und Bruchdehnung: Diese Eigenschaften machen Polyurethanwerkstoffe so interessant für Bauteile, wo hoher Verschleißwiderstand gefragt ist.“ Seit 17 Jahren lenkt Rainer Poiss die Entwicklungsgeschicke der Asma GmbH. Seit den 80er-Jahren entwickelt der in Weitra sitzende Hidden Champion verschleißarme Polyurethanelastomere für industrielle Anwendungen. Mit diesem Fachwissen spielen die Waldviertler in einer Nische. Lösungen von der Stange gibt es nicht. Jede Anwendung ist quasi ein Unikat. In der Praxis sind es nämlich die vielen kleinen Einflussfaktoren, die über den Erfolg einer Anwendung entscheiden. „Wie beim Kochen“, vergleicht Poiss. Jeder arbeite zwar mit den gleichen Zutaten, „aber es ist die Kombination der Verarbeitung, Additive, Hilfsstoffe und Katalysatoren, die am Ende über die perfekte Kunststoffformel entscheidet“. Und für die perfekte Formel analysieren die Waldviertler von der Verschleißart (Prall- oder Gleitverschleiß), dem Verschleißpartner (Körnung, Materialbeschaffenheit, Oberflächengestaltung) sowie den Umgebungsbedingungen (Temperatur, chemische Einflüsse) alles. Im Fall von Hyperloop mussten die Räder einer Geschwindigkeit von 350 Stundenkilometern standhalten. Übrigens der Grund, warum sich Gummi hier nicht eignet. „Polyurethan ist mechanisch viel höher belastbar“, so der Entwicklungsleiter. Deswegen konnte Asma die Teile auch viel kleiner dimensionieren. Eine Grundvoraussetzung für die Warr-Hyperloop-Kapsel, wo der Bauraum auf maximal 300 Millimeter Raddurchmesser beschränkt war.

Wärmeentwicklung geschickt abführen

Die Waldviertler hatten zwar schon für Textilmaschinen Räder entwickelt, die locker 100 Umdrehungen pro Sekunde schaffen, aber „Hyperloop war da eine ganz andere Nummer“, so Poiss. Selbst die Rohstofflieferanten standen dem Vorhaben der Waldviertler Kunststofftechniker am Anfang skeptisch gegenüber. Werden nämlich Polyurethanwerkstoffe dynamischer Beanspruchung ausgesetzt, entsteht Wärme. Bei ungenügender Ableitung kann dies zur Zerstörung des Materials im Inneren des Bauteiles führen. Hohe Laufgeschwindigkeiten in Verbindung mit hohen Lasten können hier Probleme bereiten und „das müssen wir im Vorfeld entsprechend berechnen und testen“. Dafür hat sich der Entwicklungsleiter im Jänner eine Materialprüfmaschine von Zwick Roell zugelegt, mit der sie Zug-, Druck- und Biegeversuche durchführen. Es gilt die Faustregel: „Besser harte und dünnwandige Teile als höhere Wandstärken geringerer Härte einzusetzen“, erklärt Poiss. Auch wenn in beiden Fällen die aufgewandte Energie und damit die Wärmeentwicklung gleich ist, „wird in den dünneren Teilen die entstehende Wärme besser abgeführt“.

15 Sekunden Verarbeitungszeit

Ein Vorteil von Gießpolyurethanen, die gleichzeitig das USP von Asma darstellen. Nur sie können in nahezu jeder beliebigen Größe und Wandstärke hergestellt werden, da die Verarbeitung drucklos erfolgt und die chemische Reaktion erst in der Form bzw. im anschließenden Nachtemperprozess abläuft. Die Herausforderung ist die Verarbeitungszeit, die nach dem Mischen der geheimen Asma-Formel bis zum Aufbringen auf das Rad nur 15 Sekunden dauern darf. Luft ist dabei der größte Feind des Kunststofftechnikers. „Es braucht Jahre an Praxiserfahrung, bis jeder Schritt sitzt“, so Poiss. Die Räder für Hyperloop ließen die Waldviertler übrigens in einem Reifentestzentrum des TÜV prüfen. Das Ergebnis: Rekordverdächtig. Selbst einer Belastung von 450 Stundenkilometern hielt ihr Werkstoff locker stand. Das entspricht 600 Umdrehungen pro Sekunde.

Auch das ProSieben-Wissensformat Galileo berichtet über das Team Warr Hyperloop der TU München.

Hyperloop Strecken in Europa

Im Juni 2017 veröffentlichte die Firma Hyperloop One insgesamt neun Konzepte für potentielle Hyperloopstrecken in Mittel- und Westeuropa. Die längste der projektierten Routen sieht einen kreisförmigen Streckenverlauf vor, der die Städte Berlin, Leipzig, Nürnberg, München, Stuttgart, Frankfurt, Köln und Hamburg miteinander verbinden soll. Der Hyperloop soll die 1.991 km lange Strecke in 142 Minuten befahren. Weitere voraussichtliche Fahrtzeiten wären:

Berlin-Leipzig 14 min

Leipzig-Nürnberg 20 min

Nürnberg-München 12 min

München-Stuttgart 17 min

Stuttgart-Frankfurt 15 min

Frankfurt-Köln 14 min

Köln-Hamburg 30 min

Hamburg-Berlin 20 min