Robotik : Roboter bekommen Fingerspitzengefühl

© Stefan Flixeder

Roboter übernehmen schon viele Bereiche, wo bisher manuelle Arbeit gefragt war. Doch gerade in der Textilindustrie ist nach wie vor einiges an Handarbeit nötig. Die TU Wien entwickelt in Kooperation mit dem AIT Methoden und Technologien, die Robotern auch den Umgang mit weichen und verformbaren Materialien ermöglichen.

In der Textilindustrie sind beispielsweise Problemstellungen zu lösen, wie man ein weiches Stück Kunststoff auf einen Schuh klebt, ohne dass dieses Falten wirft und sich der Schuhform anpasst bzw. sich mit dem Schuh verbindet. Oder auch, wie man Textilien straff und faltenfrei auf Oberflächen drapieren und dann vernähen oder verkleben kann. Für den Menschen machbar – für den Roboter noch schwierig.

„Das Problem kennt man aus unterschiedlichen Bereichen der Industrie“, so Andreas Kugi, Vorstand des Instituts für Automatisierungs- und Regelungstechnik an der TU Wien und Leiter des Centers for Vision, Automation and Control am AIT. „In der Schuh- und in der Textilindustrie hat man mit Werkstoffen zu tun, die sich allein aufgrund der Schwerkraft verformen. Das macht die Verarbeitung äußerst schwierig. Auch in der Automobilindustrie spielt das eine wichtige Rolle, etwa bei der Herstellung des Interieurs aus Leder oder Textilien, zum Beispiel eines Armaturenbretts.“

Eine Challenge für die Automatisierung

Die Herausforderung aus Sicht der Automatisierung besteht darin, die Vielzahl an unterschiedlichen Aufgaben zu beherrschen: Je nach Größe und Form der Objekte bzw. Komponenten müssen die Roboterbewegungen ständig angepasst werden. Die Kräfte, die zu jedem bestimmten Zeitpunkt ausgeübt werden müssen, hängen von kleinen, geometrischen Details der Aufgabenstellung ab. Es gibt kein einfaches Grundprinzip, mit dem ein Roboter viele unterschiedliche Situationen auf zufriedenstellende Weise meistern kann.

Möglich wird es mit von der TU Wien und dem AIT entwickelten Algorithmen: Arbeitsschritte werden präzise vorausgeplant – man berechnet nicht nur, an welchen Punkten ein Kontakt zwischen Roboter und Werkstück stattfinden soll, sondern auch in welcher Richtung und mit welchem Kraftaufwand. Gleichzeitig wird vorherberechnet, wie sich die Form des verwendeten Materials dabei verändern wird.

Vielfältige Nutzung der Algorithmen

„Unsere Methode ist extrem flexibel“, sagt Christian Hartl-Nesic vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik. „Wir haben die entwickelte Methode demonstriert, indem wir ein komplexes 3D-Objekt mit unterschiedlichen Krümmungen – einen Hasen – an exakt vorgegebenen Stellen mit langen (gekrümmten) Streifen automatisiert faltenfrei bekleben. Aber man könnte dieselben Algorithmen und Methoden auch für ganz andere Anwendungen nutzen, etwa um den Roboter auf dreidimensionalen Oberflächen genau vorgegebene Schnitte setzen zu lassen, oder ein gekrümmtes 3D-Objekt mit einer aufgesprühten Materialschicht zu versehen, die an jedem Ort genau die richtige Dicke hat.“

Nutzung bei Kleinserien

Zudem werden auch Methoden entwickelt, um die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine zu verbessern. „So kann Automatisierung auch für Kleinserien sinnvoll werden, wo es sich bisher aufgrund des großen Programmieraufwandes nicht gelohnt hätte, die Maschinen eigens anzupassen“, sagt Tobias Glück, Leiter der Forschungsgruppe Complex Dynamical Systems am AIT. Dazu ist es notwendig, fortgeschrittene Methoden der Umgebungserkennung, der automatisierten Planung sowie Greiftechnologien zu entwickeln und diese synergetisch für die spezifischen Anforderungen zu kombinieren. Und die Aussichten für die Zukunft sind gut. „Die Produktionstechnik und der Einsatz flexibler, lernfähiger und adaptiver robotischer Systeme wird sich in den nächsten Jahren kontinuierlich weiterentwickeln und zum Teil massiv verändern“, ist Kugi überzeugt. „Darin sollten wir eine Chance sehen und die Entwicklung aktiv mitgestalten.“