Anwenderreportage : Ringspann-Bremssystem macht Bergbahn der Adlerschanze sicher

Ringspann
© Wiegand

Adlerschanze Hinterzarten, den Ort kennen Skispringer gut. Er ist Olympiastützpunkt für Skiadler und Nordische Kombinierer, Nationalmannschaften aus mehreren Ländern nutzen das Gelände zum Training. Die Schanze wird jährlich an ungefähr 180 Tagen als Trainingszentrum genutzt, neben dem jährlichen FISSommer-GP im August auch für den FIS-Cup. Den alten Sessellift sollte 2015 ein moderner Schrägaufzug als neue Aufstiegshilfe ersetzen.

Zug um Zug zur Sicherheit

Sicherheit war der Schwarzwald-Gemeinde Hinterzarten für die neue Berg- und Talbahn besonders wichtig. Und mit Sicherheitsfragen im Seilbahnbau kennt sich Stefan Eberhardt bestens aus. Denn als Entwicklungsingenieur der Josef Wiegand GmbH mit Sitz im osthessischen Rasdorf hat er bereits viele Seilbahn-, Skilift- und Cable-Car-Projekte federführend begleitet. Also landete die Anfrage auf seinem Tisch. Als ideale Wachablösung für die veraltete Sesselbahn der Adlerschanze erwies sich schließlich das Produkt Wie-Li aus dem Programm von Wiegand. „Unser Pendel-Wie-Li ist eine moderne Zugseillösung, bei der ein Wagenzug über Schienen bergauf und bergab fährt“, erklärt Eberhardt das Bahnkonzept, „in Hinterzarten besteht dieser Zug aus vier gekoppelten Wagen, die bis zu 24 Passagiere mit einem Tempo von bis zu 2,4 m/sec eine Höhendifferenz von 80 Metern erklimmen lassen.“

Volle Kraft, starke Bremsen

Zu den wichtigen Systemkomponenten der neuen Pendelzuganlage gehören offene Wagen mit jeweils sechs Sitzplätzen, eine 200 Meter langen Schienenstrecke mit Berg- und Talstation sowie ein technischer Kommandostand. Das Herzstück des fahrdynamischen Geschehens ist die bergseitige Windenantriebsstation mit zwei großen, von einem 55-kW-Motor angetriebenen Seilwinden und ihrem Bremssystem. Von hier aus wird der 14 Meter lange und bei Vollbesetzung fast fünf Tonnen schwere Wagenzug gefahren und gesteuert. Das bedeutet, er wird von den beiden Trommelwinden über zwei redundante Stahlseile bergauf gezogen und von einem personensicheren Bremssystem bergab verzögert und gestoppt. Da der Zug bei seiner Fahrt maximale Steigungen von bis zu 62 Prozent bewältigt, ist es leicht vorstellbar, dass das Bremssystem zentrale Bedeutung hat.

Mit Tempo zur Entscheidung

Im Vorfeld des Adlerschanzen-Projekts waren Stefan Eberhardt und sein Wiegand-Entwicklerteam bereits auf ein Bremssystem aufmerksam geworden, wie geschaffen für das Projekt: Das innovative Bremsensteuerungs- und Überwachungssystem BCS 600 von Ringspann. Das Bad Homburger Unternehmen ist einer der führenden Hersteller von Industriebremsen und bietet mit dem BCS 600 eine intelligente Komplettlösung für die automatisierte und hochpräzise Steuerung hydraulisch betätigter oder hydraulisch gelüfteter Bremsen – prädestiniert für die Realisierung anspruchsvoller Bremsvorgänge mit Sicherheits- und Überwachungsfunktionen. „Dieses System aus Steuereinheit mit integriertem Hydraulikaggregat und den Industriebremsen von Ringspann hatte es uns sofort angetan, denn es erschien uns als Ideallösung für das Notstoppsystems unseres schienengeführten Wie-Li“, erinnert sich Stefan Eberhardt.

Vier Bremsen auf einen Streich

Für das fahrdynamische Geschehen des Pendelzugs von Wiegand sind vier Bremsen von Ringspann verantwortlich. Während für den allgemeinen Fahrbetrieb – bergauf, bergab, Stillstand – eine elektrische sowie eine elektromechanische Bremse zuständig sind, bilden zwei federbetätigte und hydraulisch gelüftete Scheibenbremsen des Typs HW 075 FHM das Sicherheits- bzw. Notstoppsystem der Wie-Li-Anlage. Sie entfalten ihre Klemmkräfte von bis zu 40 kN jeweils an zwei mächtigen Bremsscheiben, die sich an den äußeren Stirnseiten der Seiltrommeln befinden. Diese Bremsen sind stromlos geschlossen und so ausgelegt, dass jede einzelne im Ernstfall in der Lage ist, die nötige Gesamtbremsleistung im Alleingang aufzubringen. Reißt ein Seil oder versagt der Antrieb, fallen die Sicherheitsbremsen ein und stoppen den Wagenzug. Unabhängig vom Gewicht der Wagen und vom Gefälle halten sie dabei eine konstante Verzögerung von etwa 1,0 m/s2 ein.

Nächste Runde in Österreich

Für Stefan Eberhardt und sein Entwicklerteam bei Wiegand war der Einsatz des BCS 600 von Ringspann in der Wie-Li-Anlage an der Adlerschanze eine Premiere, die sich gelohnt hat: „Wir sind inzwischen absolut überzeugt von dieser Systemlösung, zumal wir dem Betreiber damit auch die Möglichkeit geben, im Rahmen seiner Sicherheits- und Instandhaltungskonzepte viele weitere Parameter und Komponenten des Bremssystem und der Anlage zu überwachen und zu dokumentieren“. So etwa die werden Drehrichtung der Anlage, Zustand der Bremsbeläge, Funktion der Federpakete der Bremsen sowie Hydraulikdruck, Öltemperatur und Antriebsstrang kontrolliert. Und abschließend fügt er noch hinzu, dass man das BCS 600 bereits für das nächste Projekt fest eingeplant hat: „Es wird dann in einer Standseilbahn in Österreich zum Einsatz kommen“.

Die Anwendung auf einen Blick

Bezeichung: BCS 600

Was: System zur Steuerung und Überwachung hydraulisch betätigter oder hydraulisch gelüfteter Bremsen

Besonders weil: Das BCS 600 kann auch auf druck- oder bremsmomentgesteuerte Regelung zurückgreifen, und bietet zudem die einzigartige Möglichkeit, variable Drehmomentkurven vorzugeben - und ermöglicht völlig freie Prüfmomentverläufe.

Gut zu wissen: Vielzahl von Optionen und Einstellmöglichkeiten eröffnen dem BCS 600 – über die klassische Fördertechnik hinaus – viele weitere Einsatzgebiete

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Zum Auftraggeber:

Die Firma Josef Wiegand GmbH & Co. KG entwickelt, produziert und installiert individuelle Fahrgeschäfte und Rutschensysteme. Das Produktportfolio beinhaltet unter anderem Sommerrodelbahnen, Seilbahnen, Wasser- und Trockenrutschen sowie weitere Freizeiteinrichtungen. Mittlerweile sind über 300 Personen am Hauptsitz in Rasdorf (Osthessen) tätig. Weitere Werke stehen in Brandenburg, Peking (China) und Montana (USA).

Zum Auftragnehmer:

Die Ringspann Austria GmbH ist Hersteller von Antriebskomponenten, Spannzeugen und Fernbetätigungen und hat Branchenexpertise in zwölf Schlüsselbranchen. Das Familienunternehmen mit Hauptsitz in Bad Homburg, Deutschland, beschäftigt 450 Mitarbeiter in 13 internationalen Gesellschaften. Modularisierung der Komponenten ermöglicht es, kundenorientiert, schnell und einfach individuell zugeschnittene Produkte anbieten zu können.