Nachbericht : Das war Österreichs erste Konferenz zu Industrierobotik
Roboter spielten beim Vortrag von Professor Thomas Bauernhansl vom Fraunhofer IPA eher eine Nebenrolle – er nahm die Zuhörer mit in die nahe oder für manche noch sehr ferne Zukunft der Fabrik – in die Subsysteme der Industrie 4.0, der Digitalisierung. Da tauchen dann plötzlich Namen auf wie Adamos oder Axoom – die Industrie 4.0-Plattformen vieler unterschiedlicher Industrieunternehmen aus Deutschland und der Welt. Doch an was arbeiten die Unternehmen in diesen Kreisen? An Betriebssystemen für die Industrie, meint Bauernhansl, der für die Keynote nach Wien gereist war. Die Plattformen könnten in den nächsten Jahren den Ton angeben und Softwareoberflächen gemeinsam entwickeln, die dann in einem Store gekauft werden können. Und was macht dann dieses Betriebssystem? Es steuert beispielsweise die SPS aus dem Nebel – kommt bald die Edge SPS? Bauernhansl nennt das „Platform as Operating System“- approach (hard real time operating system). Darüber müssen sich die Steuerungs-Anbieter Gedanken machen: Wie verändert sich in den nächsten fünf Jahren die SPS? Oder: Geht die Marge der SPS-Produktion flöten? Mancher Zuhörer wollte daran nicht glauben, musste dann aber zugeben: Vor zehn Jahren konnte ich mit meinem Handy auch noch keine Filme ausleihen und abspielen. Das Edge-Zeitalter kommt.
Der Airbag für den Roboter
Mit Spannung hatten viele Zuhörer auf den Vortrag vom Wiener Start-up Blue Danube Robotics gewartet und wurden dann aber ein stückweit enttäuscht. Aber verständlich, unterliegen die Pilotprojekte der sogenannten Airskin doch strengen Geheimhaltungsvorschriften. Mitgründer Michael Zillich stellte vielmehr unterschiedliche Schutzmechanismen für die Zusammenarbeit von Mensch und Roboter vor: Sensoren, Lichtschranken und Berührungssensorik – Vor- und Nachteile im Überblick, das war vielen schon bekannt. Aber: Trotz vieler Produkte am Markt suchen Unternehmen noch die richtige Lösung. Die Wiener haben eine taktile Sensorhaut entwickelt, die jeden gängigen Industrieroboter kollaborativ machen kann, so Zillich. Viel billiger und sicherer als gängige Kamerasysteme und Lichtschrankenmodelle, sorgt die Airskin für schutzzaunlose Mensch-Maschinen-Kollaboration, behauptet der Mitgründer. Und der Preis, der schockte das Publikum: Um die 10.000 Euro, hieß es. Da raunte mancher Besucher. Dafür bekommen die Anwender Hightech: Unter einer luftdichten Haut aus Polyurethan misst die von Blue Danube entwickelte Sensorik jede noch so kleine Luftdruckveränderung. Dadurch reagiert der Roboter innerhalb von 10 Millisekunden und stoppt in seiner Bewegung.
1000 Roboter gekauft, 2000 Mitarbeiter eingestellt
Wolfgang Zitzs Vortrag konnte Professor Bauernhansl nicht mehr hören, denn der Flieger ging gen Stuttgart, aber der deutsche Fraunhofer-Vordenker hätte seine Freude am Magna Steyr-Werk von heute und vor allen von morgen gehabt. Wen wundert es: Magna Steyr kämpft auch mit Volatilität, Variantenvielfalt und immer kürzeren Time-To-Market-Vorgaben. Die Antwort der Autobauer: Intelligenz, Robotik, Technologien und Menschen. Die Vision von Zitz, Vice President Contract Manufacturing und seinem Team: Die agile Fertigung der Zukunft fußt auf autonomen Transporteinheiten für Material direkt ans Band mit fahrerlosen Transportsystemen, Maschinen und Roboter, die sich frei im Raum bewegen können und für die Produkte. Die Zusammenarbeit von Mensch und Roboter in der Fahrzeugmontage ist das Ziel von Magna Steyr. Der Roboter ist ein Intelligentes Werkzeug, eine Dritte und arbeitet mit dem Werker zusammen, unterstützt ihn. Die Roboter sind nicht mehr unbedingt fest an Punkten installiert, sondern wandern mit den Werkern zu ihren Aufgaben. Magna Steyr investiert in Technologie, in Roboter, aber auch in andere Techniken wie beispielsweise Drohnen. Die erfassen mit Onboard-Sensorik und gleichen mittlerweile autonom Lagerbestände ab. Was machen die Autobauer mit der Drohne? Inventurprozesse oder Ad-hoc-Lager-Recherche inklusive Abgleich mit dem ERP-System. Und der Mensch? Wird gebraucht, aber mit neuen Aufgaben.
Gewerkschaft versus Industrie
Im Anschluss an seinen Vortrag stellte sich Zitz einer Diskussion mit dem Gewerkschafter René Schindler. Eine gute Idee, wobei Teilnehmer das Gefühlt hatten, dass beide über das bedingungslose Grundeinkommen sprachen, ohne es direkt anzusprechen. Fazit: Die Gesellschaft, der Staat und die Politik sind gefordert. Wäre eine Wertschöpfungsabgabe eine Alternative? „Ich halte gar nichts von einer derartigen Steuer, weil sie innovationsfeindlich ist“, so Zitz. Im immer härter geführten internationalen Wettbewerb hätte der Standort Europa nur dann eine Chance, „wenn wir technologisch voraus sind, was eine Wertschöpfungsabgabe eindeutig konterkarieren würde“, meinte Zitz. Schindler lehnte eine Besteuerung von Investitionen in Innovation ebenfalls ab. Allerdings müsse man sich Gedanken darübermachen, wie man die Sozialsysteme künftig finanzieren will. „Wir müssen wegkommen von einem System, bei dem alles nur von der Lohnsumme abhängt“, so Schindler.
Drei Vorträge zum Nachdenken, zum Kritisieren und zum Verändern - von der Wissenschaft, von einem Start-up bis zu einem Industrieanwender mit anschließendem Gesellschaftsdiskurs. Und wenn man schon in Wien ist, darf der Prater nicht fehlen. Die FH Technikum Wien präsentierte den Teilnehmern als Retrofitprojekt einen 25 Jahre alten Greifautomaten vom Rummelplatz. Seit kurzem funkt er Signale in das Internet. Welche Möglichkeiten sich damit auftun, demonstrierte eine Live-Schaltung, auch wenn das Netz nicht immer stabil war, 5G muss kommen: Ein Mitarbeiter des Projektpartners Software-Factory spielte in Echtzeit mit dem Greifarm des Jahrmarktautomaten und bekam per Mail automatisch seinen fiktiven Gewinngutschein.