Energie aus Wasserstoff : Sauberstoff fürs Klima

© Thyssenkrupp

Insbesondere die Stahlindustrie bläst einen hohen Anteil von Kohlendioxid in die Luft. Ein Blick nach Deutschlang zeigt, gemäß den Angaben des deutschen Umweltbundesamtes ist das Werk von Thyssenkrupp in Duisburg die Industrieanlage mit den höchsten Kohlendioxid-Emissionen in ganz Deutschland. Wobei es die großen Braunkohlekraftwerke noch auf weit höhere Werte bringen. Insgesamt entfallen auf die Eisen- und Stahlindustrie rund 30 Prozent der Treibhausgas-Emissionen der deutschen Industrie.

Wasserstoff im Hochofen

Der Einsatz von Wasserstoff soll das nun ändern. Doch der Weg zum „grünen Stahl“ ist weit - und leider auch sehr teuer. Thyssenkrupp will nun in einem Hochofen den Kohlenstaub teilweise durch Wasserstoff ersetzen, wobei am Ende nur Wasserdampf freigesetzt wird. „Unser Ziel ist eine nahezu CO2-neutrale Stahlerzeugung“, erläutert Arnd Köfler, Produktionsvorstand von Thyssenkrupp Steel Europe. „Mit Air Liquide für die Wasserstoffversorgung und dem BFI als wissenschaftlichen Begleiter des Projekts, haben wir genau die richtigen Partner an unserer Seite.“

Technologisches Neuland

Und dahinter stecken ehrgeizige Ziele: Schon bis zum Jahr 2030 sollen die Emissionen aus Produktion und Prozessen im Unternehmen sowie die Emissionen aus dem Bezug von Energie um 30 Prozent gesenkt werden. Und bis 2050 will das Unternehmen klimaneutral produzieren. „Wir wollen durch die Nutzung von Wasserstoff die Emissionen senken und gleichzeitig weiterhin Roheisen in gewohnter Qualität produzieren“, so Köfler. „Gleichzeitig gilt auch: wir betreten mit der Versuchsreihe am Hochofen 9 technologisches Neuland. Es geht jetzt darum, den Betriebsablauf im Hochofen kontinuierlich zu analysieren und auszuwerten. Die Ergebnisse werden uns helfen, die Ausweitung des Wasserstoffeinsatzes auf alle 28 Blasformen des Hochofens gezielt anzugehen.“

20 Prozent weniger Emissionen

In einem Hochofen ist für die Produktion von einer Tonne Roheisen rund 300 Kilogramm Koks und 200 Kilogramm Kohlenstaub erforderlich. Der Kohlenstaub wird durch sogenannte Blasformen eingebracht. Stattdessen wird nun an einer dieser Blasformen eines Hochofens Wasserstoff injiziert. Damit will Thyssenkrupp den Einsatz von Wasserstoff schrittweise auf alle Blasformen des Hochofens und ab dem Jahr 2022 dann auf alle weiteren Hochöfen ausweiten. Auf diese Weise könnte bereits bis zu 20 Prozent CO2 eingespart werden. Aber auch bei anderen Stahlherstellern laufen Projekte zum Einsatz von Wasserstoff. Jedoch ist die Verwendung von Wasserstoff erst dann tatsächlich umweltfreundlich, wenn er mit grünem Strom hergestellt wird. Nach Angaben des Branchenverbands Stahl entstünde in Deutschland bei einer kompletten Umstellung der Stahlproduktion auf Wasserstoff, ein zusätzlicher Strombedarf von mindestens 130 Terawattstunden pro Jahr. Dafür müssten ca. 12.000 (!) weitere Windräder aufgestellt werden, um damit hinreichend grünen Strom zu erzeugen.

Herstellungsprozesse mit neuen Geschäftschancen

Thyssenkrupp beabsichtigt den CO2-Ausstoß bei der Stahlproduktion über eine weitere Schiene zu reduzieren. Dafür sollen Hüttengase als Rohstoff für die chemische Industrie zum Einsatz kommen. So konnte bereits im letzten Jahr zum ersten Mal Methanol und Ammoniak unter industriellen Produktionsbedingungen aus den Hüttengasen gewonnen werden. Letztlich muss die gesamte Stahlbranche bis zum Jahr 2050 auf klimaneutral umgestellt haben. Hierzu sind allerdings noch viel aufwendigere Anpassungen im Herstellungsprozess als auch der Bau völlig neuer Produktionslagen notwendig. Das bedeutet, in den nächsten dreißig Jahren müssten dafür Investitionen von ca. 10 Milliarden Euro getätigt werden.

Aus Sonne und Wind wird Wasserstoff

Auch in anderen Bereichen forscht man an Alternativen für die Energieversorgung. Mit Ende dieser Heizsaison wird das letzte Kohlekraftwerk in Österreich in Mellach im Süden von Graz Geschichte sein. An diesem Standort soll nun ein Innovations- und Forschungszentrum mit den Schwerpunkten grüner Wasserstoff und neue Speichermöglichkeiten entstehen. Im Rahmen des Forschungsprojekts „Hotflex“, das von Verbund in Kooperation mit der TU Graz und dem Cleantech-Unternehmen Sunfire durchgeführt wird, wurde ein 150 kW leistungsstarkes, reversibles Elektrolyse- bzw. Brennstoffzellensystem am Kraftwerksstandort Mellach errichtet und vollständig in das bestehende, hochmoderne GuD-Mellach integriert. „Dazu wird der im Elektrolysebetrieb erzeugte Wasserstoff direkt in die interne Erdgasversorgung des GuD-Mellach eingespeist und folglich in den Gasturbinen mitverfeuert werden“, sagt Verbund-Projektleiter Markus Koroschetz. „Andererseits kommt auch der Brennstoff (Erdgas) für den Betriebsmodus als Brennstoffzelle aus der Bestandsanlage.“ Für die Forschungstätigkeiten kann vorerst auf einen relativ teuren Speicher verzichtet werden, da der erzeugte Wasserstoff, bei Gasturbinenbetrieb, direkt der Erdgasversorgung beigemischt wird.

Reale Bedingungen testen

Das Herzstück der Anlage bilden zwei Brennstoffzellenmodule, in welchen 48 Zell-Stacks bestehend aus jeweils 30 Zellen verbaut sind. „Eine Brennstoffzelle wandelt die chemische Energie des kontinuierlich zugeführten Brennstoffs und des Oxidators direkt in elektrische und thermische Energie um, ohne zusätzliche Umwandlungsverluste“, so Koroschetz. Man unterscheidet zwischen Niedertemperatur- und Hochtemperatur-Brennstoffzellen.

Niedertemperatur-Brennstoffzellen erfordern hochreinen Wasserstoff für ihren Betrieb und benötigen dabei teure Edelmetall-Katalysatoren wie zum Beispiel Platin. Oxidkeramische Hochtemperatur-Brennstoffzellen oder Festoxid-Brennstoffzellen (engl. Solid Oxide Fuel Cells – SOFC) zeichnen sich durch ihre herausragende Brennstoff-Flexibilität und durch die Verwendung von kostengünstigen Katalysatoren wie zum Beispiel Nickel aus. Die Hochtemperatur-Elektrolyse- bzw. Brennstoffzellen werden bei Temperaturen von rund 850 °C betrieben. „Das primäre Ziel des Forschungsprojekts ist das Kennenlernen der Hochtemperatur-Elektrolyse- bzw. Brennstoffzellentechnik“, so Koroschetz. „Dabei soll insbesondere das Verhalten einer solchen Anlage unter realen Bedingungen, also außerhalb vom Labor, untersucht werden.“ Die Forschungsanlage hat eine Wasserstoff-Nennerzeugungsleistung von rund 40 Nm3/h und befindet sich derzeit in der Phase der Inbetriebsetzung.