Schaltschrank-Innovationen : SMART 2021: Aus dem Schaltkästchen geplaudert

Es ist kurz nach halb zehn vormittags, wir befinden uns auf der SMART Automation in Linz. Die Halle füllt sich an diesem ersten Messetag – wie üblich mit vorwiegend Männern in hellen Hemden und dunklen Anzügen. Manche mit Krawatte, manche legerer gekleidet. Frauen sieht man kaum. An den Stehtischen vor dem großflächigen Wanddisplay zücken abwechselnd vier Herren ihre Mikrophone. „Die Cloud hat Schwung aufgenommen“, erklärt Martin Berger, Geschäftsführer des Software- und Serviceanbieters Eplan Österreich. „Corona hat die Digitalisierung vorangetrieben“ pflichtet ihm Marcus Schellerer in seinem Vortrag bei, seines Zeichens Geschäftsführer von Rittal Österreich. MitarbeiterInnen sowie KundInnen hätten durch die Beschränkungen gelernt, mit den neuen Medien umzugehen. Außerdem lernte sein Unternehmen auf sehr schnell wechselnde äußere Bedingungen zu reagieren. „Zu Beginn waren die Rittal-Lager voll. Heute müssen wir schauen, wie wir mit den Bestellungen hinterherkommen“, beschreibt Schellerer die letzten eineinhalb Jahre. Mittlerweile sind Materialien oft knapp, Lieferungen lassen oft auf sich warten. Eine von Rittals Antworten darauf ist, nach der SMART alle Ausstellungstellungsstücke zu versteigen. Nur nichts verschwenden.

Der digitale Schaltschrank

Nach den ersten Vorträgen beantworten Berger, Schellerer, sowie der Professional Service Manager von Eplan Österreich, Robert Erasmus, und der Value Chain Consultant von Rittal Österreich, Reinhard Fürlinger, die Fragen der Moderatorin. Durch die Zusammenarbeit mit Eplan seit 2015 seien Rittals Schaltschränke digitaler geworden, weiß Fürlinger.

„Digital sticht analog“, lautet für ihn das Motto, wenn man die nächste Effizienzstufe erreichen wolle. Dazu gehöre es, Fehler so früh wie möglich zu erkennen. Ganz gemäß der sogenannten Rule of Ten. „Fehler beim Programmieren kosten einen Euro. Fehler beim Produzieren kosten zehn, beim fertigen Produkt hundert und beim Kunden tausend Euro“, erklärt er die aus dem Qualitätsmanagement stammende Regel.

Die Angst vor der Cloud

Dass es in Punkto Digitalisierung und Prozessoptimierung immer noch Potenzial nach oben gebe, gibt Berger zu bedenken. Durchgängigkeit aller Daten im gesamten Wertschöpfungsprozess ist das Stichwort – vom Komponentenhersteller zum Schalttafelbauer über den Systemintegrator bis hin zum Anwender. Allesamt verbunden durch die Eplan-Cloud. Systembruchfreiheit von Anfang bis Ende ist das erklärte Ziel. Durch die ständige Vernetzung können Daten stets aktuell gehalten und bei Bedarf angepasst werden. Doch bei aller Smartness bei Produktion und Engineering muss auch Rittal auf menschliche Emotionen eingehen, denn durchgängige Digitalisierung braucht teilweise noch Überzeugungsleistung: „Wir wollen die Angst vor der Cloud abbauen und das Vertrauen der Menschen gewinnen“, betont Schellerer. Während IT-Leute schon auf der richtigen Spur seien, seien die Techniker noch skeptischer, meint Berger. Die größten Bedenken sehe er in Punkto Datensicherheit, doch um diese zu gewährleisten gebe es bereits gute technische Lösungen. Mit Abo-Angeboten für Cloudlösungen will Berger die Hemmschwelle noch weiter senken, da KundInnen dadurch flexibler werden und die Cloud etwa bloß als Test oder zu Spitzenzeiten nutzen könnten. „Es muss auch nicht alles zu 100 Prozent digital sein,“, findet Erasmus, „nur durchgängig muss es sein“.

Beitrag zum Umweltschutz

Die Kühlung sei ein Bereich, bei dem Rittal auf die Umweltverträglichkeit achtet, wie Erasmus erzählt. Die verwendeten Kältemittel weisen allesamt ein Global Warming Potential von weniger 2.500 auf. Damit fallen sie nicht unter in die Kategorie der durch EU-Verordnung verbotenen Stoffe. Durch eine Microchannel-Technologie konnte Rittal die Kältemittelmenge um 40 Prozent reduzieren und somit die Umwelt noch weiter schonen. Die für Rittal liefernden LKW seien der CO₂-Effizienzklasse A zuzuordnen. „Auch die Schiene wäre eine Option für uns, dazu bräuchte es aber ein umfassenderes Bahnnetzwerk, um alle Kunden zu erreichen“, meint Erasmus. Und durch Standardisierungen könne man weiter an Kapazitäten sparen. Aber auch hier verweist er darauf, dass es nicht immer 100 Prozent sein müssen: „Auch 80 Prozent an Standardisierung reichen, um einen Unterschied zu machen“.

Fachkräfte der Zukunft

Dass auch Rittal und Eplan vom Fachkräftemangel betroffen sind, mag nicht weiter überraschen. Neben der Ausbildung von Lehrlingen ist Schellerer wichtig, bei den noch Jüngeren anzusetzen und Mädchen für die Technik zu begeistern. „Das Problem fängt in der Wiege an.“, gibt er zu bedenken, „Wenn wir kleinen Mädchen weiterhin nur Puppen kaufen, werden wir nie viele Frauen in technische Berufe bringen. Und er plädiert: „Schenken wir den Mädchen auch Matador und Lego“. Die Menschentraube vor dem Rittal- und Eplan-Stand löst sich in kleine Gesprächsrunden auf. Das Messegeschehen nimmt seinen Lauf. Und wird in Zukunft vielleicht noch bunter, mit mehr Blusen und Röcken unter der Schar an dunklen Anzügen.