Industriemesse : Hannover Messe und CeMAT: Eine kluge Entscheidung?

Hannover Messe 2017
© Deutsche Messe AG

Manche Fachjournalisten legten den Messeverantwortlichen dieses als Eingeständnis eines Fehlers aus, weil die CeMAT als eigenständige Veranstaltung in der Vergangenheit nicht immer die Erwartungen erfüllte. Und wenn es ein Fehler war? Na und? Eine neue Fehlerkultur könnten viele in Deutschland gut gebrauchen. Doch mit der CeMAT gewinnt die Hannover Messe noch einmal an Bedeutung und setzt sich gegenüber anderen Logistik-Messe-Wettbewerbern inhaltlich klar ab, denn dort ist von OPC UA für die Logistik oder neuen Geschäftsmodellen mit Daten nur bisher wenig zu hören. Das kann Hannover besser. Produktion und Logistik wachsen zusammen, brauchen Standards in der Kommunikation, brauchen Datenpools für neue Geschäftsmodelle, Roboter übernehmen immer neue Aufgabe im Logistikzentrum, vom Exoskelett können auch Lagermitarbeiter profitieren und Stapler brauchen in naher Zukunft noch mehr Sensoren – das alles gibt es jetzt für die Besucher zwei Hallen weiter. Auch wenn es sich platt anhört, Industrie 4.0 wird ohne Logistik 4.0 nicht Realität, denn die Smart Factory hört am Tor zum Logistikzentrum nicht auf. Die Digitalisierung kennt keine Grenzen mehr.

Kaiserslautern zeigt 5G und Ökosysteme

Apropos Smart Factory: Das Partnerkonsortium Smart Factory aus Kaiserslautern zeigt auf der Messe eine erste 5G-Anwendung in der Industrie. Beim Transport des Werkstücks durch das flexible Transportsystem wird eine optische Qualitätsinspektion durchgeführt. Dank des Einsatzes von 5G können die Daten von der Kamera drahtlos in die Cloud übertragen und dort ausgewertet werden. Je nach Ergebnis wird das Produkt an die passende nächste Bearbeitungsstelle gefahren.

Auch bei Universal Robots sollten Sie vorbeischauen. Der dänische Pionier im Bereich kollaborativer Robotik präsentiert Anwendungsbeispiele, wie Unternehmen mithilfe von vielseitigen, schnell integrierbaren Komponenten Herausforderungen wie steigender Variantenvielfalt und immer flexibleren Losgrößen erfolgreich begegnen können. Das Zubehör der Applikationen stammt größtenteils aus dem Online-Ökosystem Universal Robots+. Ein Beispiel: Universal Robots zeigt drei UR3-Roboter, die im Zusammenspiel Taschenlampen zusammenschrauben, eine Batterie einsetzen und die Lampen im Anschluss mittels eines Lasers beschriften. So lassen sich selbst komplexe Anwendungen dank der passenden UR+ Komponenten (Greifer von Schunk und Dahl, ein Laser von Telesys oder ein Kraft-Momenten-Sensor von OptoForce) einfach automatisieren.

Mit Alexa ihren Warenfluss steuern

Und einen Logistiktipp wollen Sie vielleicht auch noch. Besuchen sich Alexa, den Sprachassistenten von Amazon. Mit ihm können Sie am Stand von Team GmbH ihrer WMS steuern. Klingt nach Spielerei? „Am Anfang vielleicht schon, mittlerweile ergeben sich daraus echte Vorteile für unsere Kunden. Der Mitarbeiter im Leitstand kann beispielsweise viel schneller Kennzahlen abfragen oder wenn Mitarbeiter in das Büro reinplatzen, um Informationen zu bekommen, entfällt das klicken und suchen im System - der Kollege fragt einfach: "Alexa, wann kommt der nächste Lkw" oder "Alexa, wo gibt es auf der Route Probleme“, erklärte Team-Geschäftsführer Michael Baranowski der Redaktion. Das WMS von Baranowski arbeitet eng mit Oracle zusammen. Die Amerikaner feiern 2018 ihre Premiere auf der Messe und wollen vor allem mit den Daten der Industrie Geld verdienen. Dazu müssen Unternehmen laut Oracle in der Lage sein, Daten entlang ihrer kompletten Wertschöpfungskette zu sammeln, miteinander zu einem fortlaufenden Datenfluss (Digital Thread) zu verbinden – und sie dann entsprechend nutzen. So können etwa Informationen aus Vertrieb und Marketing Aufschluss darüber geben, welche Produkte nachgefragt und wie sie vom Kunden eingesetzt werden. Auf Basis dieser Erkenntnisse lassen sich dann Produktportfolio und Produktionsprozesse optimieren. Der Digital Thread fungiert hier sozusagen als Rückkopplungsschleife vom Verbraucher zum Hersteller – inklusive Supply Chain, womit wir wieder beim Zusammenspiel von Logistik und Produktion wären.

Mit Mexiko Trump trotzen

Und auch das Partnerland Mexiko steht sinnbildlich für das Zusammenspiel. Auch wenn der Name des US-Präsidenten auf Pressekonferenzen im Vorfeld nicht ausgesprochen wurde, Donald Trumps angekündigte Mexiko-Politik schwingt aber immer mit und verunsichert die Mexikaner und die Unternehmen, denn für viele Ökonomen ist klar: Mexiko und die USA und sogar Kanada kann man nicht isoliert voneinander betrachten. Über die Grenze von Tijuana und San Diego rollen täglich Waren im Wert von einer Milliarde US-Dollar, bei 200.000 Grenzübertritten im Jahr. Es existieren integrierte Produktionsketten zwischen US-Unternehmen und mexikanischen Zulieferern - manche Produkte kreuzen vier bis fünfmal die Grenze, die Luftfahrtindustrie lässt Turbinen in Mexiko warten, Autobauer investieren vor Ort und Geldgeber aus den USA investieren in den boomenden IT-Sektor Mexikos. Wenn Trump wahr macht, was er ankündigt, dann brauchen die Mexikaner dringend neue Partner. Und die Umworbenen? Die sollten sich dreier Dinge bewusst sein:

Die familiären Verbindungen zwischen den USA und Mexiko können auch durch eine ökonomische Abschottungspolitik nicht gekappt werden.

Die USA sind das zweitgrößte spanisch sprechende Land der Welt - nach Mexiko.

In einigen Jahren sind die Hispanics die größte Minderheit in den USA, 2050 werden es rund 100 Millionen Menschen sein, die Karriere machen, Verantwortung in Unternehmen übernehmen und Ansprechpartner für europäische Unternehmen sind.

Selten war ein Partnerland der Hannover Messe so unbekannt, handels- und außenpolitisch so heikel (mit Ausnahmen von Russland oder China) und gleichzeitig ökonomisch so wichtig wie Mexiko.